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DOI: 10.1055/s-2004-825745
Relevanz tumoraler Vaskularisation für Diagnose und Therapieentscheidungen am Beispiel der Kopf-Hals-Karzinome
Relevance of Intratumoral Vascularization for Diagnosis and Therapeutic Decisions in Head and Neck CancerPublication History
Eingegangen: 11. März 2004
Angenommen: 19. Mai 2004
Publication Date:
18 August 2004 (online)
Die Angioneogenese ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Wachstum maligner Tumore. Durch Hypoxie, die Induktion von Wachstumsfaktoren sowie mechanische Kräfte kommt es zur Gefäßneubildung und Rekrutierung von Gefäßen aus der Umgebung des Tumors, um dessen weiteres Wachstum sicherzustellen. Diese Neogefäße weisen strukturelle und funktionelle Alterationen auf. Zusammen mit dem progredienten Tumorwachstum führen solche Alterationen zu einer Veränderung des Gefäßmusters in dem betroffenen Gewebe. Daneben ist eine unterschiedlich stark ausgeprägte Tumorhypoxie zu beobachten. In der klinischen Diagnostik können eine Reihe der im Rahmen der Tumorgenese auftretenden Gefäßveränderungen mittels farbduplexsonografischer Untersuchungen visualisiert werden. Eine quantitative Evaluation der Gewebeoxygenisation ist mit Hilfe der Polarografie möglich.
An unterschiedlichen Patientenkollektiven (n = 30 - 112) wurde der Stellenwert einer vaskularisationsgestützen Diagnostik mittels Farbduplexsonografie für die Lymphknotendiagnostik sowie die Detektion von Primärtumoren und Rezidiven untersucht. Daneben erfolgte eine Evaluation der Methode unter dem Aspekt postoperativer Gewebeveränderungen, dem Stellenwert für die Tumornachsorge und der Zweittumordiagnostik. Die Ergebnisse wurden jeweils mit anderen Bildgebungsverfahren wie CT und PET verglichen. Zusätzlich wurde ein duplexsonografisches Verfahren zur Evaluation der Tumoroxygenierung entwickelt und bei Halslymphknotenmetastasen untersucht.
Bei der sonografischen Untersuchung der Vaskularisationsmuster lag die Untergrenze für die Darstellbarkeit intranodaler Gefäße bei einer Lymphknotengröße von sechs Millimetern. Gefäßveränderungen konnten ab einer Größe von 0,2 mm duplexsonografisch visualisiert werden. Die nachgewiesenen Vaskularisationsmuster erwiesen sich als charakteristisch, jedoch nicht als spezifisch für einen bestimmten Läsionstyp i. S. einer histologischen Diagnose. Die Auswertung der Vaskularisationsmuster zum Zweck der Diagnostik erwies sich dennoch als wertvolle Hilfe bei der differentialdiagnostischen Abgrenzung maligner Raumforderungen. Für die Lymphknotendiagnostik ergab sich im Falle der Durchführung einer Farbduplexsonografie eine Sensitivität von 82 - 100 % bei einer Spezifität zwischen 85 % und 96 %. Bei der Diagnostik von Primärtumor- und Rezidivtumorlokalisationen wies die Methode in der Beurteilung von Mundhöhle, Zunge und Tonsillenregion eine diagnostische Genauigkeit von 74 - 87,5 % auf. Es waren jedoch nicht alle Regionen in ausreichendem Maße darstellbar. Postoperative Gewebeveränderungen beeinflussten das Ergebniss nur in Einzelfällen.
Der jeweils durchgeführte Methodenvergleich mit der Computertomografie und Positronenemissionstomografie ergab, dass die Farbduplexsonografie für die Diagnostik der Halslymphknoten das Verfahren der Wahl darstellt. Vor diesem Hintergrund muss die Empfehlung zur Durchführung einer PET für diese Fragestellung kritisch differenziert werden. Bei der Identifikation von Primärtumoren hingegen und insbesondere in der Rezidivtumordiagnostik erwies sich die Positronenemissionstomografie als das zuverlässigste Verfahren. Die diagnostische Genauigkeit betrug für diese Fragestellungen 86 - 100 %.
Aufgrund der geringen Ortsauflösung der PET und des limitierten Untersuchungsumfangs der Farbduplexsonografie bleibt die Computertomografie weiterhin bei Prozessen kranial der Tonsillen und kaudal des Zungengrundes unverzichtbar. Duplexsonografische Untersuchungen weisen nur im Falle orofazialer Raumforderungen eine ausreichende diagnostische Sicherheit auf.
Ein neu entwickeltes Verfahren zur Abschätzung der Tumoroxygenierung auf der Grundlage einer quantitativen Farbpixeldichteanalyse in duplexsonografischen Abbildungen intratumoraler Gefäße ergab eine statistisch signifikante Korrelation zu relevanten Parametern der Gewebeoxygenierung in Lymphknotenmetastasen.
Für den Mittelwert und den Median der pO2-Werte betrugen die Signifikanzen p < 0,002 und p < 0,0001. Bei den hypoxischen Fraktionen mit einem Gewebe pO2 < 10 und < 5 mm Hg ergab sich eine Signifikanz von p < 0,0001 bzw. von p < 0,04. Damit wurde erstmals gezeigt, dass eine nicht-invasive Evaluation der Tumoroxygenierung auf der Basis farbduplexsonografischer Gefäßdarstellungen möglich ist. Dies eröffnet neue Perspektiven für den Einsatz zur Prognoseeinschätzung, Therapiemonitoring und zu einer Individualisierung der Radio(chemo)therapie. Die hohe diagnostische Genauigkeit einer vaskularisationsbasierten sonografischen Diagnostik bei der Abgrenzung maligner Prozesse unterstützt bei der Beurteilung der Gefäßscheiden eine frühzeitigere Diagnose. Die Anwendung des Verfahrens ermöglicht eine differenziertere Indikationsstellung zu Zeitpunkt und Ausmaß eines zu planenden operativen Eingriffs. Die gute Auflösung begünstigt die Selektivität bei der Operationsplanung und unterstützt das Konzept eines gewebeschonenden, mikroinvasiven Vorgehens.
PD Dr. med. Ercole F. N. Di Martino, Jahrgang 1961.
PD Dr. med. Ercole F. N. Di Martino
Klinik f. Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie d. UK Aachen
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