DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2004; 2(01): 35-36
DOI: 10.1055/s-2004-818834
Congress
Congress
Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co.KG Stuttgart

Der 6. Internationale Kongress des VOD

Arndt Fengler
PhysioKLAR, Stromeyerstr. 5, 30163 Hannover
,
Birgit Geyer
PhysioKLAR, Stromeyerstr. 5, 30163 Hannover
,
Kerstin Schön
PhysioKLAR, Stromeyerstr. 5, 30163 Hannover
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
17 February 2004 (online)

Am ersten Oktoberwochenende letzten Jahres fand in Schlangenbad der 6. internationale Kongress des VOD statt. Die Veranstaltung begann dieses Jahr am Donnerstag mit einem internationalen Forum der WOHO (World Osteopathic Health Organisation) und der Thesenpräsentation der AFO. Die offizielle Eröffnung am Freitag Morgen war dann Startschuss für ein ausgesprochen gelungenes Programm aus Vorträgen, Workshops und einem wundervollen Ehrenbankett.

Mit fünf Mitgliedern des Regionaltreffens-Hannover besuchten wir den diesjährigen Kongress. Wir freuten uns auf das abwechslungsreiche und interessante Programm und die Gelegenheit zum fachlichen und politischen Austausch.

Ein wunderbarer Einstieg in den Themenkomplex "Palpation, Technik, Basics" war der Vortrag von Prof. Breul mit dem Titel "Die Hand als wichtigstes Instrument des Osteopathen". In ihm beleuchtete er die Rolle der Hand als Diagnostikum und Therapeutikum im Rahmen unserer Arbeit. Beginnend mit der Entwicklung des Greiforgans und erster Tastfunktionen schon im Mutterleib bis hin zur detailreichen Darstellung der Biomechanik und neurologischer Zusammenhänge ließ der Vortrag keine Wünsche offen. Sehr einprägsam war, wie früh die Entfaltung palpatorischer Fähigkeiten einsetzt (schon der Fötus setzt seine Händchen ein, um sein Gesicht zu betasten!) und dass sie schon besonders gut im Kindes- und Jugendalter trainiert werden können, wobei diese Erkenntnis wohl kaum dazu führen wird, dass die Vollzeitausbildung bald für Zwölfjährige angeboten wird...

Wie breit gefächert die Einsatzmöglichkeiten unserer Hände sind, zeigt sich an dem geschilderten Beispiel eines Freeclimbers, der sein eigenes Körpergewicht mehr als 30 Sekunden mit nur zwei Fingern an einem schmalen Vorsprung hängend halten kann.

Die Einbindung seiner Frau in die Bildbearbeitung von Röntgenaufnahmen und der eigene Einsatz für die Erstellung solcher Darstellungen zeigten, dass hier ein Vollblutwissenschaftler am Werk ist, der für unsere Arbeit in Deutschland eine riesige Bereicherung darstellt.

Nach diesem wissenschaftlich geprägten Vortrag folgte Jean Paul Höppner mit seinem Beitrag: "Die Anatomologie als Synthese der Anatomie und Embryologie." In diesem fesselnden Vortrag ging es um eine Verschmelzung zwischen Anatomie als "Kunst des Zergliederns" und dem Studium der Embryologie als Wunder der Entstehung und Entwicklung. Es war jede Sekunde zu spüren, wie diese beiden Fachrichtungen den Redner faszinieren und wir können dankbar sein, dass einst eine Biologielehrerin seine Neugier auf das "Geheimnis des Lebens" weckte. Dieser Vortrag war nicht nur eine Liebeserklärung an die Osteopathie, sondern auch eine Ode an die Neugier und den Forschungsdrang.

Berichte aus den Workshops

Am Nachmittag leitete Höppner den Workshop "Drei verschiedene Wege zur Palpation". "God manifests himself in matter, motion and mind. Study well his manifestions" (A.T. Still). Dieser Satz galt hier u.a. als Schnittpunkt zwischen Vortrag und Workshop, indem die verschiedenen Ebenen der Palpation mit Hilfe der verschiedenen Manifestationen dargelegt wurden. "Matter" als Idee des Erscheinungsbildes in der Biomechanische Ebene, "Motion" als Komplexität des Ganzen, manifestiert in den Naturgesetzen auf der funktionellen Ebene, und "Mind" als Bewusstsein, welches sich als momentaner Zustand im Ganzen zeigt und damit die biodynamische Ebene formt. Die besondere Faszination entstand hier durch die Anregung über die Art der Palpation nachzudenken und sich bewusst zu sein, wie man über die verschiedenen Ebenen Zugang zu einem Patienten finden kann.

Therapie am Homöostaseaustausch des Peritoneums

Hatte man sich für den Workshop von Rob Muts entschieden, blieben einem zwar Einblicke in parallel stattfindende Workshops versagt, ein unverkennbarer Rob Muts in seiner gewohnt frischen, anekdotenreichen und philosophischen Art aber verstand es vom ersten Moment an, einen darüber hinweg zu trösten. In einem gesunden Mix aus Theorie und Praxis zog er die Teilnehmer in den Bann bezüglich Struktur und Funktion, Homöostase und Bewegung des Peritoneum, und somit des Mesoderms, unserem embryologisch dritten Keimblatt.

Das Peritoneum selbst steht in diesem Fall für die Struktur und die intraperitoneal gelegenen Organe für die Funktion. Die Homöostase ist hier der arterielle, venöse sowie lymphatische Austausch (das Peritoneum hat exakt die gleiche Funktion für den Austausch von Flüssigkeiten, wie die Niere für das Blut). Das Mesoderm ist der Initiator für Bewegung. Embryonal gesehen sind das die Somiten, sowie intermediäres und laterales Plattenmesoderm.

Aus der phylogenetischen Reihenfolge der embryonalen Entwicklung dieser Strukturen ergibt sich auch der Behandlungsaufbau auf Peritonealebene:

  • Zuerst Freiheit der viszeralen Blätter und Gleitflächen

  • dann Relation Radix mesosigmoideus/ mesenterium/mesocolon transv. mit PPP (d.h. Dünndarmpaket auf der Fascia von Toldt)

  • Relation PPP mit Nierenfaszie

  • Relation Nierenfaszie mit Parietalem System

Wie A.T. Still schon sagte: "the peritoneum is the hunting ground for the osteopath".

Na dann, fröhliches Jagen und Petri Heil!


#

Evaluation of Lumbo-Pelvic Area Function on Pregnant Women

In diesem Workshop legte Renzo Molinari dar, welche Veränderungen das weibliche Becken während des Geburtsprozesses erfährt. Außerdem wurden anhand praktischer Beispiele und Übungen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten eventueller Mobilitätseinschränkungen gelehrt.

Als wichtige Bewegungen während der Geburt wurden folgende genannt:

  1. Delordosierung der LWS

  2. Kontranutation des Sacrums

  3. Eversion der Ilii

  4. Absinken und Rotation des Babies

  5. Freiheit aller myofaszialer Strukturen

Molinari beschrieb den Geburtsvorgang als eine Folge von Rotationen, die größtenteils durch muskuläre Strukturen ausgelöst und beeinflusst werden.

Um einen ersten Eindruck von der Bewegungsfähigkeit zu gewinnen, eignet sich die Anwendung der "Michaelisraute". Hierbei markiert man im Stand folgende Punkte am Becken der Patientin: Proc. spinosus L5, die S.I.P.S. und Hiatus sacralis. Der Abstand dieser Punkte sollte sich bei einer tiefen Kniebeuge in einem bestimmten Verhältnis verändern. Abweichungen und Besonderheiten werden registriert und lenken die Aufmerksamkeit auf bestimmte Regionen.

Natürlich reicht ein solcher Test nur für eine grobe Beurteilung der Beckenmobilität, lässt sich jedoch in der Praxis sehr gut durchführen und kann für die Erstellung einer ersten Übersicht genügen.

Renzo Molinaris sanftmütige, humorvolle Art verfehlte auch dieses Jahr ihre Wirkung nicht. Er verkörpert mit seiner gesamten Ausstrahlung das Musterbeispiel eines einfühlsamen Therapeuten, der es versteht, in kürzester Zeit eine vertrauensvolle Atmosphäre zu erzeugen.


#
#

Fazit

Neben diesen exemplarisch hervorgehobenen Vorträgen und Workshops überzeugte auch dieses Jahr die gesamte Veranstaltung. Angefangen bei den Anmeldeformalitäten, die sich dieses Jahr auch online abwickeln ließen bis hin zur Betreuung vor Ort verlief alles reibungslos, was angesichts der Besucherzahl nicht unbedingt selbstverständlich ist. Etwas unglücklich waren wir über den Zeitpunkt der Thesenpräsentationen, die dieses Jahr vom eigentlichen Programm entkoppelt waren.

Besonderes Highlight war natürlich wieder das Ehrenbankett mit der feierlichen Verleihung der D.O.-Titel.

Zoom Image
Abb. 1 Langer Mühe Lohn: Die Urkunde zum D.O.

Zusammengefasst kann man sagen, dass der VOD-Kongress auf jeden Fall einen festen Platz im Terminkalender eines Osteopathen verdient hat. Das Programm bietet für jeden etwas, egal in welchem Ausbildungs- oder Entwicklungsstadium sie/er sich befindet. Neben den zahlreichen Informationen und dem hohen Praxisbezug liegt ein ganz besonderer Reiz in der motivierenden Wirkung der Veranstaltung. In unserer Gruppe wissen jedenfalls alle, wo sie das erste Oktoberwochenende nächsten Jahres verbringen werden.


#