Pneumologie 2004; 58(6): 443-448
DOI: 10.1055/s-2004-818457
Serie „Seltene Lungenerkrankungen” (9)
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bronchitis plastica

Plastic BronchitisJ.  Schmitz1 , J.  Schatz1 , D.  Kirsten1
  • 1Krankenhaus Großhansdorf, Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie (Ärztlicher Direktor Prof. Dr. H. Magnussen), Großhansdorf
Herrn Prof. Dr. H. Magnussen zum 60. Geburtstag gewidmet.Auszugsweise vorgetragen auf dem 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, Frankfurt, 12. März 2004.
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Dr. med. Jochen Schmitz

Krankenhaus Großhansdorf

Wöhrendamm 80

22927 Großhansdorf

Email: schmitz-ahrensburg@t-online.de

Publication History

Publication Date:
19 July 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Bronchitis plastica ist eine seltene Erkrankung, die in jedem Lebensalter auftreten kann. Sie ist durch die Bildung von großen, verzweigten Bronchialausgüssen charakterisiert, die meistens abgehustet, aber gelegentlich nur bei der Bronchoskopie gefunden werden. In den meisten Fällen entstehen die Ausgüsse als Komplikation einer Erkrankung der Lunge, des Herzens oder der Lymphgefäße. Wir berichten über einen Fall, in dessen Verlauf ein beidseitiger Chylothorax auftrat. Eine zunehmende respiratorische Insuffizienz konnte durch wiederholte bronchoskopische Extraktion der Ausgüsse und die Inhalation von 20 000 I. E. Heparin zweimal täglich beherrscht werden. Die Inhalation von Heparin sollte in Fällen erwogen werden, in denen die Behandlung der Grunderkrankung zu keiner Besserung führt und die Bronchialausgüsse einen hohen Gehalt an Fibrin aufweisen. Die histologische Untersuchung der Ausgüsse kann daher für das therapeutische Vorgehen von Bedeutung sein und darüber hinaus Hinweise auf eine Grunderkrankung geben.

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Abstract

Bronchitis plastica is a rare disorder that can occur at any age. It is characterised by formation of large, branching bronchial casts, which are often expectorated, but may be discovered only by bronchoscopy. In most cases, bronchial casts are secondary to underlying diseases of the lung, heart or lymph vessels. We report a case of plastic bronchitis associated with bilateral chylothorax. Progressive respiratory failure could be controlled by repeated bronchoscopic extraction of casts and inhalation of 20,000 units of heparin twice a day. Inhalation of heparin should be considered, when treatment of the underlying disorders is not successful and the casts consist largely of fibrin. Histological examination of the casts may be useful for therapeutic decisions and can point additionally to an underlying disease.

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Einleitung

Das Abhusten von großen verzweigten Bronchusausgüssen ist ein seltenes und für Patient und Arzt gleichermaßen beeindruckendes Ereignis. Im Schrifttum finden sich verschiedene Bezeichnungen, die nicht immer einheitlich verwendet werden. Bronchitis plastica, Bronchitis fibrinosa, Bronchitis pseudomembranosa oder im englischsprachigen Raum cast bronchitis werden meist synonym für eine Bronchitis mit phasenweiser Expektoration von ausgedehnten, verzweigten Bronchialausgüssen verwandt [1] [2] [3] [4].

Die erste Beschreibung dieses Phänomens stammt bereits von Galen aus dem zweiten Jahrhundert nach Christi. Er hielt die Bronchialausgüsse für abgehustete Blutgefäße [4]. Auch Donatus beschrieb sie 1586 noch als „venae frustrum parvum per tussum excreatum e pulmone” [5]. Morgagni wird die Erkenntnis zugeschrieben, dass es sich bei den abgehusteten Gebilden um eingedickten Bronchialschleim handelt [6].

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Epidemiologie

Genaue epidemiologische Daten sind nicht verfügbar. Im 18. und auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts, widmete sich die Medizin intensiver dem Krankheitsbild und es entstand eine größere Zahl von Falldarstellungen. Eine Literaturübersicht von Bettmann aus dem Jahr 1902 zitiert rund hundert Fälle, die zwischen 1870 und 1900 veröffentlicht wurden [5]. Bis 1960 wurden etwa 300 Fälle in der Literatur beschrieben [6] [7]. Die Erkrankung wird vom Säuglings- bis ins Greisenalter beobachtet [6]. Frauen scheinen häufiger als Männer zu erkranken. Eine geografische Häufung in trockenen und heißen Regionen der USA wird mit der vermehrten Austrocknung der Schleimhäute und Eindickung des Bronchialschleims durch die geringe Luftfeuchtigkeit erklärt [8] [9].

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Ätiologische Überlegungen

Beim weit überwiegenden Teil der Patienten entstehen die Bronchusausgüsse im Rahmen einer Grunderkrankung. Das Spektrum möglicher Krankheiten ist groß (Tab. [1]). Den Allergien kommt aufgrund ihrer Häufigkeit eine besondere Bedeutung zu. Seitdem sie durch die modernen Diagnostikverfahren sicher abgegrenzt werden können, verwenden die meisten Autoren die Bezeichnung Bronchitis plastica nicht mehr in Zusammenhang mit Bronchialausgüssen bei Asthma oder allergischen bronchopulmonaler Aspergillose. Manche Autoren fassen den Begriff noch enger und verwenden ihn nur für die seltene idiopathische Form [2]. Für einige Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Amyloidose existieren nur Beobachtungen, die keinen überzeugenden kausalen Zusammenhang mit der Bronchitis plastica erkennen lassen [6].

Tab. 1 Mögliche Grunderkrankungen bei Bronchialausgüssen
Asthma bronchiale
allergische bronchopulmonale Aspergillose
bronchozentrische Granulomatose
Bronchiektasen
Mukoviszidose
Pneumonie
Tuberkulose
Diphtherie
Erkrankungen der Lymphwege
Sichelzellanämie
Herzinsuffizienz
Perikarditis konstriktiva
Perikarderguss
Mitralklappenstenose
Z. n. Operation zyanotischer HerzvitienRheumatoide
Arthritis
Amyloidose
membranöse Kolitis

Es ist unklar, warum bei gleicher Grunderkrankung eine sehr geringe Zahl von Patienten Bronchialausgüsse bilden und die weitaus meisten nicht. Vermutlich müssen mehrere Faktoren zusammentreffen. Diskutiert werden unter anderem eine Störung der mukoziliaren Clearence und klimatische Einflüsse [8] [10] [11]. Bei einigen hämodynamisch wirksamen Krankheiten scheint eine Erhöhung des pulmonalvenösen Drucks eine Rolle zu spielen [7]. Dies gilt zum Beispiel für die Perikarditis konstriktiva, hämodynamisch wirksame Perikardergüsse oder Kinder mit Zustand nach operativer Korrektur cyanotischer Herzvitien. Bei einigen dieser Kinder kam es zum Sistieren der Ausgussbildung, nachdem eine Verbesserung der Hämodynamik durch Rhythmisierung einer absoluten Arrhythmie oder eine Schrittmacher-Versorgung erreicht wurde [1] [4]. Die Behinderung des Lymphabflusses durch Herzinsuffizienz oder Verletzungen der Lymphabflusswege im Rahmen des operativen Eingriffs werden als weitere Ursachen für die Ausgussbildung bei diesen Kindern diskutiert [10]. Ein Sistieren der Ausgussbildung konnte auch nach Entlastung von hämodynamisch wirksamen Perikardergüssen beobachtet werden [7] [12]. Ein erhöhter Druck in den Lymphwegen mit Insuffizienz des Klappenapparates hat vermutlich entscheidende Bedeutung bei einigen primären und sekundären Erkrankungen der Lymphwege wie der angeborenen Lymphangiektasie oder der Lymphangiomatose mit pathologischer Neubildung von Lymphgefäßen [10] [13]. Über erweiterte, unter erhöhtem Druck stehende Lymphwege kann es zu retrogradem Lymphfluss, Austritt von Lymphflüssigkeit in das Bronchiallumen und Chyloptysen kommen [14]. In zeitlichem Zusammenhang mit Chyloptysen wurden bei wenigen Patienten Bronchialausgüsse beobachtet [14]. Beim Asthma bronchiale dürfte die Dyskrinie mit erhöhter Viskosität der Sekrete pathogenetisch die größte Rolle spielen [2]. Bei der so genannten idiopathischen Form der Bronchitis plastica werden Atemwegsinfekte, thermische oder chemische Noxen als Auslöser einer Exsudation von Plasma in das Bronchiallumen diskutiert [2].

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Diagnostik

Klinik: Die klinische Symptomatik entwickelt sich von Fall zu Fall unterschiedlich. Leitsymptom ist ein produktiver Husten [15]. Dieser kann längere Zeit bestehen, bevor es zum Abhusten von Bronchialausgüssen kommt [16]. Es kann zu plötzlichen, lebensbedrohlichen Atemnotzuständen kommen, wenn zentrale Atemwege duch hochgehustetes Ausgussmaterial akut verlegt werden [1]. Es wurden Ausgüsse beschrieben, die das Bronchialsystem eines Lungenlappens komplett ausfüllten [9]. Die Häufigkeit und das Ausmaß der Ausgussexpektoration ist von Fall zu Fall unterschiedlich [1]. Manche Patienten husten Ausgüsse fast täglich ab, andere in längeren Zeitintervallen. Die Hustenperioden, die schließlich zur Expektoration von Ausgüssen führen, sind meist lang, heftig und werden als quälend empfunden [2]. Bei Kindern kommt es gehäuft zum Erbrechen, so dass die abgehusteten Ausgüsse von den Eltern gelegentlich mit Nahrungsbestandteilen verwechselt werden [7]. Hämoptysen sind keine Seltenheit [8] [9].

Durch subtotale Bronchusverlegung kommt es zu asthmaähnlichen Beschwerden oder dem als pathognomonisch beschriebenen Ventilgeräusch, das durch Flattern von Ausgüssen im Bronchuslumen entstehen soll [4] [6] [7]. Poststenotische Infekte können rezidivierende fieberhafte Bronchitiden oder Pneumonien vortäuschen. Der vorübergehende Erfolg einer antibiotischen Therapie wird meist als Bestätigung dieser Fehleinschätzung aufgefasst.

Die Konsistenz der Ausgüsse ist gummiartig, die Farbe weiß-gelblich. Eine braune oder schwarze Verfärbung kann auf Einblutungen oder eine Pilzbesiedelung hinweisen [6]. Die Ausgüsse setzen sich in unterschiedlichem Maße aus Fibrin und Muzin zusammen. Je nach zugrunde liegender Erkrankung können außerdem Fettvakuolen, verschiedene zelluläre Bestandteile wie Schaumzellen, Granulozyten, Lymphozyten und Eosinophile oder deren Degenerationsprodukte gefunden werden.

Differenzialdiagnostische Aspekte: Bei fehlender klinischer Zuordnung kann die histologische Zusammensetzung der Ausgüsse Hinweise auf die Ätiologie geben. Sind die Ausgüsse durch einen hohen Fettanteil leichter als Wasser, muss von einer Ausgussbildung auf dem Boden eines Lymphstatus ausgegangen werden. Im histologischen Präparat findet man in diesen Fällen große Fettvakuolen und zahlreiche Lymphozyten [14]. Eine ausgesprochene Zellarmut und ein hoher Anteil an Muzin werden bei kardialen Grunderkrankungen gefunden. Darüber hinaus können Fibrin, Muzin und Entzündungszellen bei allen Erkrankungen in unterschiedlichem Maße vertreten sein und deshalb allenfalls einen groben Hinweis auf die Ätiologie geben. Der Nachweis von Charcot-Leyden-Kristallen, Curschmannschen Spiralen oder einer großen Zahl von Eosinophilen spricht in hohem Maße für ein Asthma bronchiale [6] [8] [16] [17].

Zur Abgrenzung einer allergischen Grunderkrankung sind neben den bekannten Kriterien zur Diagnose von Asthma und allergischer bronchopulmonaler Aspergillose und der histologischen Untersuchung des Ausgusspräparates die Röntgen-Lokalisation und das Ansprechen auf eine systemische Steroidtherapie differenzialdiagnostisch wertvoll. Bei der Bronchitis plastica liegen die Lungeninfiltrate bevorzugt in den Unterlappen, während bei Asthma und allergischer bronchopulmonaler Aspergillose meist die Oberlappen betroffen sind [2] [3]. Eine hochdosierte systematische Steroidtherapie wird im Gegensatz zur Bronchitis plastica bei der allergischen bronchopulmonalen Aspergillose und in der Regel auch beim Asthma bronchiale erfolgreich sein. Nur die Bronchitis plastica führt gehäuft zu Hämoptysen [2]. Die Abgrenzung des Krankheitsbildes ist aus therapeutischen Gründen notwendig.

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Therapie und Prognose

Ist die Bronchitis plastica Komplikation einer Grunderkrankung, sollte deren optimale Behandlung im Zentrum der therapeutischen Bemühungen stehen [3] [15].

Bei akuter Atemnot oder poststenotischer Pneumonie kann die bronchoskopische Entfernung der Ausgüsse die Situation dramatisch verbessern oder gar lebensrettend sein [3] [15] [18]. Bei der Extraktion muss mit Schwierigkeiten durch ein festes Wandhaften des Ausgussmaterials gerechnet werden. Hilfreich ist nach unserer Erfahrung die mechanische Ablösung von der Bronchialwand durch tiefes Umfahren mit der Biopsiezange. Die Untersuchung sollte wegen der zu erwartenden langen Untersuchungszeit immer in Narkose und zur gefahrlosen Bergung größerer Ausgüsse möglichst in starrer Technik erfolgen. Die medikamentöse Therapie besteht bei Asthma oder ABPA in einer hochdosierten systemischen Steroidtherapie. Bei der mucoid impaction können Inhalationen mit Acetylcystein erfolgreich sein. Bronchospasmen nach Acetylcysteininhalation sind seltene Ereignisse [9] [17]. Bei Retentionspneumonien kommen Antibiotika zum Einsatz.

Bei Kindern wurde nach Korrektur zyanotischer Herzvitien kasuistisch über die erfolgreiche Inhalation von Urokinase oder r-TPA berichtet [19] [20]. Hammelmann und Konietzko berichteten 1987 über drei Fälle von Bronchitis plastica, bei denen keine Grunderkrankung gefunden werden konnte. Bei allen drei Patienen wiesen die Bronchialausgüsse histologisch einen hohen Fibrinanteil auf. Eine systemische Heparintherapie erwies sich als ineffektiv. Erstmalig wurde zur Therapie von Bronchialausgüssen Heparin inhalativ mit gutem Erfolg eingesetzt [2]. Die medikamentöse Behandlung sollte immer durch eine intensive Physiotherapie unterstützt werden [7] [9] [15],

Die Prognose der Bronchitis plastica ist in der Regel günstig, wenn eine gut zu beherrschende Grunderkrankung vorliegt. Die Ausgussbildung kann spontan sistieren [3] [7]. Langzeitverläufe von bis zu 23 Jahren wurden beobachtet [21]. Bei der idiopathischen Form scheint die Prognose günstig zu sein [2]. Bei therapieresistenten Verläufen wurden vor allem bei Kindern letale Ausgänge beschrieben, die meist durch Komplikationen der Bronchitis plastica und nicht der Grunderkrankung bedingt waren [1].

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Kasuistik

Eine bisher gesunde Frau erkrankte mit 61 Jahren rezidivierend an fieberhaften Bronchitiden. Wiederholte Gaben von Antibiotika waren zunächst erfolgreich. Ein persistierender Husten ließ sich durch Gabe topischer Steroide oder Bronchodilatatoren nicht beeinflussen. Nach sechs Monaten wurde die Patientin im Rahmen einer Exazerbation erstmals bronchoskopiert. Der Befund beschreibt das Bild einer hypertrophen, hypersekretorischen Bronchitis. Im Anschluss an die Bronchoskopie kam es zur klinischen Verschlechterung und die Patientin beobachtete von nun an häufiger geformte, anfänglich körnige, später wurmartige Partikel im Auswurf. 18 Monate nach Krankheitsbeginn wurde die stationäre Aufnahme in einer auswärtigen pneumologischen Abteilung wegen einer schweren fieberhaften Exazerbation notwendig. Bei wiederholten Bronchoskopien sah man zunehmende Bronchialeinengungen bis hin zum Bronchusverschluss durch gelblich-höckerige Schleimhautauflagerungen, die mit der Zange teilweise extrahiert werden konnten. Eine histologische Untersuchung der Ausgusspräparate erfolgte nicht. Alle mikrobiologischen und serologischen Untersuchungen einschließlich der Autoimmundiagnostik und die allergologische Diagnostik verliefen negativ.

Die Erkrankung konnte zu diesem Zeitpunkt weder durch erneute Antibiotikagabe noch durch eine hochdosierte systemische Steroidtherapie nachhaltig gebessert werden. Nach wiederholten Bronchoskopien kam es jeweils zu einer weiteren Zustandsverschlechterung.

Die Verlegung in unser Haus erfolgte intubiert und beatmet unter der Verdachtsdiagnose Pilzpneumonie, die sich auf den endoskopischen Schleimhautaspekt stützte. Die Röntgen-Thoraxaufnahme zeigte bei Übernahme beidseitige perihiläre Verdichtungen und eine Unterlappenatelektase links. Bei der Bronchoskopie sahen wir lumenverschließende Bronchialausgüsse. Aus dem linken Unterlappen konnte ein großer Ausguss extrahiert werden, der einem kompletten anatomischen Ausgusspräparat entsprach (Abb. [1]). Die feingewebliche Untersuchung zeigte den für Bronchusausgüsse typischen lamellierten Aufbau und als vorherrschenden Bestandteil Fibrin, das in geringem Maße von Granulozyten, Lymphozyten und wenig Eosinophilen durchsetzt wird (Abb. [2]). In der Gram-Färbung konnten keine Mikroorganismen nachgewiesen werden.

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Abb. 1 Bronchialausguss

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Abb. 2 Histologie Bronchialausguss, Hämatoxylin-Eosin (Präparat Dr. J. Galle, Forschungsinstitut Borstel).

Die typische Anamnese und Klinik, der bronchoskopische Befund und die Histologie der Ausgüsse führten zur Diagnosestellung Bronchitis plastica. Hinweise auf eine Grunderkrankung ergaben sich zu diesem Zeitpunkt nicht. Das Computertomogramm der Thoraxorgane zeigte nur geringfügige, am ehesten sekundäre Bronchiektasen des linken Lungenunterlappens von zu geringer Ausprägung, um als Krankheitsursache infrage zu kommen. Ein Schweißtest verlief negativ. Hinweise auf eine Herzinsuffizienz ergaben sich weder klinisch noch echokardiographisch. Ein Asthma bronchiale war nach ausbleibender Besserung auf eine adäquat hohe systemische Steroidtherapie und aufgrund der Ausgussanalyse unwahrscheinlich.

Wegen des hohen Fibringehaltes der Ausgüsse wurde ein Therapieversuch mit Heparin eingeleitet. Die Inhalation von 20 000 Einheiten zweimal täglich verhinderte eine Neubildung der Fibrinausgüsse wirksam, so dass bereits nach wenigen Tagen auf die zuvor regelmäßig notwendigen endoskopischen Bronchialtoiletten verzichtet werden konnten. Eine erneute Exazerbation im Rahmen einer Therapiepause belegte eindrücklich die Wirksamkeit der Heparin-Inhalationen.

Der weitere Krankheitsverlauf wurde durch einen linksseitigen Chylothorax kompliziert, der im Anschluss an die Weaning-Phase auftrat und durch die üblichen konservativen Maßnahmen nicht beherrscht werden konnte. Eine bipedale Lymphographie zeigte zwei größere Kontrastmitteldepots in Höhe der distalen BWS und des rechten Hilus und in Spätaufnahmen zahlreiche kleineren Depots im gesamten Mediastinum und an einigen Stellen in Projektion auf das peribronchiale Interstitium. Ein regulärer Ductus thoracicus kam nicht zur Darstellung (Abb. [3a] und [3b]). Eine Ursache für die Lymphabflussbehinderung war nicht erkennbar. Eine linksseitige Teilpleurektomie führte nicht zu einer zufrieden stellenden Rückbildung des Pleuraergusses. Nachdem auch rechtsseitig ein chylöser Erguss auftrat, wurden in einem zweiten Eingriff die mediastinalen Lymphbahnen oberhalb des Zwerchfells unterbunden. Dem Operateur stellten sich die Lymphgefäße im gesamten Mediastinum ektatisch und prall gefüllt dar. Die histologische Begutachtung der hier entnommenen Proben beschreibt eine auffällige Vermehrung und Ektasie der Lymphgefäße, z. T. mit muskulären Regeneraten von reifem Charakter. Die Lymphgefäße der Lungenkeilbiopsien waren unauffällig. Das morphologische Bild und die Untersuchung der Rezeptoren für Östrogen, Progesteron und HMB 45 zeigten keine Merkmale einer Lymphangioleiomyomatose. Der typische Befund einer Lymphangiomatose lag ebenfalls nicht vor.

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Abb. 3 Bipedale Lymphographie, Spätaufnahme, a Rö.-Thorax p. a, b Rö.-Thorax seitlich.

Der weitere postoperative Verlauf gestaltete sich günstig. Unter einer sehr lockeren fettreduzierten Diät persistierten beidseits pleurale Restergüsse. Die Lungenfunktion zeigte eine leichte, im Verlauf abnehmende Restriktion mit einer Einschränkung der totalen Lungenkapazität auf zuletzt 71 % vom mittleren Soll und einer grenzwertig normalen Vitalkapazität. Die Patientin ist im Alltag nicht eingeschränkt. Die inhalative Heparin-Therapie wurde nach 15 Monaten ohne Nachteile auf 2 × 10 000 I. E./d reduziert. Ein Auslassversuch ist geplant.

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Diskussion

Die Diagnose der Bronchitis plastica sollte aufgrund der klinischen Befunde oder eines typischen Endoskopiebefundes unproblematisch sein [1]. Die Krankheit kann aber wegen ihrer Seltenheit schnell verkannt und je nach Symptomatik mit einem Asthma bronchiale oder rezidivierenden Bronchitiden bzw. Pneumonien verwechselt werden. Vom Auftreten erster Krankheitssymptome bis zur Diagnosestellung vergingen bei unserer Patientin trotz zunehmend schwerem Krankheitsbild immerhin 18 Monate. Verläufe, bei denen Bronchusausgüsse erst spät abgehustet werden, können vor allem dann differenzialdiagnostische Probleme bereiten, wenn eine bronchoskopische Abklärung unterbleibt. Bei schwerem Verlauf sind bronchologische Akutmaßnahmen nach unserer Erfahrung nur kurzfristig wirksam. Eine schnelle Neubildung ausgedehnter Bronchusausgüsse bedroht das Leben des Kranken durch akute Verlegung der Atemwege.

Die histologische Begutachtung des Ausgussmaterials und die Suche nach einer möglichen Grunderkrankung können weitere therapeutische Optionen eröffnen. Bei fibrinreichen Ausgüssen hat sich die Inhalation von Heparin als effektiv und unproblematisch erwiesen. Systemische Nebenwirkungen wurden bisher nicht beobachtet [2]. Über Inhalationen mit Fibrinolytika wie Urokinase oder r-TPA wurde kasuistisch bei Kindern mit Ausgüssen nach Korrektur zyanotischer Herzvitien berichtet. Urokinase wurde in einer Dosierung von 40 000 E. sechs mal täglich inhaliert und konnte erneute Exazerbationen verhindern [19]. Damit verglichen ist die Inhalation von Heparin in der Anwendung ungleich einfacher und kostengünstiger. Die Dauer und Dosis dieser Therapie ist von der Klinik und den bronchoskopischen Befunden abhängig.

Die Ätiologie der Ausgussbildung ist bei der von uns beobachteten Patientin nicht zweifelsfrei. Als Ursache ist zum einen eine Abflussbehinderung im Gebiet der mediastinalen Lymphwege zu diskutieren, deren Ursache nicht geklärt ist. Eine Fehlanlaage der Lymphwege wie eine Lymphangiektasie, bei der ein Chylothorax, Chyloptysen und Bronchialausgüssen auftreten können, manifestiert sich in deutlich geringerem Lebensalter. Als Ursache möglich erscheint eine erworbene Lymphabflussbehinderung oder eine Aplasie oder Hypoplasie des Ductus thoracicus mit konsekutiver Erweiterung von mediastinalen Lymphwegen. Die Dekompensation der Lymphdrainage erfolgte vermutlich unter dem Einfluss der zahlreichen intensiv-medizinischen Maßnahmen einschließlich der passageren Überdruckbeatmung. Zum anderen muss eine allergische Erkrankung diskutiert werden, für deren Vorliegen Befunde sprechen, die im Rahmen der Verlaufskontrollen erhoben wurden. So fanden wir eine mittelgradige bronchiale Überempfindlichkeit im Histamintest, einen Anstieg des NO-Wertes in der Ausatemluft von 29 ppb auf zuletzt 79 ppb und des Gesamt-IgE von 34 auf 128 kU/l, eine leichte Bluteosinophilie und in einer kürzlich entnommenen Biopsie aus der Bronchialschleimhaut eosinophile Granulozyten in erhöhter Zahl. Möglicherweise sind diese Befunde durch die in der Akutphase der Erkrankung längerfristig und hochdosiert durchgeführte systemische Steroidtherapie maskiert worden. Andererseits ließen sich keine asthmatypischen Beschwerden in der Vorgeschichte erfragen. Ohne antiasthmatische Medikation sind Symptome eines Asthmas bisher ausgeblieben. Dass ein Asthma bronchiale durch den günstigen Einfluss einer inhalativen Heparintherapie auf die Mediatorfreisetzung bei Asthmatikern vollständig kontrolliert wird, ist anzuzweifeln. Eine allergische bronchopulmonale Aspergillose konnten wir serologisch ausschließen. Möglicherweise gibt der weitere Krankheitsverlauf nach Beendigung der inzwischen zweieinhalb Jahre lang durchgeführten Heparin-Inhalationen weiteren Aufschluss über die Ätiologie.

Unsere Patientin ist nach den von Hammelmann und Konietzko (2) berichteten Fällen der vierte Fall in der Literatur, bei dem Bronchusausgüsse durch Inhalation von Heparin behandelt wurden. Eine Prüfung der therapeutischen Wirksamkeit erscheint bei allen fibrinreichen Bronchusausgüssen unabhängig von ihrer Ätiologie Erfolg versprechend. Die Bezeichnung Bronchitis plastica sollte deshalb unabhängig von der Krankheitsursache auf Erkrankungen mit fibrinreichen Ausgüssen angewandt werden, da sich hieraus therapeutische Implikationen ergeben.

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Bereits publizierte Beiträge zu dieser Serie:

Dr. med. Jochen Schmitz

Krankenhaus Großhansdorf

Wöhrendamm 80

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Literatur

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  • 19 Quasney M W, Orman K, Thompson J. et al . Plastic bronchitis occurring late after the Fontan procedure: treatment with aerosolized urokinase.  Crit Care Med. 2000;  28 2107-2111
  • 20 Costello J M, Steinhorn D, McColley S. et al . Treatment of plastic bronchitis in a Fontan patient with tissue plasminogen activator: a case report and review of the literature.  Pediatrics. 2002;  109 67
  • 21 Wiggins J, Sheffiled E, Jeffery P K. et al . Bronchial casts associated with hilar lymphatic and pulmonary lymphoid abnormalities.  Thorax. 1989;  44 226-227
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Bereits publizierte Beiträge zu dieser Serie:

Dr. med. Jochen Schmitz

Krankenhaus Großhansdorf

Wöhrendamm 80

22927 Großhansdorf

Email: schmitz-ahrensburg@t-online.de

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Abb. 1 Bronchialausguss

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Abb. 2 Histologie Bronchialausguss, Hämatoxylin-Eosin (Präparat Dr. J. Galle, Forschungsinstitut Borstel).

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Abb. 3 Bipedale Lymphographie, Spätaufnahme, a Rö.-Thorax p. a, b Rö.-Thorax seitlich.