Laryngorhinootologie 2004; 83(8): 491-492
DOI: 10.1055/s-2004-814581
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine Herausforderung für die Lehre - Die neue Weiterbildungsordnung: Wird sie besser als die bisherige?

A Challenge for the Training - The New Curriculum: Has There Been an Improvement?K.  SeifertVolltext der MWBO: http://www.baek.de/30/Weiterbildung/index/html
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Publication History

Eingegangen: 15. Dezember 2003

Angenommen: 20. April 2004

Publication Date:
18 August 2004 (online)

Die Weiterbildung zum Facharzt (FA), die sich in einer Assistentenzeit an die ärztliche Grundausbildung anschließt, ist in Deutschland durch eine Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) ziemlich einheitlich geregelt. Eine neue MWBO ist vom Deutschen Ärztetag bereits beschlossen, die dazugehörigen Richtlinien sind fertig gestellt. Wesentliche Änderungen sind nicht mehr zu erwarten. Endgültige Verabschiedung der jeweils länderspezifischen WBO durch alle deutschen Ärztekammern ist für 2004/2005 vorgesehen.

Mit fortschreitender Spezialisierung der Medizin hatte sich die WBO bei jeder Novellierung weiter aufgesplittert. So war auch 1992 die Phoniatrie/Pädaudiologie als selbstständiges Gebiet von der HNO-Heilkunde abgetrennt worden.

Nach Beschluss des Ärztetages soll nun die neue MWBO grundsätzlich anders gewichtet ganz auf die ärztliche Kompetenz abgestellt, auf die Nebenfunktion als quasigesetzlich gewordene Berufsausübungs-Regelung verzichtet, das Regelwerk wesentlich vereinfacht und allgemein verständlich, die Zahl der Fachgebiete drastisch reduziert werden, nicht zuletzt, um die Kompatibilität mit Anforderungen der EU zu verbessern. So heißt es im Vorspann: „Die Weiterbildungsordnung ist der Nachweis für erworbene Kompetenz. Sie dient der Qualitätssicherung der Patientenversorgung und der Bürgerorientierung.”

Der „Paragraphenteil” Abschnitt A enthält mit durchweg erfreulicher Klarheit die wesentlichen Definitionen, teils neu, teils altgewohnt. So bleibt in § 2,2: „Ein Gebiet wird als definierter Teil einer Fachrichtung der Medizin beschrieben. Die Gebietsdefinition bestimmt die Grenzen für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit” … Aber: „Die in der FA-Kompetenz vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte beschränken nicht die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeiten im Gebiet.” Neu ist dagegen § 4: „… Die Weiterbildung erfolgt im Rahmen angemessen vergüteter ärztlicher Berufstätigkeit … oder … in anerkannten Weiterbildungskursen.”; Und § 8,1: „Der in Weiterbildung befindliche Arzt hat die Ableistung der vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte zu dokumentieren …, der befugte Arzt die Richtigkeit der Dokumentation … zu bestätigen.” Und § 8,2: „Der zur Weiterbildung befugte Arzt führt mit seinem in Weiterbildung befindlichen Kollegen nach Abschluss eines Weiterbildungsabschnitts … ein Gespräch, in welchem der Stand der Weiterbildung von beiden beurteilt wird. … Der Inhalt dieses Gesprächs ist zu dokumentieren.”

In den „Allgemeinen Bestimmungen” zu Abschnitten B und C sind einige „Allgemeine Inhalte der Weiterbildung” aufgelistet, die im Folgenden nicht mehr bei den einzelnen Gebieten auftauchen, gefordertes Wissen bei allen, z. B.: Begutachtung, Qualitätssicherung, Psychosomatische Grundlagen, allgemeine Schmerztherapie.

Im Abschnitt B ist die Gliederung in Gebiete, FA- und Schwerpunkt-Kompetenzen übersichtlicher geworden; Fachkunden sind entfallen. Grundsätzlich gemeinsam ist diesem System, dass bei den in sich weiter spezialisierten Fachgebieten eine zweijährige Basisweiterbildung - auf Neudeutsch der „Common Trunk” - gleich ist für alle Weiterbildungen des Gebietes, z. B. gleich für alle 8 spezialisierten Fachkompetenzen der Chirurgie, bei den Internisten/Allgemeinärzten eine dreijährige. Darauf bauen sich getrennt die Spezialisierungen zum FA bzw. im Schwerpunkt auf. Keine FA-Weiterbildung dauert länger als 6, die meisten nur 5 Jahre, so auch in der HNO. Schwerpunktweiterbildung verlängert unterschiedlich die Gesamtweiterbildungszeit.

Für unser „Gebiet 8. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde” gilt ebenfalls eine zweijährige Basisweiterbildung; danach wird getrennt weitergebildet zum FA für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde oder zum FA für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen (SSKdHst). Für denjenigen, der beide Facharzt-Kompetenzen erwerben will, verlängert sich demnach die Weiterbildungs-Zeit insgesamt um 3 Jahre minus 6 Monate gegenseitiger Anrechenbarkeit. Der Zuschnitt des Fachgebietes HNO ist damit recht grob gezeichnet worden. Unsere detailliert ausgearbeiteten und begründeten Vorschläge, für die HNO Schwerpunkte einzurichten für Spezielle Rhinologie und Allergologie, Spezielle Audiologie und Neurootologie sowie für Spezielle HNO-Chirurgie mit jeweils einer insgesamt siebenjährigen Weiterbildungs-Zeit, die sind alle der Vereinfachungs-Tendenz zum Opfer gefallen. Grundsätzlich akzeptiert wurde unsere Zielsetzung für den FA HNO, der nach 5 Jahren so weit weitergebildet sein soll, dass er allein verantwortlich als Belegarzt operieren und zugleich das volle konservative Programm der HNO in der Praxis beherrschen kann.

Die „Definitionen” der Gebiete sind durchgehend sehr kurz und knapp gehalten. Man muss leider befürchten, dass diese allzu weichen Definitionen wiederum innerärztliche Auseinandersetzungen auslösen und die Gerichte gut beschäftigen werden. Die „Definition” für das Gebiet HNO ist nur noch knapp 5 Zeilen lang (früher 20), nach unserer Überzeugung deutlich zu unpräzise gefasst.

In der Beschreibung der Basisweiterbildung für die FA-Kompetenzen 8.1 (HNO) und 8.2 (SSkdHSt) sind bei den Weiterbildungsinhalten einige neuerliche Punkte aufgeführt, so z. B.: psychogene Symptome, somatopsychische Reaktionen und psychosoziale Zusammenhänge, die Grundlagen funktioneller Störungen der Halswirbelsäule und der Kiefergelenke, die Grundlagen der Diagnostik und Therapie von Schluck-, Stimm-, Sprech- und Sprachstörungen einschließlich Stroboskopie und Stimmfeldmessungen, die Hör-Screening-Untersuchung u. a. m., bei den „Definierten Untersuchungs- und Behandlungs-Verfahren” finden sich u. a. auch Sprachtests, Ventilationsprüfungen, z. B. Rhinomanometrie, Spirometrie, Spirografie, ferner Sonografische Untersuchungen der Gesichts- und Halsweichteile sowie der Nasennebenhöhlen und Doppler-/Duplex-Sonografien der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße. Damit dürften einige Streitpunkte der Vergangenheit erledigt sein, zugleich aber sind die Anforderungen an den zur Weiterbildung befugten Arzt merklich breiter geworden.

Die Spezielle Weiterbildung zum FA HNO (8.1.) ist sehr knapp geraten; sie umfasst nur noch 36 Monate FA-Ausbildung im engeren Sinne, auf sie angerechnet werden können u. a. 6 Monate SSkdHSt. 12 Monate können im ambulanten Bereich abgeleistet werden.

Die „Weiterbildungsinhalte” und die „Definierten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden” enthalten trotz unseres Einspruchs unverändert falsch: Erkennung und Behandlung der oberen Luft- und Speisewege (statt der Luft- und oberen Speisewege) sowie der Weichteile des Gesichtsschädels und des Halses. Sie sind gewachsen um, nun als integrale Bestandteile der WB/HNO eingefügt: Erkennung und Behandlung gebietsbezogener allergischer Erkrankungen mit Hyposensibilisierung sowie Grundlagen schlafbezogener Atemstörungen und deren operative Behandlung.

Abschnitt C enthält 44 Zusatz-Weiterbildungen; wenige sind für die HNO wichtig, z. B. „Plastische Operationen” (Voraussetzung: FA für HNO oder MuKiChir), 24 Monate, fachdifferenziert. Der „Bereich Stimm- und Sprachstörungen” ist entfallen.

Die „Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung” mit den zu verlangenden Mindestzahlen der einzelnen speziellen Untersuchungen und Behandlungen sind nochmals überarbeitet aktuell vom Vorstand der BÄK verabschiedet worden; die Kommission hat dabei weitgehend unsere Vorstellungen übernommen.

Fazit: Wenn auch die sinnvolle Ausfüllung des allzu knappen Zeitrahmens der MWBO mit dem Ziel der sicheren Beherrschung unseres so facettenreichen Gebietes nicht ohne Probleme sein wird, so ist es doch nach derzeitigem Stand mit kleinen Abstrichen korrekt repräsentiert; Entwicklungsmöglichkeiten erscheinen ausreichend gegeben; wesentliche Änderungen bei der Beschlussfassung durch die Landesärztekammern und ihre Aufsichtsbehörden sind nicht mehr zu erwarten.

Die Anforderungen an die zur WB befugten Ausbilder werden deutlich größer. Die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie wird sich eingehend mit den Möglichkeiten einer gesicherten Weiterbildung durch ergänzende Weiterbildungskurse ihrer Akademie sowie ggf. durch ein Rotationssystem befassen müssen.

Prof Dr. med. Klaus Seifert

Prof. Dr. med. Klaus Seifert

HNO-Arzt - Chirotherapie

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