psychoneuro 2003; 29(12): 573-576
DOI: 10.1055/s-2003-814706
Schwerpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Migräne: Grundlagen und aktuelle Akuttherapie

Wolfgang H. Jost1
  • 1Fachbereich Neurologie, Deutsche Klinik für Diagnostik, Wiesbaden
Weitere Informationen
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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Wolfgang H. Jost

Fachbereich Neurologie, Deutsche Klinik für Diagnostik

Aukammallee 33

65191 Wiesbaden

eMail: Jost.neuro@dkd-wiesbaden.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
05. Januar 2004 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Die Migräne gehört zu den häufigsten Erkrankungen, mit erheblicher gesundheitsökonomischer Bedeutung. Durch eine gründliche Anamnese und eine klinische Untersuchung kann die Diagnose in den meisten Fällen gestellt werden. Eine weiterführende Ausschlussdiagnostik ist nur selten erforderlich. Neben den nicht medikamentösen Maßnahmen werden Analgetika wie ASS, Parazetamol und Ibuprofen eingesetzt. Mittlerweile werden auch die Triptane als Mittel der ersten Wahl angesehen. Ergotamine haben ihren Stellenwert verloren. Nur bei einem geringen Teil der Patienten ist eine Prophylaxe erforderlich.

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Summary

Migraine is one of the most common health problems, and it has a substantial bearing with regard to health economics. The diagnosis is usually made by thorough exploration of history and clinical examination. Additional diagnostic workup by means of exclusion is rarely needed. Migraine is managed by analgesics such as ASA, paracetamol and ibuprofen, nondrug measures apart. Triptanes have meanwhile been recognized as the remedy of choice. Ergotamines have lost their place-value. Prophylactic treatment is required in a very small group of patients only.

Kopfschmerz zählt zusammen mit fieberhaften Infekten, Rückenschmerzen und Schwindel zu den häufigsten in der ärztlichen Praxis vorgetragenen Beschwerden.

Ca. 30 % der Patienten gehen dabei regelmäßig wegen Kopfschmerzen zum Arzt, ca. 20 % waren noch nie zuvor deswegen beim Arzt. Die Hälfte der Kopfschmerzpatienten sucht im Verlauf keinen Arzt auf, sondern versucht sich mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten und „Hausmitteln” zu behelfen. Dies dürfte bei den derzeitigen Planungen im Gesundheitswesen zukünftig noch zunehmen.

Die Lebenszeitprävalenz für alle Kopfschmerzarten beträgt ca. 70 %, die Punktprävalenz 20-40 % der Bevölkerung, bei Schulkindern 10-15 % [2].

Gemäß der „Klassifikation für Kopfschmerzerkrankungen, Gesichtsneuralgien und Gesichtsschmerzen” der International Headache Society (IHS) von 2004 werden primäre und sekundäre Kopfschmerzen voneinander unterschieden und in insgesamt 14 Kategorien mit ca. 240 Subtypen unterteilt [3].

Von allen Kopfschmerzformen gilt die Migräne als die häufigste Form periodisch-wiederkehrender Kopfschmerzattacken. Sie tritt am häufigsten erstmals im späten Kindes- und Jugend- bzw. frühen Erwachsenenalter auf (Inzidenz ca. 3-5 % zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr, Männer 6-8 %, Frauen 12-14 %). Vor der Pubertät sind beide Geschlechter gleich häufig betroffen, danach Frauen ca. dreimal häufiger als Männer. Erstmanifestationen von Migräne nach dem 50. Lebensjahr sind außerordentlich selten [2].

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Diagnose von Kopfschmerzen

Neben der körperlichen Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung der Kopf- und Halsregion ist eine gründliche Anamnese, am besten unter Berücksichtigung eines Kopfschmerztagebuches wichtigstes Instrument in der Diagnostik von Kopfschmerz-Syndromen. Hierbei gelingt bereits in vielen Fällen eine sichere Diagnose.

Aufgrund der ätiologischen Vielfalt ist eine Einordnung und Abgrenzung der verschiedenen Kopfschmerzformen gemäß der phänomenologischen und symptomorientierten IHS-Kriterien nur alleine anhand des klinischen Erscheinungsbildes nicht immer zuverlässig möglich, zumal primäre oft mit Symptomen sekundärer Kopfschmerzformen einhergehen können.

Neben der Anamnese sind daher mitunter Zusatzuntersuchungen zum Ausschluss organisch bedingter (sekundärer) Kopfschmerzformen notwendig. Dies gilt insbesondere dann, wenn neurologisch auffällige Befunde vorliegen oder es sich um therapieresistente, außergewöhnlich hartnäckige, rezidivierende oder sich plötzlich verschlechternde bzw. neu aufgetretene Kopfschmerzen handelt. In diesen Fällen sind Laboruntersuchungen sowie bildgebende Verfahren (CCT oder MRT) erforderlich.

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Klinik und Diagnose der Migräne

Gemäß den derzeit gültigen IHS-Kriterien ist die Migräne definiert als intermittierende Kopfschmerzattacke kombiniert mit vegetativen und/oder neurologischen Symptomen. Dementsprechend unterscheidet man eine Migräne mit bzw. ohne Aura (2-4). Bei bis zu 14 % der weiblichen Patienten sind Migräneanfälle mit der Periode (menstruelle Migräne) assoziiert [6].

Migräne ohne Aura (früher: einfache Migräne) ist ein periodisch bzw. intermittierend wiederkehrender, meist einseitiger (ca. 2/3 d. Fälle), pulsierend-pochender, allmählich zunehmender Schläfenkopfschmerz von mäßig bis starker Schmerzintensität und variabler Dauer zwischen 4-72 Stunden (per definitionem mindestens zwei Charakteristika). Bei Kindern kann die Dauer auch kürzer sein. Als Begleiterscheinung können Appetitlosigkeit (100 %), Übelkeit (80-90 %) und Erbrechen (40-50 %) sowie Licht- und Geräuschüberempfindlichkeit (50-60 %) mit Foto- bzw. Phonophobie auftreten (per definitionem mindestens eine in fünf vorausgegangenen Attacken). Die Beschwerden werden durch körperliche Anstrengung verstärkt, sodass die Migräne mit einer nicht unerheblichen Behinderung der Tagesaktivität einhergeht. Viele Patienten ziehen sich in ein ruhiges und abgedunkeltes Zimmer zurück [2].

Als Vorbotensymptome einer Migräneattacke (fakultative Prodromalphase) können Stunden bis Tage zuvor Stimmungsveränderungen, Hypo-/Hyperaktivität, Konzentrationsstörungen, vermehrtes Gähnen, Heißhunger, Flüssigkeitsretention, Licht- und Geschmacks-Überempfindlichkeit u. a. auftreten. In der Rückbildungsphase werden oft Erschöpfung, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen und Müdigkeit sowie Schwäche, Appetitlosigkeit und mitunter Muskelschmerzen angegeben.

Die Migräne mit Aura (früher: klassische Migräne) ist zusätzlich durch ein oder mehrere zentral bedingte fokal-neurologische Defizite über mindestens vier höchstens 60 Minuten (per definitionem mindestens zwei in zwei vorausgegangenen Attacken), meist vor Auftreten des eigentlichen Kopfschmerzes, charakterisiert. Typischerweise kommen Sehstörungen mit lateral im Gesichtsfeld auftretenden, wandernden Lichtblitzen, Flimmerskotomen bzw. so genannten Fortifikations- oder Vaubanschen Linien bis hin zu kompletten Gesichtsfeldausfällen vor. Gelegentlich treten auch Sensibilitätsstörungen, Paresen sowie Sprech- (bis zur Aphasie) und Gangstörungen auf.

Neben diesen „klassischen” Migräneverlaufsformen existieren auch noch speziellere z. T. sehr seltene Sonderformen bzw. Subtypen.

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Differentialdiagnosen der Migräne [Tab. 1]

Epidemiologisch am bedeutsamsten ist der Spannungskopfschmerz, von dem eine episodische und chronische Form unterschieden wird [5]. Er ist von dumpf-drückendem Charakter und tritt meist bilateral, nahezu täglich und länger anhaltend sowie in der Regel ohne Aura oder vegetative Begleitsymptome auf. Als weitere Differenzialdiagnose der Migräne ist der seltene Cluster-Kopfschmerz zu nennen. Er tritt überwiegend im Gesicht mit häufigeren Attacken (engl. cluster), höherer Schmerzintensität, vermehrtem Bewegungsdrang und lokalen autonomen Funktionsstörung (Nasenkongestion, Rötung des Auges) auf.

Der medikamenten-induzierte Dauerkopfschmerz ist meist Folge einer zu häufigen oder täglichen Einnahme von Schmerzmitteln zur akuten Behandlung von Migräneattacken oder Spannungskopfschmerzen. Klinisch sind die Kopfschmerzen durch einen dumpf-drückenden Dauerkopfschmerz charakterisiert, der bereits beim Erwachen vorhanden ist und den ganzen Tag anhält. Potenziell können alle Analgetika, Ergotamine und sonstige in Migräne- und Kopfschmerzmitteln enthaltenen Substanzen einen Medikamenten-induzierten Kopfschmerz hervorrufen. Mischpräparate mit psychotropen Substanzen wie Kodein oder Koffein führen jedoch häufiger zu Dauerkopfschmerzen als analgetische Monosubstanzen wie Azetylsalizylsäure, Parazetamol, Ibuprofen und Naproxen.

Die übrigen Differenzialdiagnosen der Migräne stellen sekundäre Kopfschmerzformen dar, die meist einer sofortigen medizinischen Abklärung bzw. Behandlung bedürfen.

Zu Symptomen, die an Migräne zweifeln lassen, zählen streng einseitige Kopfschmerzen von weniger als zwei Stunden Dauer oder nur wenige Minuten andauernde Skotome, jahrelange Beschwerdefreiheit, Erstmanifestation nach dem 40. Lebensjahr, ungewöhnlich schwere Kopfschmerzattacke, anhaltende Müdigkeit und allgemeine Erschöpfbarkeit oder Fieber.

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Therapie der Migräne

Bei der Therapie der Migräne wird grundsätzlich eine Anfallsbehandlung von einer Migräneprophylaxe unterschieden [2] [4]. Die medikamentöse Akuttherapie bei Migräne ist indiziert, wenn nicht mehr als zwei akute Attacken/Monat auftreten und eine prophylaktische Therapie zur Vorbeugung bzw. Kupierung der Attacken wirkungslos ist. Sie orientiert sich neben allgemeinen Maßnahmen wie Reizabschirmung und körperlicher Entspannung (z. B. Bettruhe in einem licht- und geräuscharmen Raum) an folgenden Grundprinzipien:

  • Diagnosesicherung, Ausschluss sekundärer (symptomatischer) Kopfschmerzen

  • Beratung, Anfallskalender

  • Frühzeitige Medikamenteneinnahme in ausreichender Initialdosis (oral oder bei Erbrechen rektal, nasal, sublingual oder i.v.)

  • Prophylaxe (bei Anfallshäufung).

Als Medikamente zur Akuttherapie bei Migräne kommen folgende Medikamente infrage [4]:

  • Antiemetika:

    • Metoclopramid (Paspertin® bzw. Gastrosil®; 10-20 mg oral, 20 mg rektal, 10 mg i.v.)

    • Domperidon (Motilium®; 10-20 mg oral)

  • Analgetika der 1. Wahl:

    • Azetylsalizylsäure (Aspirin® Brause; 0,5 bis 1g oral bzw. Aspisol®; 0,5-1 g i.v.)

    • Parazetamol (ben-u-ron®; 0,5 bis 1g oral oder rektal)

    • Ibuprofen (Aktren®; 0,4-0,6 g oral, 3. Wahl)

  • Triptane:

    • Sumatriptan (Imigran®: 50-100 mg Filmtabletten, 25 mg rektal; 10 und 20 mg Nasenspray, Fertigspritze, Pen 6 mg; Imigran® T50-T100 mg Filmtabletten)

    • Naratriptan (Naramig®; 2,5-5 mg oral)

    • Zolmitriptan (Ascotop®; 2,5-5 mg oral, Nasenspray)

    • Rizatriptan (Maxalt®; 5-10 mg oral)

    • Almotriptan (Almogran®; 12,5 mg oral)

    • Frovatriptan (Allegro®; 2,5 mg oral)

    • Eletriptan (Relpax®; 20-40 mg oral)

  • Analgetika der 2. Wahl:

    • Naproxen (Proxen®; 0,5-1 g oral)

    • Metamizol (Novalgin®; 1 g oral)

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Antiemetika: Metoclopramid und Domperidon

Im Migräneanfall kommt es häufig infolge der Hypomotilität von Magen und Darm zu Übelkeit und Erbrechen. Bei der Therapie der akuten Migräneattacke sollte daher ein Antiemetikum mit einem Schmerzmittel kombiniert werden. Antiemetika steigern die gastrointestinale Motilität und können so die z. T. heftigen vegetativen Begleitsymptome lindern. Bei Ankündigungssymptomen, 15 Minuten zuvor verabreicht, verbessern sie zudem auch die Resorption und Bioverfügbarkeit der oralen Schmerzmedikamente.

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Analgetika

Als Basistherapeutika bei der medikamentösen Behandlung leichter bis mittelschwerer Kopfschmerzattacken gelten nach wie vor Azetylsalizylsäure (ASS) (0,5-1 g) oder Parazetamol (0,5-1 g). Die Substanzen wirken nach oraler Resorption schnell (nach ca. 30-60 min) schmerzhemmend über eine Inhibition der Prostaglandinsynthese sowohl im Bereich der perivaskulären neurogenen Entzündung, als auch wahrscheinlich zum Teil zentral. Brause- und Kautabletten werden schneller resorbiert. Die Einnahme sollte sofort bei Schmerzbeginn erfolgen. Ein häufigerer Gebrauch als maximal drei Anwendungen pro Woche ist wegen des Risikos der Induktion eines therapieresistenten Rebound- bzw. Analgetika-Kopfschmerzes und auch wegen der unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen nicht zu empfehlen (2-4).

Auch andere „Schmerzmittel” wie Ibuprofen und Diclofenac-K sowie Naproxen und Metamizol sind bei akuter Migräne wirksam.

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Spezifische Migränemittel (Serotoninergika)

Mutterkornalkaloide wie Dihydroergotamin und Ergotamin kamen in der Vergangenheit bei schwereren Verlaufsformen zum Einsatz oder wenn eine Attackenbehandlung mit Mitteln der 1. Wahl unwirksam war [4]. Die meisten Anbieter haben jedoch bei Ablauf der bisherigen Zulassung keine erneute Zulassung beantragt, so dass derzeit nur noch ein Anbieter auf dem Markt vertreten ist.

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Triptane

Gegenüber den zwar ebenfalls serotonerg wirkenden Ergotalkaloiden weisen die Vertreter der Substanzgruppe der Triptane eine wesentlich höhere Spezifität für die migränerelevanten Serotonin-Rezeptoren (5-HT1B/D) auf. Aufgrund ihrer spezifisch-agonistischen Wirkung ermöglichen sie auch bei Langzeitanwendung eine sehr effektive und nebenwirkungsarme Therapie akuter Migräneattacken. Bereits in der oralen Applikationsform erzielen Triptane im Schnitt eine deutlich schnellere Linderung der Kopfschmerzen und Begleitsymptome (Übelkeit, Erbrechen sowie Foto- bzw. Phonophobie), als dies von Ergotalkaloiden bekannt ist und verfügen zudem über ein wesentlich günstigeres Nebenwirkungsprofil (keine Übelkeit, Erbrechen). Die Triptane lindern darüber hinaus sogar die vegetative Begleitsymptomatik. Obwohl sie zu jedem Zeitpunkt der Attacke wirken, sollten sie möglichst frühzeitig zu Beginn der Kopfschmerzphase verabreicht werden, da sich so oft die Gabe eines Antiemetikums erübrigt. Zu erwähnen ist, dass nach der Einnahme von Triptanen häufiger ein Wiederkehrkopfschmerz (headache recurrence) auftritt, was eine zweite Gabe erforderlich macht [4].

Es stellt sich immer wieder die Frage, welches Triptan man wählen sollte. Mittlerweile liegen einige Metaanalysen vor, die unseren klinischen Eindruck bestätigen [1] [7]. Besonders schnell und effektiv wirkt Sumatriptan s.c. (nach 10 Minuten), ist dafür aber auch mit mehr unerwünschten Wirkungen belastet. Naratriptan schneidet gut bezüglich der unerwünschten Wirkungen ab, ist aber mit einem verzögerten Wirkungseintritt belastet. Derzeit sind Rizatriptan und Zolmitriptan gemeinsam mit Sumatriptan die Marktführer in Deutschland. Aktuell ist bei Kindern ab 12 Jahren lediglich Imigran 10 mg nasal zugelassen.

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Mischpräparate

Präparate, die die oben aufgeführten Migränemedikamente (vor allem ASS, Parazetamol etc.) miteinander kombinieren und/oder zusätzlich Koffein oder Kodein enthalten werden insbesondere in der BRD vertrieben. Tatsächlich kann die Wirkung von Migränemitteln durch den Genuss von Tee oder Kaffee mitunter verbessert werden. Die regelmäßige Einnahme von Koffein in Mischpräparate ist aber trotzdem nicht sinnvoll, da der Schlaf beeinträchtigt und beim Absetzen ein Rebound-Kopfschmerz auftreten kann. Die Verwendung von Opioiden wie Kodein als Zusatz zu Migränemitteln ist aufgrund ihrer schlechten Wirksamkeit bei Migräne und ihres hohen psychischen Abhängigkeitspotenzials generell nicht zu empfehlen.

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Nichtmedikamentöse Therapie der akuten Migräne

Die nichtmedikamentöse Therapie des akuten Migräne-Kopfschmerzes besteht in der Nutzung und Förderung allgemeiner und individueller Schmerzbewältigungstechniken. Hierzu gehören in erster Linie Reizabschirmung und körperliche Entspannung durch Hinlegen bzw. Schlaf in einem ruhigen abgedunkelten Raum oder physikalische Maßnahmen wie kühlende Umschläge.

Bei einigen Patienten haben sich kognitiv-verhaltensorientierte Therapieverfahren (Aufmerksamkeitslenkung weg vom Schmerz, positive Selbstinstruktionen), Stressbewältigungstraining, Entspannungsübungen und Akupunktur als wirksam erwiesen [2] [4]. Auch Biofeedback-Methoden z.B. das „Gefäßtraining”, können eingesetzt werden.

Bedauerlicherweise wurden die nichtmedikamentösen Verfahren kaum in kontrollierten Studien untersucht.

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Migräne-Prophylaxe

Die Entscheidung zu einer Migräne-Prophylaxe ist individuell zu stellen. Kriterien können sein, dass mindestens drei Attacken pro Monat auftreten, durch die Akuttherapie keine ausreichende Wirkung erzielt werden kann oder die unerwünschten Wirkungen der Akuttherapie unerträglich sind. Außerdem wenn die Beschwerden subjektiv unerträglich sind, wenn komplizierte oder langdauernde Migräneattacken vorliegen und bei der chronischen Migräne (neue IHS 1.5.1; Migräne an mehr als 15 Tagen pro Monat für mehr als drei Monate, ohne Medikamentenmissbrauch).

Bei der medikamentösen Therapie ist zu beachten, dass ein- und ausschleichend dosiert und der Wirkungseintritt abgewartet wird (kann Wochen dauern). Die meisten Substanzen sind mit erheblichen unerwünschten Wirkungen belastet. Die Prophylaxedauer muss ausreichend lange sein (3-6 Monate, b-Blocker 9 Monate). Mittel der ersten Wahl sind nach wie vor Betablocker. Als Alternativen werden u.a. eingesetzt trizyklische Antidepressiva, Flunarizin, Valproinsäure, Gabapentin, Topiramat und Cyclandelat. Als neue Alternative wird der Einsatz von Botulinumtoxin diskutiert.

Tab. 1 Wichtige Differenzialdiagnosen des Migräne-Kopfschmerzes

 

Migräne-Kopfschmerz

Spannungs-Kopfschmerz

Cluster-Kopfschmerz

Medikamenten-induzierter Kopfschmerz

Dauer

4-72 Stunden

episod.: 0,5 h-7 Tage chronisch: > 7 Tage

15 Min bis 3 Stunden

andauernd

Intensität

mäßig bis sehr stark

leicht bis mäßig stark

sehr stark

mäßig bis sehr stark

Charakter

pulsierend, pochend-klopfend

dumpf-drückend, beengend

bohrend, stechend

dumpf-drückend, stechend

Lokalisation

meist einseitig, temporal, frontal

Diffus, haubenförmig, frontal, parietal

streng einseitig (retro-) orbital

diffus

Begleit-symptome

Übelkeit, Erbrechen

Fotophobie, Phonophobie, mit Aura: neurolog. Ausfälle

keine oder gering

streng einseitig: Tränenfluss, Nasen-kongestion, Augenrötung, Miosis, Ptosis

Anämie, Ergotismus, Nierenschäden

Häufigkeit

vereinzelt bis mehrmals/Woche

episod.: < 15/Monat

chronisch: > 15/Monat

in „Clustern”: 1-8/24 h

täglich, v.a. in den Morgenstunden

Auslöse-faktoren

Stress, Nahrung, Hormone

Stress Depression

Histamin, Nitrate, Alkohol

Analgetika-Entzug (v.a. Ergotamin)

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Literatur

  • 1 Ferrari MD, Roon KI, Lipton RB, Goadsby PJ. Oral triptans (serotonin 5-HT 1B/1D agonists) in acute migraine treatment: a meta-analysis of 53 trials.  Lancet. 2001;  358 1668-1675
  • 2 Göbel H. Die Kopfschmerzen.  Berlin-Heidelberg-New York, Springer-Verlag. 1997; 
  • 3 Headache Classification Subcommittee of the International Headache Society . The international classification of headache disorders, 2. Edition.  Cephalalgia. 2004;  24 1-160
  • 4 Jost W, Selbach O. Therapie der Migräne.  Bremen-London-Boston, Unimed Verlag. 2001; 
  • 5 Kaniecki RG. Migraine and tension-type headache.  Neurology. 2002;  58 15-20
  • 6 Loder E. Menstrual migraine.  Curr Treatm Opt Neurol. 2001;  3 189-200
  • 7 Oldman AD, Smith LA, McQuay HJ, Moore RA. Pharmacological treatments for acute migraine: quantitative systemic review.  Pain. 2002;  97 247-257
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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Wolfgang H. Jost

Fachbereich Neurologie, Deutsche Klinik für Diagnostik

Aukammallee 33

65191 Wiesbaden

eMail: Jost.neuro@dkd-wiesbaden.de

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Literatur

  • 1 Ferrari MD, Roon KI, Lipton RB, Goadsby PJ. Oral triptans (serotonin 5-HT 1B/1D agonists) in acute migraine treatment: a meta-analysis of 53 trials.  Lancet. 2001;  358 1668-1675
  • 2 Göbel H. Die Kopfschmerzen.  Berlin-Heidelberg-New York, Springer-Verlag. 1997; 
  • 3 Headache Classification Subcommittee of the International Headache Society . The international classification of headache disorders, 2. Edition.  Cephalalgia. 2004;  24 1-160
  • 4 Jost W, Selbach O. Therapie der Migräne.  Bremen-London-Boston, Unimed Verlag. 2001; 
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  • 6 Loder E. Menstrual migraine.  Curr Treatm Opt Neurol. 2001;  3 189-200
  • 7 Oldman AD, Smith LA, McQuay HJ, Moore RA. Pharmacological treatments for acute migraine: quantitative systemic review.  Pain. 2002;  97 247-257
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