psychoneuro 2003; 29(10): 457-461
DOI: 10.1055/s-2003-43529
Schwerpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zellimplantation beim idiopathischen Parkinson-Syndrom

Johannes Schwarz1 , Alexander Storch2
  • 1Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Leipzig
  • 2Abteilung Neurologie der Universität Ulm
Further Information
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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Johannes Schwarz

Klinik und Poliklinik für Neurologie

Liebigstr. 22a

04103 Leipzig

Email: johannes@caltech.edu

Publication History

Publication Date:
10 November 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Restauration des neuronalen Zellverlustes mit exogenen Zellen ist ein neuer Ansatz in der Therapie neurodegenerativer Erkrankungen. Der Ersatz dopaminerger Neurone mittels Implantation von embryonalem Mittelhirngewebe bei Patienten mit idiopathischem Parkinson Syndrom (IPS) war die erste Therapie, die nicht nur den „Proof-of-Principle” in Tierversuchen lieferte, sondern auch Eingang in klinische Applikationen fand. Diese klinischen Studien verliefen in zwei Phasen: 1. Seit 1987 wurde eine Reihe von kleinen offenen Studien mit sorgfältiger Patientenselektion gestartet und 2. wurden in den USA Anfang der 90er-Jahre zwei doppelblinde kontrollierte Studien begonnen, bei welchen die Kontrollpatienten lediglich ein Bohrloch unter Narkose erhielten. Während die offenen Studien sehr ermutigende Ergebnisse zumindest bei einem Teil der Patienten zeigten, waren die Ergebnisse der kontrollierten Studien enttäuschend, da die primären Endpunkte (Besserung der Parkinson-Symptomatik im Off) nur in Subpopulationen von Patienten signifikante Unterschiede zeigten. Andererseits wurden in beiden Studien aber zwölf Stunden nach L-DOPA-Einnahme noch Dyskinesien beobachtet.

Diese variablen Ergebnisse und die ethischen Probleme bei der Gewinnung des Gewebes haben die Notwendigkeit standardisierter Gewebe verdeutlicht. Derzeit wird intensiv nach entsprechenden Alternativen zur Gewinnung solcher Gewebe geforscht. Die Gewinnung dopaminerger Neurone aus unreifen Vorläuferzellen oder Stammzellen spielt dabei eine besondere Rolle.

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Summary

Restoration of neuronal cell loss using cell transplantation represents a new strategy to treat neurodegenerative diseases. The replacement of dopaminergic neurons via implantation of embryonic midbrain tissue in patients with Parkinson's disease has spearheaded this area of research. Animal experiments clearly provided the „proof-of-principle” to proceed to clinical applications. The first phase of clinical trials started in 1987 with a series of small scale open-label trails. In these trials, survival of the graft and a variable clinical benefit was documented. In the early 1990s the National Institute of Health funded two double-blind, sham-surgery controlled trials. Unfortunately, both trials showed significant differences in respect to their primary endpoint (improvement of motor function in a defined Off-state) only in subpopulations of patients. Even more disturbing, many patients who received a transplant showed dyskinesia 12 hours after their last levodopa dose. Thus, there is currently an intensive effort to generate new sources to provide more standardized and readily available tissue. The generation of dopaminergic neurons from precursor cells or stem cells may provide such tissue.

Der Ersatz dopaminerger Neurone durch exogenes Gewebe bei Patienten mit idiopatischem Parkinson-Syndrom (IPS, auch Morbus Parkinson) ist seit vielen Jahren Ziel präklinischer und klinischer Forschung. Nachdem die ersten Versuche mit autologem Nebennierenmark keine anhaltende Besserung zeigten, wurde anschließend embryonales Mittelhirngewebe verwendet. Dieses Gewebe wies in zahlreichen Tierversuchen eine komplette Kompensation experimenteller Läsionen der Substantia nigra auf. Bereits 1987 führten diese erfolgreichen Experimente zu ersten klinischen Anwendungen. Initial wurde lediglich Gewebe eines Spenders pro Patient transplantiert. Um eine bessere klinische Wirkung zu erreichen, wurden später bis zu vier Mittelhirne pro Gehirnhälfte verwendet. Die erheblichen ethischen und logistischen Probleme bei der Gewinnung des Gewebes verhinderten bisher den großzügigen Einsatz dieser Therapie. Dennoch sind inzwischen wahrscheinlich mehr als 400 Patienten mit embryonalem Mittelhirngewebe transplantiert worden. In den ersten offenen Studien konnte das Anwachsen der Transplantate durch Aufnahme radioaktiv-markierten L-DOPAs (18F-Fluorodopa) und der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) nachgewiesen werden [11]. Später konnte zudem gezeigt werden, dass auch die Dopamin-Ausschüttung durch das Transplantat durch PET visualisiert und quantifiziert werden kann [15]. Dem erfolgreichen Nachweis der funktionellen Integration des Transplantats standen variable klinische Ergebnisse gegenüber. Einerseits wurde immer wieder von Patienten berichtet, die nach Transplantation eine deutliche Besserung der Behinderung erlebten und gleichzeitig auf die orale medikamentöse Therapie weitgehend verzichten konnten [1]. Andererseits konnte bei anderen Patienten allenfalls eine leichte Besserung beobachtet werden.

Seit kurzem liegen die Ergebnisse von zwei doppelblinden Studien vor, in denen die Patienten der Kontrollgruppe lediglich ein Bohrloch erhielten. In diesen kontrollierten Studien zeigte sich bedauerlicherweise nur in Untergruppen von Patienten (Alter < 60 Jahre in der ersten Studie; UPDRS Teil III < 49 Punkte in der zweiten Studie) signifikante Verbesserungen in den primären Endpunkten [1] [4]. Diese primären Endpunkte sollten einen Unterschied in der motorischen Symptomatik gemessen mit der Unified Parkinson's Disease Rating Scale (UPDRS) Teil III nachweisen. Schlimmer noch war, dass ein Teil der transplantierten Patienten Dyskinesien zeigten (7 bzw. 56 % in den beiden genannten Studien), die zwölf Stunden nach der letzten L-DOPA-Einnahme persistierten [4] [5]. Nachfolgend wurden auch in einer retrospektiven Untersuchung diese Dyskinesien bei 15 % der transplantierten Patienten aus offenen Studien berichtet [6]. Dennoch zeigten auch in den genannten kontrollierten Studien einige Patienten eine erstaun-liche Besserung, die in der Kontrollgruppe nie beobachtet wurde.

Wie kann diese Variabilität der klinischen Ergebnisse erklärt werden?

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Patientenselektion

Zum einen scheint die Patientenselektion kritisch zu sein. In den offenen Studien wurde großer Wert darauf gelegt, dass vor allem jüngere Patienten mit sehr guter L-DOPA-Responsivität eingeschlossen wurden. Entsprechend zeigte sich in der ersten kontrollierten Studie ein signifikanter Unterschied zu Gunsten der Transplantation, wenn nur jüngere Patienten (< 60 Jahre) analysiert wurden [4]. Somit ist zumindest möglich, dass ältere und schwerer betroffene Patienten weniger von der Transplantation profitieren und eher Dyskinesien entwickeln. Sollten Patienten mit nur mäßiger L-DOPA-Responsivität eingeschlossen worden sein, ist ebenfalls nicht auszuschließen, dass Patienten z.B. mit einer Multi-System-Atrophie transplantiert wurden, bei denen kaum ein Effekt des Transplantates zu erwarten ist.

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Implantationsort

Eine andere wichtige Variable könnte der Implantationsort sein. Bisher wurden unterschiedliche Techniken verwendet, um das Transplantat im Putamen zu platzieren. Sagittale stereotaktische Injektionen entlang der longitudinalen Achse könnten zu anderen Mustern der Reinnervation führen als dies bei multiplen Injektionen in das postkommissurale Putamen oder in ein größeres Volumen dieses Kerns der Fall ist.

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Spendergewebe

Die wahrscheinlich wichtigste Variable ist aber das Gewebe selbst. Zum einen dürfte der Erfolg der Transplantation sehr von der Qualität des Spendergewebes (Alter des Spenders, Erhaltung der Strukturen bei der Entnahme, etc.) und der Dissektionstechnik (Dauer, Qualität des Verdaus, etc.) abhängen. Darüber hinaus wurden bisher unterschiedliche Techniken für die Präparation des Gewebes benutzt. Freed et al. verwendeten Gewebe, welches mehrere Tage in Kultur gehalten wurde und dann als Gewebestrang implantiert wurde [4]. Olanow et al. dagegen favorisierten Gewebeblöcke von mehreren Embryonen, obwohl kein signifikanter Unterschied in den Implantaten eines einzelnen Embryos detektiert wurde [14]. Die schwedische Gruppe benutzt dagegen Zellsuspensionen, die vor der Transplantation maximal zwei Tage in einem Hybernierungsmedium kultiviert werden [10]. Die Ausbeute an dopaminergen Neuronen, die zur Reinnervation fähig sind, dürfte zwischen diesen Techniken erheblich variieren.

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Immunsuppression

Eine andere bisher nicht gelöste Frage betrifft die Immunsuppression. In der ersten kontrollierten Studie wurde keinerlei Immunsuppression verwendet [4], während in der zweiten kontrollierten Studie nur eine niedrig-dosierte Immunsuppression mit Cyclosporin A allein für sechs Monate angewandt wurde [14]. Auf die Bestimmung der Serum-Spiegel des Cyclosporin A wurde verzichtet. Diese Therapie wurde erstaunlicherweise auch bei den Patienten der Kontrollgruppe durchgeführt.

Die schwedische Gruppe verwendet dagegen grundsätzlich eine einjährige Immunsuppression mit Cyclosporin A, Azathioprin und Prednisolon. Da gerade in der Studie von Olanow et al. [4] bei Beendigung der Immunsuppression noch kaum Dyskinesien zu sehen waren und andererseits die klinische Besserung zu diesem Zeitpunkt signifikant war, ist eine partielle Abstoßungsreaktion als Ursache der sekundären Verschlechterung nicht auszuschließen. In postmortalem Gewebe zweier Patienten dieser Studie wurde zudem eine erhebliche entzündliche Reaktion im Transplantationsareal gesehen.

Die Dyskinesien, die vor allem in den kontrollierten Studien auffielen, stellen eine gravierende Nebenwirkung dar. Die Pathophysiologie dieser Störungen ist weitgehend unklar. Es wird diskutiert, dass eine wenig homogene Reinnervation mit lokaler Überproduktion von Dopamin für diese Nebenwirkungen verantwortlich sein könnte. Diese Sichtweise wird durch eine PET-Studie gestützt [12]. Andererseits könnte ebenfalls die Immunreaktion auf das Transplantat dafür verantwortlich sein, dass die synaptische Integration oder die Funktion des Transplantates gestört wird.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass die Transplantation von primärem embryonalen Mittelhirngewebe derzeit kritisch diskutiert werden muss. Dies liegt einerseits an den fortbestehenden ethischen Problemen und der nicht befriedigenden klinischen Wirksamkeit. Daher besteht großer Bedarf an alternativen Geweben, die eine effektive Transplantation zahlreicher Patienten erlaubt.

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Stammzellen als Alternative?

Die Erkenntnisse der vergangenen Jahre über die Proliferation und Differenzierung von „Stammzellen” haben viel Enthusiasmus ausgelöst. Insbesondere die Generierung dopaminerger Neurone für die Therapie des Morbus Parkinson stellt eine attraktive Strategie dar, da, wie oben dargestellt, gezeigt wurde, dass dopaminerge Neurone nach Transplantation in das Striatum von Patienten mit Morbus Parkinson lange überleben und die Funktion des Dopamin-verarmten Striatums ändern können. Derzeit werden eine Reihe von Stamm- und Vorläuferzellen untersucht. Die Nomenklatur der Einteilung dieser Zellen ist leider nicht eindeutig. Folgende Zellen sollten unterschieden werden:

  • Embryonale Stammzellen. Dies sind die eigentlichen Stammzellen. Embryonale Stammzellen werden aus der Blastozyste zum Zeitpunkt des 16-Zell Stadiums gewonnen. Das Proliferationspotenzial dieser Zellen unter Zugabe spezifischer Mitogene ist nahezu unbegrenzt. Embryonale Stammzellen sind totipotent. Dies bedeutet, dass aus diesen Zellen nicht nur jeder Zelltyp des jeweiligen Organismus, sondern auch Individuen generiert werden können. In der Mausgenetik werden diese Zellen benutzt, um knock-out oder knock-in Mäuse zu generieren.

  • Neurale Stammzellen. Dies sind organspezifische Vorläuferzellen, die sowohl aus dem embryonalen und fetalen als auch aus dem adulten Gehirn gewonnen werden können. Das Proliferationspotenzial dieser Zellen ist begrenzt, dennoch ist es möglich, eine Expansion über viele Monate durchzuführen. Neurale Stammzellen generieren praktisch ausschließlich Neuronen oder Glia. Ein Missbrauch ist nicht möglich.

  • Mesenchymale Stammzellen. Dies sind Vorläuferzellen des Knochenmarks. Mesenchymale Stammzellen können ebenfalls aus fetalem und adulten Knochenmark gewonnen werden. Das Proliferationspotenzial dieser Zellen ist nahezu unbegrenzt. Mesenchymale Stammzellen differenzieren in alle mesenchymale Zelltypen. Allerdings scheint zumindest ein Teil dieser Zellen das Potenzial zu haben, in Neuronen oder Glia zu differenzieren.

  • Retinale Pigmentepithelzellen. Aus der embryonalen oder fetalen Retina kann eine Population von Pigmentepithelzellen isoliert werden, die in vitro proliferiert werden können. Diese Zellen differenzieren in Dopamin-produzierende Zellen.

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Murine embryonale Stammzellen

Murine embryonale Stammzellen können effizient in dopaminerge Neurone differenziert werden. Durch Veränderung des Proliferationsmediums werden diese Zellen zunächst in neurale Stammzellen differenziert, die dann weiter amplifiziert und anschließend in dopaminerge Neurone ausdifferenziert werden können [8] [9]. Obwohl dies bisher nicht gezeigt wurde, bestehen wenig Zweifel, dass ein ähnliches Ergebnis auch mit humanen embryonalen Stammzellen gelingen kann. Die Nutzung embryonaler Stammzellen als Gewebequelle für die Therapie von Patienten mit Morbus Parkinson ist aber aus ethischen und biologischen Problemen nicht wahrscheinlich. Embryonale Stammzellen könnten missbraucht werden, um genetisch modifizierte Lebewesen zu erstellen. Daher muss die Forschung mit diesen Zellen strengen Auflagen unterliegen. Andererseits haben diese Zellen ein hohes Potenzial zur Entartung und nach Transplantation in Ratten wurden häufig Teratokarzinome beobachtet [2].

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Neurale Stammzellen

Neurale Stammzellen sind vorbestimmte Vorläuferzellen, die sich über eine determinierte Stammzelle aus totipotenten Stammzellen während der Ontogenese entwickeln und ubiquitär im embryonalen Gehirn vorkommen. Experimente mit fetalen menschlichen Vorläuferzellen beschränken sich vor allem auf Zellen, die aus dem frontalen Kortex oder ventrikelnahen Arealen gewonnen werden. Adulte neurale Stammzellen stammen vorzugsweise aus hippokampalen Abschnitten, die im Rahmen epilepsiechirurgischer Eingriffe gewonnen werden [5]. Obwohl diese Zellen sehr heterogen sind, wurden bereits erste klinische Studien diskutiert [13]. Bisher ist noch unklar, in welchem Stadium neurale Stammzellen oder die determinierten neuronalen Stammzellen die Fähigkeit zur Mitose verlieren. Von führenden Wissenschaftlern wird postuliert, dass Zellen, deren Pluripotenz weitgehend eingeschränkt ist, das Potenzial zur Selbsterneuerung verloren haben (Ron McKay, persönliche Mitteilung). Erfahrungen mit Rattenzellen können dies allerdings nicht bestätigen. In dem Labor von Paul Carvey in Chicago konnten Zelllinien etabliert werden, die über mehrere Monate proliferieren und zu 98 % in dopaminerge Neuronen differenzieren [3]. Diese klonalen Zellen besitzen zudem eine ausreichende Kapazität, das Dopamin-Defizit im unilateralen 6-OHDA-Modell auszugleichen.

Für die Zellersatztherapie des Morbus Parkinson werden humane dopaminerge Neurone benötigt. Diese Neurone konnten bisher allein aus neuralen Stammzellen differenziert werden, die aus dem menschlichen Mittelhirn isoliert wurden [16] [17] [19]. Eine erfolgreiche in vitro oder in vivo Differenzierung neuraler Stammzellen aus anderen Hirnarealen oder humaner embryonaler Stammzellen (siehe oben) ist bisher nicht bekannt.

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Mesenzephale Stammzellen

Uns gelang es erstmals, humane mesenzephale neurale Stammzellen über einen Zeitraum von vielen Monaten in vitro zu expandieren [19]. Als Mitogene werden in der Regel „epidermal growth factor” (EGF) und „basic fibroblast growth factor” (bFGF oder FGF2) verwendet. Neuerdings geben wir auch Neurotrophin-3 (NT-3) hinzu, da dieser Faktor eine weitere Steigerung der Proliferation bewirkt. Als entscheidendes Charakteristikum der mesenzephalen Zellen erwies sich hierbei, dass diese Zellen ausschließlich in „physiologischen” Sauerstoffkonzentrationen (< 5 %) proliferieren. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die neuralen Stammzellen mesenzephalen Ursprungs von denen aus frontalem Kortex oder Striatum, da letztere Zellen auch in Raumluft proliferieren können. Während bei diesen ersten Experimenten embryonales Mittelhirngewebe verwendet wurde, bevorzugen wir heute aus biologischen (Proliferationspotenzial und Determinierung) und ethischen (Frühgeburten versus Schwangerschaftsabbrüche) Gründen fetales Gewebe.

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Differenzierung

Die Differenzierung der neuralen Stammzellen erfolgte zunächst durch Entzug der Mitogene und unter Zugabe von Wachstumsfaktoren, Zytokinen, Serum, und/oder konditionierten Media. Initial wurde ein Zytokin-Mix und Serum nach Carvey et al. verwendet [3] [19]. Unter diesen Bedingungen konnten initial ca. 1 % der Zellen in Neurone differenziert werden, die die dopaminergen Marker Tyrosinhydroxylase und den Dopamintransporter exprimierten. Wurde die Differenzierung auf striatalen Monolyern oder auf mesenzephalen Astrozyten ausgeführt, konnten bis zu 5 % dopaminerge Neurone auch nach Expansion der Zellen über viele Monate erreicht werden.

Neben den oben beschriebenen immunhistochemischen Analysen haben wir biochemische und elektrophysiologische Analysen der dopaminergen Neurone durchgeführt. Ein entscheidendes Charakteristikum der dopaminergen Neurone ist deren Fähigkeit, Dopamin zu sezernieren. Wir haben differenzierte neurale Stammzellen mit 56 mmol/l Kalium stimuliert und anschließend im Medium einen Anstieg des Dopamin-Gehalts mit HPLC und elektrochemischer Detektion nachweisen können.

Während wir an den humanen Zellen bisher nur geringe Natriumströme mittels whole-cell Patch-clamp Untersuchungen detektieren konnten, gelang bei Mauszellen bereits der Nachweis eines elektrophysiologischen dopaminergen Phänotyps. Hierzu haben wir in den nicht-differenzierten Zellen ein grün-fluoreszierendes Protein (EGFP) unter Kontrolle eines humanen Tyrosinhydroxylase-Promoterfragmentes exprimiert. In einigen der so identifizierten dopaminergen Neurone konnten wir typische Natrium-Ströme, Hyperpolarisations-aktivierte Kationen-Ströme (im Mittelhirn für dopaminerge Neurone spezifisch) und Aktionspotenziale nachweisen [17]. Der Vergleich mit dopaminergen Neuronen in akuten Mittelhirnschnitten der Maus zeigt keine wesentlichen Unterschiede der Strom-Spannungsbeziehungen.

In einem ersten in vivo-Experiment versuchten wir, das Dopamindefizit einer unilateral mit 6-Hydroxydopamin behandelten Ratte durch die Implantation humaner Vorläuferzellen zu kompensieren. Vorläufige Analysen zeigen, dass eine gute Kompensation des Rotationsverhaltens erreicht werden kann, zahlreiche dopaminerge Neurone im Transplantat nachgewiesen werden können und (bei rein neuronalen Implantaten) die Immunreaktion ausbleibt (nicht publizierte Daten).

Somit gehen wir davon aus, dass humane mesenzephale neurale Stammzellen als Gewebequelle für die Transplantation zahlreicher Patienten mit Morbus Parkinson geeignet sind. Diese Zellen stellen eine besser zu kontrollierende (mikrobiologische und genetische Testung) und homogenere (Zellsortierung und Charakterisierung) Zellpopulation dar, als dies mit anderen Geweben zu erreichen wäre.

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Mesenchymale Stammzellen

Mesenchymale Stammzellen scheinen eine größere Pluripotenz zu besitzen als bisher angenommen. Wir haben ein Protokoll entwickelt, welches es erlaubt, die rasch und stabil proliferierenden mesenchymalen Stammzellen in neurale Stammzellen zu konvertieren (Daten noch nicht publiziert). Es ist bisher nicht abzusehen, ob aus diesen Zellen auch funktionale dopaminerge Neurone gewonnen werden können, obwohl bereits gezeigt wurde, dass mesenchymale Stammzellen direkt in Zellen differenziert werden können, die zumindest das Schlüsselenzym der Katecholaminsynthese, die Tyrosin-Hydroxylase, exprimieren [7]. Es bleibt abzuwarten, ob diese Zellen ggf. auch als autologes Zellmaterial für die Therapie des Morbus Parkinson zur Verfügung stehen werden.

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Retinale Pigmentepithelzellen

Eine andere Alternative sind retinale Pigmentepithelzellen. Diese Zellen produzieren ebenfalls Dopamin, haben aber sonst wenig Charakteristika dopaminerger Neurone. Zudem sind diese Zellen nach Transplantation in das Wirtsgehirn allein nicht überlebensfähig, sondern benötigen hierfür eine Gelatinematrix als Wachstumsfläche (Spheramine®). Erste Experimente in Affen und Patienten mit Morbus Parkinson zeigten eine klinische Besserung der motorischen Behinderung [20]. Derzeit wird bereits eine klinische Phase IIb Studie mit diesen Pigmentepithelzellen bei Patienten mit Morbus Parkinson durchgeführt. Es muss abgewartet werden, ob die „unkontrollierte” Dopaminsekretion ausreichend toleriert wird. Andererseits bleibt unklar, wie lange diese Zellen auf der Gelatinematrix überleben können. Dennoch handelt es sich hier um eine spannende Entwicklung, die die Restauration des Dopamin-Defizits bei Patienten mit Morbus Parkinson in naher Zukunft ermöglichen kann.

Andere Wissenschaftler haben versucht, dopaminerge Neurone aus dem Mittelhirn embryonaler Schweine zu akquirieren. Die Autoren stehen diesem xenogenem Zellmaterial allerdings sehr skeptisch gegenüber, da die Übertragung von Schweine-spezifischen Erregern auf den Menschen zu kaum abschätzbaren Epidemien führen könnte. Die Immunreaktion ist ein anderes Problem, welches ggf. durch die Herstellung human-transgener Schweine vermindert werden könnte.

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Fazit

Insgesamt ist die Transplantation von Patienten mit Morbus Parkinson weiterhin eine Herausforderung für Neurowissenschaften, Neurologie und Neurochirurgie. Die ernüchternden Ergebnisse der amerikanischen Doppelblind-Studien sollten aber nicht dazu führen, die klinische Testung neuer Gewebe zu verhindern.

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Literatur

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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Johannes Schwarz

Klinik und Poliklinik für Neurologie

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Email: johannes@caltech.edu

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Literatur

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