Z Gastroenterol 2003; 41(8): 890-892
DOI: 10.1055/s-2003-41214
Mitteilungen der DGVS
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Publication Date:
11 August 2003 (online)

Ärztliche Beratung über Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen ist verpflichtend

Der bedeutende Münchner Arztrechtler Gerhard H. Schlund, ehemals Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht, nahm im Rahmen des Erfahrungsaustauschs des Netzwerks gegen den Darmkrebs am 22. März 2003 in München Stellung zur Vertragsverpflichtung von Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen. „Mit dem (meist stillschweigend erfolgten) Abschluss des Arzt-Patienten-Vertrags entstehen dem kranken Menschen mehr Rechte als Pflichten, hingegen werden dem Arzt mehr Pflichten als Rechte auferlegt”, sagte Professor Schlund und erläuterte:

Pflichten für den Arzt als Konsequenz aus dem geschlossenen Vertrag sind u. a.:

Diagnostik, Therapie und Medikation im Facharztstandard umfassende präoperative/prätherapeutische Aufklärung des Patienten im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung ordnungsgemäße Dokumentation der besprochenen, anempfohlenen bzw. durchgeführten ärztlichen Maßnahmen eine den gesetzlichen Vorschriften (z. B. der GOÄ) entsprechende Abrechnung der erbrachten Leistungen

und vieles andere mehr.

Zudem zwingt das mit seinem Patienten geschlossene Vertragsverhältnis den Arzt auch zu einer allumfassenden posttherapeutischen Beratung wie etwa: Wiedereinbestellung, Verbandswechsel, Hinweis auf körperliche Schonung, Termin für die Wiederaufnahme der Arbeit, Verhalten im Straßenverkehr oder die Überweisung an einen Fachkollegen oder in eine Spezialklinik.

Selbstverständlich hat aber jeder Arzt auch noch die Vertragsverpflichtung (eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht wird als Beratungs-/Behandlungsfehler angesehen!), den Patienten über (von) bestehende(n), unter Umständen bereits von den Kassen bezahlten Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen bzw. Kontrollmaßnahmen (etwa Fruchtwasseruntersuchung oder Genanalyse in der Schwangerschaft, Brust- und Gebärmutterkontrollen bei Patientinnen, PSA-Wert-Bestimmung bei Männern, Vorsorgeuntersuchungen gegen Darmkrebs bei beiden Geschlechtern ab einem gewissen Alter rechtzeitig zu instruieren. Wenn der Patient dann nach einer solchen umfassenden Information über bestehende Kontroll- und Früherkennungsmaßnahmen diese ablehnt bzw. sie nicht in Anspruch nimmt, der Arzt diesen seinen erteilten Ratschlag/Hinweis jedoch in den Patientenunterlagen fein säuberlich aktenkundig gemacht hat, dann kann ihm kein schadensersatzauslösender Pflichtenverstoß angelastet werden.

Derartige ärztliche Beratungsverpflichtungen gehen gemäß der Rechtsprechung und der juristischen Literatur inzwischen so weit, dass der Arzt seinem Patienten etwa die bessere (u. U. auch noch kostengünstigere) Behandlungsmethode anzubieten hat oder dass dem Arzt die Informationspflicht auferlegt wird, sich seinem Patienten zu offenbaren, wenn die organisatorischen, personellen oder sachlichen Voraussetzungen für eine Facharzt-Standard-Behandlung nicht mehr gegeben sind bzw. geboten werden können.

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