Viszeralchirurgie 2003; 38(4): 290-296
DOI: 10.1055/s-2003-41154
Der akademische Vortrag
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Leberkonservierung vor Transplantation Entwicklung - Grenzen - Perspektiven

Liver Preservation for Organ Transplantation Development - Limitations and Future PerspectivesP.  Dutkowski1
  • 1Klinik für Allgemein- und Abdominalchirurgie, Universität Mainz
Antrittsvorlesung am 4. 12. 2001
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Publication Date:
12 August 2003 (online)

Sehr geehrter Herr Dekan, liebe Kollegen,

das Thema Leberkonservierung wird häufig mit einer Entwicklung innerhalb der letzten 30 bis 40 Jahre verbunden. In Wahrheit reicht jedoch der Gedanke einer Konservierung oder Erhaltung menschlicher Organe sowie der Transplantation weit zurück in die Geschichte der Menschheit.

Seit jeher fasziniert die Wissenschaft das Mysterium des Lebens und des Todes, d. h. das Geheimnis des Überlebens einer Zelle und die Ursache des Zellverfalls. Bereits in der Antike und im Mittelalter bildete die Suche nach dem so genannten Stein der Weisen, eine Substanz der Alchimie mit lebensverlängernder, sozusagen organprotektiver Fähigkeit, den Mittelpunkt des Interesses vieler Gelehrter. Nach der Erkenntnis des Blutkreislaufs durch William Harvey um 1600 formulierte Le Galois 1812 den Grundgedanken zur maschinellen Organperfusion: „Wenn es gelänge, das Herz durch eine Art Injektion zu ersetzen, müsste eine Aufrechterhaltung der Funktion nahezu aller Organe möglich sein”.

Die Geschichte der Organkonservierung spielt sich dabei naturgemäß damals wie heute in einem ethischen Grenzbreich ab, bedingt durch die Entnahme und Übertragung von Organen und durch zahlreiche Versuche an Mensch und Tier. 1818 gipfelte zum Beispiel die zuvorige Entdeckung des Galvanismus durch Luigi Galvani, einem italienischen Anatom, der Froschschenkel zur Kontraktion beim Überschlag elektrischer Funken brachte, in der Novelle von Mary Shelley über Viktor Frankenstein, einen Arzt, der auf der Suche nach dem Geheimnis des Lebens ein Monster schuf durch die Wiederbelebung zusammengesetzter Organe.

Ich möchte Ihnen mit dieser Vorlesung die Entwicklung der Organkonservierung und speziell der Leberkonservierung darstellen sowie versuchen, deren heutige Grenzen aufzuzeigen und vielleicht einen Ausblick in die Zukunft geben.

Die experimentelle Organkonservierung nahm ihren Anfang bereits vor über 100 Jahren um 1900. Alexis Carrel, ein heutzutage eher wenig bekannter medizinischer Nobelpreisträger, gehört zu den Pionieren der Organkonservierung. Er entwickelte bereits 1905 einen maschinellen Perfusionsapparat für eine normotherme oxygenierte Organperfusion vor Transplantation. Aufgrund von Sterilisationsproblemen konnte dieser Apparat jedoch nicht eingesetzt werden. Später um 1930 konstruierten Alexis Carrel und Charles Lindbergh einen zweiten nur aus Glas bestehenden Perfusionsapparat, der mittels pulsatiler Gaszufuhr eine normotherme oxygenierte pulsatile und gleichzeitig sterile Organperfusion ermöglichte. Mit diesem Apparat wurden zwischen 1935 - 1939 über 850 Experimente durchgeführt, ohne dass ein Versuch abgebrochen werden musste aufgrund einer Fehlfunktion.

Zwischen 1940 und 1950 setzte sich dann immer mehr die Erkenntnis der Bedeutung der Hypothermie für die Organkonservierung durch. Dies beruht auf den Ergebnissen zweier Nobelpreisträger für Chemie, Jacobus van't Hoff und Svante Arrhenius, die den Zusammenhang von Reaktionsgeschwindigkeit und der Temperatur beschrieben. Nach der van't Hoffschen Formel verdoppelt sich die Reaktionsgeschwindigkeit pro Temperaturanhebung um 10°. Dies bedeutet, dass eine Reaktion bei 100° um den Faktor 210 = 1000-mal schneller abläuft als bei 0°. Die Absenkung der Temperatur von 37° auf 0° bewirkt eine Verringerung der Reaktionsgeschwindigkeit um den Faktor 12.

Angewandt wurden diese Ergebnisse zunächst von russischen Forschern. Lapchinsky perfundierte Nieren hypotherm bei 2 - 4 °C bis zu 28 h mit gekühltem Blut. 1964 publizierte Lillehei einen Artikel über die erfolgreiche Konservierung von Hundenieren über 24 h mit der Kombination von Hypothermie und hyperbarem Sauerstoff. Ebenfalls zu dieser Zeit begann ein junger Mann namens Folkert Belzer in San Franzisco Untersuchungen zu einer verbesserten Nierenkonservierung vor Transplantation. Bei diesen Studien wurden hypotherme Nierenperfusionen mit Blutplasma durchgeführt mit zunächst jedoch schlechten Ergebnissen trotz Oxygenierung des Perfusats. Ein Zufall verhalf schließlich der Forschergruppe um Belzer zu einer bahnbrechenden Erkenntnis: Für alle Experimente wurde tiefgefrorenes Plasma verwendet, welches üblicherweise langsam über Nacht aufgetaut wurde vor Versuchsbeginn am Morgen. Eines Tages war jedoch kein Plasma für das geplante Experiment vorbereitet, so dass ein Beutel gefrorenes Plasma unter warmem Wasser aufgetaut wurde. Da das rasch aufgetaute Plasma eine starke Ausflockung aufwies, entfernte Belzer die ausgefallenen Substanzen durch Filtration. Spätere Untersuchungen ergaben, dass instabile Lipoproteine die Ursache der Ausflockung waren, die in vorangegangenen Experimenten durch Aggregation das Kapillarsystem der Niere verstopft hatten. In anschließenden Versuchen mit der filtrierten Lösung, dem so genannten kryopräzipitierten Plasma, gelang eine Nierenkonservierung auf Anhieb bis zu 72 h mit einer Überlebensrate von 100 % bei Hunden. In den folgenden Jahren wurden von der Belzer-Gruppe maschinelle Perfusionssysteme für Nieren konstruiert, die zunächst mit Lastwagen an ihre Einsatzorte transportiert werden mussten und bis heute noch als inzwischen tragbare sogenannte Mini-Belzer-Units für die Nierenperfusion zur Verfügung stehen.

Zur gleichen Zeit beschrieb 1969 Geoffrey Collins als erster die schlichte kalte Lagerung nach Ausspülen der Leber, die sogenannte „simple cold storage” von Organen in einer gewissermaßen intrazellulären Lösung mit hohem Kalium-, niedrigen Natrium- sowie hohem Glukoseanteil, die effektiv ein Zellödem verminderte. Aufgrund der Einfachheit dieses Verfahrens und der niedrigen Kosten im Vergleich zur maschinellen Perfusion kam es in den folgenden Jahren rasch zu einer weltweiten Verbreitung der so genannten cold storage von Organen parallel zur von Belzer entwickelten maschinellen Nierenperfusion.

In den 70er-Jahren versuchte die Belzer-Gruppe durch systematische Analyse eine rein synthetische universelle Organkonservierungslösung als Plasmaersatz zu finden sowohl für die kalte Lagerung als auch für maschinelle Perfusion. 1979 wurde eine Lösung formuliert, die von der Belzer-Gruppe selbst zunächst „kitchen sink”-Lösung (Küchen Ausguss) genannt wurde aufgrund der zahlreichen scheinbar bunt zusammengewürfelten Zutaten. Diese Lösung bildete jedoch die Grundlage der heute weltweit verbreiteten „University of Wisconsin solution”:

Das Prinzip der Belzer-Lösung beruht auf der Wirkung des impermeablen Anions Laktobionat, das in Kombination mit dem Trisaccharid Raffinose effektiv in der Hypothermie eine Zellschwellung verhindert. Zusätzlich enthält die UW-Lösung Antioxidativa (Glutathion, Allopurinol), Nukleotidvorstufen (Adenosin), Dexamethason, Insulin, Antibiotika und einen Phosphatpuffer. Weiterhin wurde Hydroxyethyl-Stärke hinzugegeben, um ein interstitielles Ödem bei der initialen Durchspülung (Flush) zu verhindern durch die Erhöhung des kolloidosmotischen Drucks. Eine ältere Lösung, die zuvor als kardioplege Lösung eingesetzt worden war, wurde 1990 von Bretschneider beschrieben als ebenfalls effektiv für die Konservierung abdomineller Organe. Die Basis dieser Lösung ist ein Histidin-Tryptophan-Ketoglutarat-Puffer (HTK-Lösung) sowie eine Kaliumkonzentration von 9 mM und eine Natriumkonzentration von 15 mM. Mit der Bretschneider-Lösung waren größere Flush-Mengen und damit eine bessere Kühlung möglich als mit der UW-Lösung. Sowohl die HTK-Lösung als auch die UW-Lösung werden derzeit eingesetzt zur Leberkonservierung durch kalte Lagerung.

Während also in der Zeit bis 1969 überwiegend extrakorporale Organperfusionen zur Organkonservierung vor Transplantation angewendet wurden, zunächst normotherm, dann hypotherm, ist in den darauffolgenden Jahren bis zum heutigen Zeitpunkt eine überwiegend ischämische oder hypoxische kalte Organlagerung der Weltstandard.

Zahlreiche Variationen sowie weitere neu konzeptionierte Lösungen für die Leberkonservierung wurden seither publiziert. Ob eine Verbesserung der Leberkonservierung erreicht werden kann, hängt jedoch entscheidend von den Erkenntnissen zur Entstehung des Zellschadens während oder nach der Konservierung ab. Im Folgenden soll daher versucht werden, einige Grundlagen hierzu aufzuzeigen:

Jede Leberkonservierung vor einer Transplantation verursacht einen Organschaden, bedingt durch die Abkoppelung des Organs vom Blutkreislauf des Spenders. Bekannt ist, dass dieser Schaden potenziert wird bei Wiederanschluss des Organs an den Empfängerkreislauf, es entsteht der so genannte Reperfusionsschaden.

Nach heutigem Verständnis tritt dieser Reperfusionsschaden zwar stets nach Transplantation auf, seine Ursachen liegen jedoch weit vor Transplantation, zum Beispiel:

während der Organentnahme während der Organkonservierung während der Phase der Anastomosierung der Leber

Alle diese Perioden sind gekennzeichnet durch eine Organischämie, d. h. durch das Fehlen von Sauerstoff und Substraten. Durch die Konservierung von Organen für eine spätere Transplantation soll die Organfunktion erhalten werden im Zeitraum zwischen normaler Durchblutung im Spender und fertiger Gefäßanastomose im Empfänger. Ziel ist demnach die Überbrückung der Ischämiephase mit der Konsequenz eines voll funktionsfähigen Organs in der Reperfusion. Ermöglicht wird hierdurch ein sicherer Organtransport, die Vorbereitung des Empfängers sowie eine Gewebetypisierung. In der wörtlichen Übersetzung bedeutet Ischämie „ohne Blut”. In der Definition nach Bretschneider ist Ischämie jedoch die totale, globale und akute Unterbrechung der Sauerstoff- und auch Substratzufuhr sowie des Metabolitabtransport, einer Situation also, in der menschliche Organe nur sehr begrenzt überlebensfähig sind.

Die Qualität dieser Ischämie scheint jedoch beeinflussbar zu sein durch z. B.:

die Dauer der ischämischen Periode die Organtemperatur während der Ischämie den metabolischen Status während der Ischämie

Das Ziel jeder Organkonservierung besteht nun darin, eine möglichst optimale Toleranz für eine definierte ischämische Periode zu erreichen.

Die heutigen Standards, mit der diese bestmögliche Toleranz bei der Leber resultiert, beruhen auf den bereits geschilderten bisherigen Forschungsergebnissen der Organkonservierung:

Hypothermie „simple cold storage” sowie moderne Konservierungslösungen wie UW- oder HTK-Lösungen im Falle der Lebertransplantation

Trotz dieser Erfolge der Organkonservierung ist aber unbestritten,

dass der Organschaden mit der Dauer der Konservierung zunimmt 1 dass eine Transplantatdysfunktion nach Lebertransplantation in bis zu 15 % der Fälle auftritt dass die Funktion des zu transplantierenden Organs nicht vorhergesagt werden kann.

Diese Problematik veranlasste uns, den biochemischen Ursachen der Organschädigung während der Konservierung nachzugehen.

Wir fanden in einer Pilotstudie,

dass die zelluläre Energie während der kalten Lagerung von Leberzellen in UW-Lösung abhängig ist von der anaeroben Glykolyse dass daher eine rasche Depletion der Energy charge resultierte mit konsekutivem Laktatanstieg dass außerdem der Zelltod provozierbar war auch in der Kälte durch Blockade der Glykolyse

Aufgrund dieser Abhängigkeit des Leberzellüberlebens von der Energieversorgung war der Gedanke naheliegend, für eine kontinuierliche Substratzufuhr während der Organkonservierung zu sorgen. In einem eigenen Modell wurde daraufhin der Konservierungsschaden überprüft nach hypothermer Oxygenierung im Vergleich zu kalter Lagerung. In weiteren Experimenten wurde der resultierende Reperfusionsschaden untersucht. In letzter Zeit interessierte uns vor allem, ob ein bereits kalt gelagertes Organ durch eine anschließende hypotherme Oxygenierung verbessert werden kann im Sinne einer Konditionierung. Verwendet wurden für alle diese Experimente männliche Brown-Norway-Ratten, die Leber wurde geflusht, entnommen, kanüliert und in einer Perfusionsbox installiert sowie schließlich in einem speziell konstruierten Perfusionssystem angeschlossen, mit dem standardisiert sowohl simple cold storage oder oxygenierte Perfusionen bei beliebigen Temperaturen durchführbar sind.

Die Ergebnisse zeigten [2], dass bereits nach 1 Stunde der cold storage ein massiver Abfall der Energy charge sowie ein Laktat-Anstieg bestand.

Durch eine hypotherme Oxygenierung konnte im Gegensatz hierzu eine Aufladung der zellulären Energy charge erreicht werden, während andere Parameter wie Lipidperoxidation, Zellarchitektur oder antioxidativer Status keine Unterschiede zeigten (Tab. [1]).

Welche Auswirkungen hatte nun eine geänderte zelluläre Energy charge auf den späteren Reperfusionsschaden? Wir erwarteten hier primär eine verbesserte Syntheseleistung der Zelle bei möglicherweise erhöhter Glykogenprotektion, wir fanden jedoch überraschenderweise vor allem eine deutlich erniedrigte Freisetzung von Sauerstoffradikalen in der Reperfusion nach hypothermer Oxygenierung (Abb. [1]), sowie Licht- und Elektronenmikroskopisch einen erheblichen Zellschaden nach cold storage im Gegensatz zur hypothermen Oxygenierung [3] (Abb. [2] u. [3]). Naheliegend war die Frage nach dem Zusammenhang zwischen zellulärer Energy charge-Resynthese einerseits und verringerter Sauerstoffradikalfreisetzung andererseits, zumal Sauerstoffradikale in aktuellen Studien als initiierender Faktor des Reperfusionsschadens identifiziert wurden.

Die genaue zelluläre Herkunft von Sauerstoffradikalen ist dabei umstritten: Zur Diskussion stehen Kupfferzellen, Hepatozyten, Endothelzellen oder polymorphzellige Granulozyten. Auch intrazellulär bestehen mehrere Möglichkeiten einer Sauerstoffradikalformation, z. B.:

kann der Pool des so genannten freien und damit chelatisierbaren Fe2+ die Bildung von Hydroxylanionen (OH-) verursachen und potenzieren 4 oder das mikrosomale NADPH-Monooxygenase-System sowie die Xanthinoxidase für einen Teil der Superanionbildung (O2 -) verantwortlich sein 5 oder Sauerstoffradikale in Mitochondrien entstehen während der Übertragung der Elektronen in der Atmungskette 6.

Gerade hier besteht die Möglichkeit der Entstehung eines so genannten Elektronenlecks z. B. am dritten Komplex der Atmungskette, wobei dann eine Übertragung von Elektronen auf molekularen Sauerstoff vorzeitig erfolgt unabhängig von der Cytochrom Oxidase mit der Konsequenz der Superoxid-Anionbildung. Unter normalen Bedingungen ist die „electron leakage” innerhalb der Atmungskette gering und kann neutralisiert werden. Bei Anstieg der electron leakage kommt es jedoch zu einem massiven Anstieg von Superoxidanionen, die als Wasserstoffperoxid ausgeschleust werden [7]). Dies löst gleichzeitig jedoch eine Kettenreaktion aus: Es kommt zu einer durch proapoptotoische Proteine wie z. B. bax getriggerten Freisetzung von Zytochrom c in das Zytosol mit der Konsequenz der Aktivierung der apoptotischen Kaskade und der Entstehung von aggressiven OH--Ionen aus zytosolischem H2O2 (Abb. [4]).

Zur Verringerung einer Sauerstoffradikalfreisetzung stehen somit prinzipiell mehrere Strategien zur Verfügung (Abb. [5]):

einerseits Methoden zur Blockade der Entstehung von Sauerstoffradikalen: hierzu gehören die Komplexierung von intrazellulärem freien Eisen, die Blockade der Xanthinoxidase, die Blockade der mitochondrialen Atmungskette oder die Verringerung der Akkumulation an mitochondrialen Elektronendonoren zweitens der Einsatz von Substanzen, die bereits freigesetzte Sauerstoffradikale detoxifieren: Hier kommen vor allem Antioxidantien (N-Acetylzystein, Tocopherol, Ascorbinsäure, Trolox, Liponsäure, Glutathion) oder Enzyme (SOD, Catalase) zur Anwendung. Da Konservierungslösungen jedoch kurz vor der Reperfusion ausgepült werden, ist die Konzentration jeglicher antioxidativer Substanzen gerade in dem Moment reduziert, in dem ihre Präsenz im Sinne eines antioxidativen Schutzes am wichtigsten ist. Aus diesem Grund wurde z. B. von Thurman 1990 eine „Rinse”-Lösung entwickelt („Carolina Rinse”), die unter normothermen Bedingungen unmittelbar vor der Reperfusion durch Einsatz von drei Antioxidativa (Desferroxamin, Glutathion, Allopurinol) sowie Adenosin, Insulin, Glukose, Fruktose und Hydroxyethylstärke das Ausmaß des Reperfusionsschadens vermindern sollte 8. drittens Methoden, die nach Freisetzung von Sauerstoffradikalen und Aktivierung des Mediator- und Apoptosepfads die Auswirkungen der zellulären Antwort minimieren:Unterschiedliche Strategien zur Induktion sozusagen einer Ischämietoleranz wurden hier bisher beschrieben: Seit längerer Zeit ist bekannt, dass eine intermittierende Einflussokklusion der hepatischen Gefäße eine Ischämietoleranz auslöst. Als Mechanismus wird eine Erhöhung der Adenosinkonzentration durch den ischämischen ATP-Katabolismus vermutet mit konsekutiver Stimulation des Adenosin A2-Rezeptors und Stimulation der NO-Synthase (iNOS). Eine andere Methode einer Induktion von Ischämietoleranz wurde im Rahmen der neurophysiologischen Forschung beschrieben. Die intraperitoneale Injektion von 3-Nitropropionsäure (3-NPA) löst, vermutlich über eine moderate Freisetzung von Sauerstoffradikalen, eine vermehrte Expression von antiapoptotischem Bcl-2 aus und bewirkt dadurch am Gehirn eine Zellprotektion in der Ischämie 9.

Während die letzten beiden Vorgehensweisen entscheidend von der Präsenz der eingesetzten Substanz zum richtigen Zeitpunkt der Reperfusion abhängig sind, ist der Vorteil einer Verhinderung der Freisetzung von Sauerstoffradikalen, dass prinzipiell eine Mediator- und Apoptoseaktivierung bereits zu Anfang der Reperfusion minimiert wird.

Unsere These war nun, dass eine verstärkte mitochondriale „electron leakage” nach cold storage ursächlich für die beobachtete Sauerstoffradikalbildung mit nachfolgendem Zelluntergang war. Tatsächlich konnten wir zeigen, dass eine Blockade am Anfang der mitochondrialen Atmungskette z. B. des 1. mitochondrialen Elektronenkomplex die Radikalbildung komplett aufhob, während es bei Blockade am Ende der Atmungskette z. B. des 4. Mitochondrialen Elektronenkomplex zu einer Verstärkung der Sauerstoffradikalbildung kam (Abb. [6]). Die Komplexierung von intrazellulärem Eisen mit Deferroxamin während der Reperfusion ergab im Gegensatz hierzu an der isoliert perfundierten Leber keine Verringerung der Lipidperoxidation. Ein Zusammenhang zwischen Sauerstoffradikalbildung und mitochondrialer Elektronenübertragung erscheint daher plausibel, so dass die erwähnten anderen Entstehungsmöglichkeiten der intrazellulären Sauerstoffradikalbildung demgegenüber eher eine untergeordnete Rolle spielen.

Ausgehend von diesen Ergebnissen versuchten wir in zusätzlichen Experimenten eine Konditionierung der durch Konservierung vorgeschädigten Leber. Auch nach einer Periode der kalten Konservierung von 10 h war in einer anschließenden 3-stündigen hypothermen Oxygenierung eine Aktivierung der mitochondrialen Elektronenübertragung möglich mit Wiederherstellung der zellulären Energy charge und Abbau der akkumulierten glykolytischen Endprodukte. In der anschließenden Reperfusion bestand dann wiederum ein deutlich geringerer Zellschaden in der konditionierten Leber messbar durch

geringere Freisetzung von zytosolischen Enzymen geringere Formation an Superoxidanionen intakter Zellarchitektur Licht und Elektronenmikroskopisch (Abb. 7)

Die abschließende PCR-Analyse ergab, dass im Gegensatz zur Reperfusion nach cold storage weder Mediatoren wie TNF-α, NF-κ B oder auch MIP-2 und SAPK aktiviert wurden als auch gleichzeitig keine Expression von Caspase 9, bid und bak stattfand in der konditionierten Leber (Abb. [8]). Die damit nachgewiesene mitochondriale Aktivierung der apoptotischen Kaskade nach Cold Storage in der Reperfusion spricht erneut für einen mitochondrialen Ausgangspunkt der Sauerstoffradikalbildung mit konsekutiver Zytochrom c-Freisetzung. Dieser Vorgang kann jedoch offensichtlich deutlich abgeschwächt werden durch eine hypotherme Oxygenierung vor Reperfusion.

Zusammenfassend kann postuliert werden, dass eine statische kalte Lagerung wie sie derzeit durchgeführt wird zu einem Organschaden führt, der durch eine vermehrte Sauerstoffradikalfreisetzung initiiert wird. Eine grundsätzliche Verbesserung durch Variationen der UW-Lösung ist nicht zu erwarten, da durch die Bedingungen der „Cold Storage” auch der Zellmetabolismus nicht suffizient zu beeinflussen ist: Jim Southard der zusammen mit Folkert Belzer 1987 in Wisconsin die so genannte UW-Lösung (University of Wisconsin-Lösung) entwickelte, vertritt den Standpunkt, dass „. . . new solutions do not address the central issue that limits preservation quality; that is, the lack of energy for the organ . . .” [10]. Der durch die Konservierung getriggerte Schaden ist jedoch möglicherweise vermeidbar durch Methoden einer hypothemen Oxygenierung (Tab. [2]), die auch nach einer Periode einer Konservierung zum Beispiel während der Vorbereitung des Organempfängers eingesetzt werden kann. Eine klinische Anwendbarkeit ist daher vorstellbar.

Vielen Dank.

Literatur

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  • 10 Southard J H. Improving early graft function: role of preservation.  Transplantation proc. 1997;  29 3510-3511

PD Dr. med. Ph. Dutkowski

Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchirurgie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Langenbeckstraße 1

55101 Mainz