psychoneuro 2003; 29(6): 285-289
DOI: 10.1055/s-2003-40486
Schwerpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neuropsychologische Diagnostik im Kompetenznetz Demenzen

Stefanie Wolf1 , Friedel Reischies2 , Alexander Kurz3
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universität Göttingen
  • 2Psychiatrische Klinik und Poliklinik, Abt. Klinische Psychiatrie der Freien Universität Berlin
  • 3Psychiatrische Klinik der Technischen Universität München
Weitere Informationen
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Korrespondenzadresse:

Dipl. Psych. Stefanie Wolf

Psychiatrische Klinik der Universität Göttingen

von-Siebold-Str. 5

37075 Göttingen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
07. Juli 2003 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Im Kompetenznetz Demenzen werden im Forschungsmodul „Früh- und Differenzialdiagnostik” neben Bildgebungsverfahren und neurochemischen Methoden auch neuropsychologische Verfahren eingesetzt. Ziel ist die Beschreibung der Leistungsdefizite bei den verschiedenen demenziellen Erkrankungen, die Betrachtung der einzelnen Fähigkeiten im Krankheitsverlauf, sowie - im Hinblick auf die Grundlagenforschung - die Bereitstellung möglichst spezifischer Leistungsdaten als Bezugspunkt für die instrumentellen Daten. Auf der Grundlage der Ergebnisse soll das Konzept des „Mild Cognitive Impairment” (MCI) diskutiert und präzisiert werden.

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Summary

The studies concerning early and differential diagnosis in the German Competence Network of Dementias comprise imaging methods, neurochemical methods, and neuropsychological tests. The latter intend to describe cognitive deficits in the various dementia syndromes, and follow the course of decline in different cognitive domains. With regard to basic research, specific and valid data of cognitive ability are to be given as an anchor point for instrumental data like e.g. brain volumetry and liquor analysis. Based on the results as a whole, the concept of „mild cognitive impairment” shall be discussed and defined more precisely.

Im Forschungsmodul „Früh- und Differenzialdiagnostik” des Kompetenznetzes Demenzen werden neben Bildgebungsverfahren und neurochemischen Methoden auch neuropsychologische Verfahren eingesetzt. Die Erfassung von Verhaltensdaten ist zur Diagnose einer Demenz entscheidend: Nach der ICD-10 [2] wird eine Demenz diagnostiziert, wenn eine Abnahme des Gedächtnisses und des Denkvermögens nachgewiesen wurde, und wenn Aktivitäten des täglichen Lebens deutlich beeinträchtigt sind. Auch laut DSM-IV [15] ist der Nachweis kognitiver Leistungseinschränkungen für die Diagnosestellung einer Demenz erforderlich. Im speziellen Fall der Alzheimer Demenz (AD) sind die NINCDS-ADRDA-Kriterien [8] am weitesten verbreitet und anerkannt, und auch sie empfehlen zur Diagnose einer AD eine klinische Untersuchung und die Bestätigung kognitiver Defizite durch eine neuropsychologische Testung.

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Neuropsychologische Diagnostik und Screening-Verfahren

Neuropsychologische Testverfahren unterscheiden sich grundsätzlich von Screening-Verfahren wie dem Mini-Mental-Status-Test (MMST; 3).

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Screening-Verfahren

Screening-Verfahren haben das Ziel, mit einem geringen zeitlichen Aufwand von nicht mehr als fünf bis zehn Minuten grobe Hinweise auf das Vorliegen irgendeiner hirnorganischen Schädigung oder einer Demenz zu geben, also eine recht umfassende Gruppe von Erkrankungen anzuzeigen, oder ungefähr den Schweregrad der Erkrankung einzuschätzen. Oft beinhalten Screening-Verfahren allgemeine Fragen zur zeitlichen Orientierung (aktuelles Jahr, Monat, Wochentag), örtlichen Orientierung (Aufenthaltsort, Klinik, Stockwerk), eine kurze Lernaufgabe, die Ausführung einer Handlungsanweisung oder Ähnliches. Die einzelnen Ergebnisse werden zu einem Gesamt-Score addiert. Anhand des MMST wird i.a. vom Vorliegen einer „leichten Demenz” ausgegangen, wenn das Ergebnis 24 oder weniger der 30 möglichen Punkte beträgt.

Solch ein Vorgehen ist sinnvoll, um in kurzer Zeit eine grobe Quantifizierung des allgemeinen Leistungsniveaus zu erhalten. Im frühen oder sehr frühen Stadium einer Demenz ist mittels Screening-Verfahren jedoch keine hohe Sensitivität und Spezifität der Aussage zu erreichen. Im Zeitraum von gut einem Jahr konnten unter zirka 40 Patienten, die von einer Gedächtnissprechstunde zur ausführlichen neuropsychologischen Untersuchung überwiesen worden waren, 12 Patienten identifiziert werden, die zwar im MMST einen Wert zwischen 27 bis 30 Punkten erzielt hatten, bei denen aber neuropsychologische Verfahren, Bildgebung und meist auch Liquordiagnostik übereinstimmend auf eine beginnende Demenz hinwiesen [18]. Ein unauffälliges Ergebnis im Screening schließt also eine beginnende Demenz nicht sicher aus, und bei klinischen Merkmalen wie fremdanamnestisch bestätigten Leistungseinbußen, die über einen längeren Zeitraum anhalten oder fortschreiten, ist eine weiterführende Abklärung trotz unauffälliger Screening-Werte ratsam.

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Neuropsychologische Verfahren

Neuropsychologische Verfahren haben im Gegensatz zu den Screening-Verfahren das Ziel, einzelne kognitive Funktionen mit höherer Genauigkeit zu quantifizieren. Sie lassen sich entsprechend als Sprachverständnistests, Aufmerksamkeitstests, Lerntests, verbale oder visuelle Kurzzeitgedächtnisaufgaben, Arbeitsgedächtnis- oder Konzeptbildungsaufgaben usw. bezeichnen. Eine allgemeingültige Taxonomie der verschiedenen kognitiven Domänen gibt es nicht, oft werden beispielsweise verschiedene Aufmerksamkeitsfunktionen noch weiter unterschieden. Die Beeinträchtigung einer einzelnen Teilleistung kann beim Einsatz von Screening-Verfahren leicht unterschätzt werden, weil dort meist recht unspezifische Anforderungen gestellt werden, und weil zudem Gesamt-Scores gebildet werden. Gerade bei der Früh- und Differenzialdiagnostik demenzieller Syndrome ist aber die Beurteilung von Teilleistungen wichtig, denn die verschiedenen Syndrome äußern sich anfangs in vergleichsweise selektiven Defiziten, nicht uniform in einem globalen kognitiven Abbau. Die in einer neuropsychologischen Testung erhobenen Werteprofile sind zwar keinesfalls so spezifisch, dass ein Muster von Stärken und Schwächen für sich genommen wegweisend für eine bestimmte demenzielle Erkrankung sein könnte. Es gibt anatomische Überlappungen der Pathologien, und die nosologische Einteilung der Syndrome selbst ist vielfach mit Hinsicht auf z.B. genetische Varianten unklar. Aber eine konsistent auffällige Leistungsschwäche kann als Anstoß zur Durchführung weiterer diagnostischer Maßnahmen dienen, und in der klinischen Zusammenschau mit der instrumentellen Diagnostik kann der neuropsychologische Befund Hinweise geben, welche Arten der Hirnschädigung mehr oder weniger nahe liegend sind.

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Klinisches Einsatzgebiet der neuropsychologischen Diagnostik

Im klinischen Alltag der Demenzdiagnostik spielt die neuropsychologische Untersuchung vor allem eine Rolle bei vier Fragestellungen:

  • bei der Unterscheidung einer fraglich beginnenden Demenz von einem im Rahmen des Alterungsprozesses normalerweise zu erwartenden Leistungsabbau

  • bei der Unterscheidung einer fraglich beginnenden Demenz von einer kognitiven Beeinträchtigung infolge einer depressiven Episode oder anderen psychiatrischen Erkrankung

  • bei der Unterscheidung bestimmter beginnender, primär progredienter hirnorganischer Erkrankungen untereinander

  • bei der Verlaufsbeurteilung einer leichtgradigen Demenzerkrankung.

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Normaler Alterungsprozess

Im Rahmen des normalen Alterungsprozesses sind Einbußen der geistigen Verarbeitungsgeschwindigkeit zu erwarten, und die weniger rasche und effiziente Informationsverarbeitung zieht unter anderem auch ein erschwertes Erlernen neuer Informationen nach sich [4] [14]. Um derartigen Leistungsabnahmen Rechnung zu tragen, stellen die standardisierten neuropsychologischen Testverfahren Normen für verschiedene Altersgruppen zur Verfügung.

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Alzheimer Demenz

Die Folgen einer beginnenden Alzheimer Demenz (AD) gehen über den normalen Alterungsprozess in mehrfacher Hinsicht hinaus. Zum einen besteht bei der AD eine auffallende Schwäche des Erlernens neuer Informationen, i.e. ein so genanntes Konsolidierungsdefizit, bei initial kaum beeinträchtigter Aufmerksamkeit und psychomotorischer Geschwindigkeit. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Patienten mit einer sehr milden AD nach einem mehrminütigen Intervall zwar kaum zuvor gehörte, kurze Geschichten reproduzieren können, aber durchaus in der Lage sind, unmittelbar nach der Darbietung fünfstellige Ziffernfolgen in umgekehrter Reihenfolge wiederzugeben. Die erstgenannte Aufgabe ist eine typische Lernaufgabe, die letztgenannte Aufgabe eine typische Konzentrations- und Arbeitsgedächtnisaufgabe. Zu den Lernstörungen kommen bei der AD Störungen der visuell-räumlichen Verarbeitung (vgl. [Abb. 1]), des Rechnens und der Auffassung komplexer neuer Zusammenhänge hinzu. Neuroanatomisch geht die Erkrankung im Frühstadium mit einer Funktionseinschränkung mesio-temporaler sowie neokortikaler temporaler und inferior parietaler Strukturen einher [1]. Wegen ihrer klinischen und morphologischen Auffälligkeiten wird die AD als „kortikale Demenz” bezeichnet [6].

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Frontotemporale Demenzen

Die frontotemporalen Demenzen sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen; am häufigsten treten die „klassische” frontale Variante der frontotemporalen Demenz (fv-FTD) und ihre temporale Variante der frontotemporalen Demenz (tv-FTD) auf. Während früher der Begriff der Pick'schen Erkrankung geläufig war, ist heute bekannt, dass nur in einem Teil aller Fälle Pick-Zellen oder Pick-Körperchen vorliegen. Die fv-FTD betrifft vor allem orbitobasal, medial und dorsolateral frontale Strukturen und zeigt initial das klinische Bild von Persönlichkeits- und Antriebsänderungen sowie Störungen des Sozialverhaltens; die üblichen neuropsychologischen Testbefunde sind zu diesem Zeitpunkt oft noch unauffällig. Die tv-FTD, mit Funktionseinbußen lateral temporaler Strukturen, kann aus neuropsychologischer Sicht hingegen recht gut an Störungen des Benennens [Abb. 2] und am Verlust des Wortsinnverständnisses festgemacht werden. Sowohl bei der fv-FTD als auch bei der tv-FTD ist die visuell-räumliche Verarbeitung im Allgemeinen lange Zeit ungestört.

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Lewy-Körper-Demenz

Die Lewy-Körper-Demenz (LBD) ist vor allem durch Fluktuationen der kognitiven Leistungsfähigkeit, wohlgeformte und detailreiche visuelle Halluzinationen, sowie spontane motorische Parkinson-Symptome charakterisiert. Häufig treten wiederholte unerklärte Stürze, Synkopen oder Bewusstseinseinschränkungen auf. In der neuropsychologischen Testung fallen am ehesten Aufmerksamkeitsdefizite und Schwächen der visuell-räumlichen Verarbeitung auf [7].

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Subkortikale demenzielle Syndrome

Subkortikale demenzielle Syndrome wie die Demenz bei Morbus Parkinson, die Progressive Supranukleäre Blickparese, das Shy-Drager-Syndrom oder die Striatonigrale Degeneration weisen typische neurologische Auffälligkeiten auf, die Aufschluss über die Differenzialdiagnose geben, wie Tremor, Rigidität, Myoklonien, Gangstörungen usw. Vaskuläre Demenzen wie bei Morbus Binswanger oder beim Status lacunaris zeigen ihre läsionellen Veränderungen deutlich in der Kernspinaufnahme. Aus neuropsychologischer Sicht sind die subkortikalen Demenzen untereinander kaum unterscheidbar. Führend sind jeweils eine psychomotorische Verlangsamung und Einschränkungen bei anstrengungsvollen und nicht-automatisierten Leistungen, bei relativ erhaltener Lernfähigkeit [6]. Typische Defizite treten auf bei einfachen Speed-Aufgaben wie dem Trail Making Test A (vgl. [Abb. 3]), bei konzentrationsintensiven Arbeitsgedächtnisaufgaben wie dem Nachsprechen längerer Ziffernfolgen oder der Wiedergabe von Zahlenreihen in umgekehrter Reihenfolge, oder bei Aufgaben zum logisch-analytischen Schließen. Die Lernfähigkeit ist vergleichsweise erhalten. Schlechte Ergebnisse in Lernaufgaben sind bei diesen Syndromen - anders als bei der AD - eher auf Mängel im zielgerichteten Abrufprozess zurückzuführen als auf genuine Konsolidierungsdefizite, und das anstrengungsärmere Wiedererkennen von Wortlisten oder Ähnlichem fällt den Patienten deutlich leichter als der selbstinitiierte, freie Abruf des Gelernten.

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Depressionen

Depressionen und andere psychiatrische Erkrankungen können die Sensitivität eines Patienten für (vermeintliche) kognitive Schwächen verstärken und ein überhöhtes Beklagen eigener Defizite bewirken. Aber auch von außen können Depressionen als beginnende Demenz fehlgedeutet werden, da Konzentrationsstörungen, Entscheidungsschwierigkeiten, Müdigkeit, Interessenverlust und sozialer Rückzug in beiden Fällen geläufig sind. Im klinischen Interview kann das Vorliegen einer Depression am besten abgeklärt werden. Ein generell wichtiger Anhaltspunkt in der neuropsychologischen Testung, der für eine organische Ursache von Leistungseinbußen spricht, ist das konsistente Auftreten gleichartiger Defizite in verschiedenen Testverfahren, sodass sich ein durchgängiger „Faktor” bestimmter Leistungsschwächen ergibt. Beim Vorliegen einer Depression zeigen sich dagegen eher unsystematisch verteilte Schwächen in den verschiedenen Aufgaben. Ggf. sollte eine erneute Beurteilung der Leistungsfähigkeit nach längerer antidepressiver Therapie vorgenommen werden. Zu beachten ist immer, dass insbesonders im höheren Alter erstmals auftretende Depressionen auch Symptom einer beginnenden Demenz sein können.

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Planung der medikamentösen Therapie

Die neuropsychologische Diagnostik trägt zur Früh- und Differenzialdiagnose des demenziellen Syndroms bei. Die Differenzialdiagnose ist wichtig für die Planung der medikamentösen Therapie, denn verschiedene Behandlungsansätze sind je nach Syndrom unterschiedlich sinnvoll und Erfolg versprechend. So besteht bei den FTDen - im Gegensatz zur AD - kein kortikales cholinerges Defizit, und die bei der AD wirksamen Acetylcholinesterasehemmer konnten keinen Behandlungserfolg erweisen [16]. Patienten mit einer LBD würden auf eine Medikation mit Neuroleptika mit schweren akinetischen Krisen reagieren, und auch bei den FTDen gibt es Hinweise für eine verminderte Neuroleptikaverträglichkeit [11].

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Aufklärung von Patienten/ Angehörigen

Abgesehen davon, dient die Beurteilung von Teilleistungen und das Wissen um die Art des demenziellen Syndroms auch der Aufklärung der Angehörigen und der Patienten. Wie oben erklärt, führen nicht alle Demenzen gleichsam und rasch zu einer Persönlichkeitsveränderung und einem umfassenden Verfall aller Fähigkeiten. Bei der AD ist in den ersten Jahren zwar das Erlernen neuer Informationen und die Auffassung komplexer Zusammenhänge erschwert, aber selten das Sprachverständnis oder das Sprechen, die Einsicht in die persönliche Situation oder das Ausüben vertrauter körperlicher Betätigungen. Das differenzierte Wissen um Stärken und Schwächen verhindert sowohl Überforderung als auch ungerechtfertigte Geringschätzung des Patienten.

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Studienziele im Bereich Neuropsychologie des Moduls „Früh- und Differenzialdiagnostik”

Dass Störungen des Neu-Lernens ein besonders ausgeprägtes und häufiges Frühzeichen einer beginnenden Demenz sind, wurde ohne nähere Betrachtung der Ätiologie bereits mehrfach gezeigt - und verwundert angesichts des hohen Anteils der Alzheimer Demenz in der Gruppe der Demenzen auch nicht. Derartig globale Studienziele wie die Suche nach „dem optimalen Lerntest” für „die Frühdiagnose” sind nicht sinnvoll; in der Praxis sollten bei Verdacht auf das Vorliegen eines Konsolidierungsdefizits im Zweifelsfall lieber zweierlei Verfahren unabhängig voneinander eingesetzt werden.

Die Studienplanung im Kompetenznetz Demenzen legt stattdessen Wert auf die möglichst gute klinische Unterscheidung demenzieller Syndrome nach anerkannten, spezifischen diagnostischen Kriterien sowie auf die breite Erfassung verschiedenartiger Fähigkeiten. Neben neuropsychologischen Tests der kognitiven Fähigkeiten wurden besonders mit Hinblick auf die FTDen auch Fragebögen integriert, die per Angehörigeninterview das Vorliegen von Merkmalen wie Apathie, Depression, Aggression, Vernachlässigung der persönlichen Hygiene und Hyperoralität erheben.

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Beschreibung des Defizitspektrums

Zum einen soll dieses Vorgehen die möglichst differenzierte Beschreibung des Defizitspektrums ermöglichen, das den demenziellen Erkrankungen zu eigen sein kann.

Zum anderen soll eine optimale Grundlage für die Korrelation von Verhaltensdaten mit den instrumentellen Daten geschaffen werden. So gelten bspw. die Liquorbefunde bei den FTDen bislang noch als sehr variabel und widersprüchlich [12], während die AD mit typischen Liquor-Befundkonstellationen assoziiert ist, deren Veränderung auch im zeitlichen Verlauf gut mit Veränderungen des psychometrisch erfassten Schweregrades korrespondierten [5].

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Korrelation mit biologischen Markern

Möglicherweise kann in solchen Fällen wie bei den FTDen der Einsatz von Verfahren, die gezielter die bei diesen Erkrankungen vorhandenen Defizite erfassen, das Ausmaß der gebundenen Varianz und somit auch die Korrelation mit den biologischen Markern erhöhen. Dass die Betrachtung von Pathomechanismen auf molekularer und Transmitterebene anstelle einer rein strukturbezogenen und morphometrischen Betrachtungsweise Sinn macht, kann am Beispiel der AD erläutert werden: Das anatomische Korrelat der frühen Gedächtnisstörung bei der AD ist eine Funktionseinschränkung vor allem mesio-temporaler Strukturen. Als Pathomechanismus diskutiert man aber nicht nur den Zelltod hippokampaler Neurone, der mit einer Atrophie des lokalen Gewebes einhergeht, sondern auch eine „funktionelle Deafferenzierung” des Hippokampus i.S. einer Verminderung der Effizienz hippokampaler Funktionen durch verringerte Reizaufrechterhaltung bei kortikalem, cholinergen Defizit.

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Mild Cognitive Impairment

Bei der Frage der Frühdiagnose einer Demenz spielt das Konzept des Mild Cognitive Impairment (MCI) eine wichtige Rolle. Bislang ist nicht eindeutig, was darunter zu verstehen ist. Eine der Arbeitsgruppen forderte ursprünglich aus testpsychologischer Sicht notwendig und hinreichend nur eine objektivierbare Gedächtnisbeeinträchtigung [10]. Solch eine initial besonders auffällige Gedächtnisstörung wurde in Längsschnittuntersuchungen zwar bei der AD nachgewiesen, aber die verbreitete Annahme, dass dies generell das erste Frühzeichen (irgend)einer beginnenden Demenz sei, beruht auf einem rein statistischen Effekt. Die AD ist mit etwa 60-70 % unter allen demenziellen Syndromen die häufigste Demenzform. Wenn in einer neuropsychologischen Längsschnittstudie ohne Differenzierung der Syndrome der beste Prädiktor für das Vorliegen einer „Demenz” (vs. Gesundheit) zum letzten Messzeitpunkt gesucht wurde, fiel aufgrund der hohen Auftretenswahrscheinlichkeit der AD natürlich das Gedächtnisdefizit auf.

Zum Teil werden heute unter Anerkennung heterogener Frühzeichen verschiedener dementieller Syndrome diverse Ausprägungen eines MCI in Betracht gezogen [9]. Dies wird der Sache prinzipiell gerecht. Generell im Zusammenhang mit dem Konzept der MCI, und insbesondere sobald in der Praxis der behandelnde Arzt im Einzelfall bereits aufgrund weniger defizitärer Testwerte vermehrt dazu neigen würde, eine Progression der Störung zu einer Demenz zu vermuten, müssen aber auch ethische Implikationen diskutiert werden. Zwar besteht bei der Früherkennung einer Demenz die Chance, durch den Einsatz von Antidementiva Erfolge zu erzielen, Verhaltensmodifikationen einzuüben, sowie soziale und rechtliche Regelungen zu treffen. Viele Patienten mit einer MCI entwickeln jedoch keine Demenz. Die psychosozialen Implikationen der Diagnose einer möglicherweise beginnenden Demenz sind enorm, und der Erfolg einer medikamentösen Therapie im Stadium der MCI ist noch nicht belegt (vgl. die Studien im Modul E2). Das Vorgehen muss im Einzelfall genau abgewägt werden. Die Studien im Kompetenznetz Demenzen haben das Ziel, die Kriterien eines MCI möglichst gut zu definieren und die damit verbundenen Empfehlungen und Überlegungen in allgemeine Leitlinien einfließen zu lassen.

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Abb. 1 Neuropsychologische Testbeispiele

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Abb. 2

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Abb. 3

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Literatur:

  • 1 Black SE. Focal cortical atrophy syndromes.  Brain and Cognition. 1996;  31 188-229
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  • 4 Grube D. Arbeitsgedächtnis und Zeitverarbeitung im Alter. Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie, Bd. 10.  Münster, Waxmann-Verlag. 1999; 
  • 5 Jensen M, Schröder J, Blamberg M. et al. . Cerebrospinal fluid Ab-42 is increased early in sporadic Alzheimer's disease and declines with disease progression.  Annals of Neurology. 1999;  45 504-511
  • 6 Kaufer DI, Cummings JL. Dementia: An overview.  In: MJ Farah & TE Feinberg (Eds.), Patient-based approaches to cognitive neuroscience, Ch.  29. Cambridge, The MIT Press. 2000; 
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  • 9 Petersen RC, Doody R, Kurz A, Mohs RC. et al. . Current concepts in mild cognitive impairment.  Archives of Neurology. 2001;  58 1985-1992
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  • 12 Pijnenburg YAL, Schoonenboom NSNM, Scheltens P. Tau and Ab42 protein in CSF of patients with frontotemporal degeneration.  Neurology-online. 2002; 
  • 13 Reitan RM. Trail-Making-Test.  Göttingen: Hogrefe. 1979; 
  • 14 Salthouse TA. The processing-speed theory of adult age differences in cognition.  Psychological Review. 1996;  103 403-428
  • 15 Saß H, Wittchen HU, Zaudig M. Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM-IV), dt.  Bearbeitung (2. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. 1996; 
  • 16 Sliwka U, Seidel G, Diehl R, Griewing B. AWMF - Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften.  Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Nr. 030/066, Online-Version. 1996; 
  • 17 Thalmann B, Monsch AU, Bernasconi F. et al. . Die CERAD Neuropsychologische Testbatterie - Ein gemeinsames minimales Instrumentarium zur Demenzabklärung.  Memory Clinic, Geriatrische Universitätsklinik Basel. 1998; 
  • 18 Wolf S, Weniger G, Degner D, Irle E. Neuropsychologische Frühdiagnostik dementieller Syndrome. Vortrag auf der 99.  Jahrestagung Nord- und Nordwestdeutscher Neurologen und Psychiater, in Wilhelmshaven. 1996; 
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Korrespondenzadresse:

Dipl. Psych. Stefanie Wolf

Psychiatrische Klinik der Universität Göttingen

von-Siebold-Str. 5

37075 Göttingen

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Literatur:

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  • 18 Wolf S, Weniger G, Degner D, Irle E. Neuropsychologische Frühdiagnostik dementieller Syndrome. Vortrag auf der 99.  Jahrestagung Nord- und Nordwestdeutscher Neurologen und Psychiater, in Wilhelmshaven. 1996; 
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Korrespondenzadresse:

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von-Siebold-Str. 5

37075 Göttingen

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Abb. 1 Neuropsychologische Testbeispiele

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