Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(46): 2467-2468
DOI: 10.1055/s-2002-35453
Leserbriefe
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Myokarditis durch Enteroviren in Griechenland - und bei uns?

Zum Beitrag aus DMW 25 - 26/2002, Seite 1364
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Publication Date:
14 November 2002 (online)

Mit großem Interesse haben wir die wichtige Mitteilung von Braun, Hassler und Kimmik [1] gelesen. Berichte über enterovirale Kleinepidemien wie kürzlich in Griechenland gab es schon zuvor [2]. Enterovirale Infektionen dürften auch in Deutschland keine Rarität sein, werden aber offenbar bei meist uncharakteristischer klinischer Symptomatik nicht als solche erkannt. Nach Literaturangaben [3] können Enteroviren insbesondere im Säuglings- und Kleinkindalter isoliert werden, dies inzwischen auch bei zunächst angenommenem plötzlichen Kindstod (Sudden Infant Death Syndrome, SIDS).

In einer eigenen Studie [4] gelang der Nachweis von Enteroviren mittels RT-PCR in Myokardproben bei 14 von 60 Fällen eines mutmaßlichen plötzlichen Kindstodes. In vier der 14 Fälle konnte ebenfalls molekularpathologisch die Zuordnung zum Typ Coxsackie-Virus B 3 erfolgen. Die parallel durchgeführten morphologischen Untersuchungen bestätigen die Erkenntnis, dass eine akute Myokarditis im Sinne der Dallas-Kriterien bei konventioneller Färbung (Hämalaun-Eosin, Luxol Fast Blue, Siriusrot etc.) nicht nachweisbar sein kann, während immunhistochemisch - auch in unseren Myokardproben - in einem Teil der Fälle eine verstärkte leukozytäre myokardiale Infiltration anzutreffen war (Leukozytenmarker LCA, T-Lymphozytenmarker CD45R0, Makrophagenmarker CD68), bei gleichzeitig verstärkter Expression der HLA-Klasse-II-Antigene. Enteroviren führen im Myokard zu einer Destruktion der myofibrillären Strukturen und zu virus-induzierter Zellyse [5], die enterovirale Protease 2 A kann proteolytisch den intrazellulären Dystrophin-Glukoprotein-Komplex aufbrechen und zu einem Verlust der sarkolemmalen Integrität führen [6]. Kürzlich konnte zudem ein coxsackie-adenoviraler Rezeptor nachgewiesen werden, der in der neonatalen Phase herunterreguliert wird [7]; es gibt mithin eine molekulare Grundlage des Kardiotropismus zumindest mancher Enteroviren. Von Bedeutung ist dabei, dass eine Schädigung der Kardiomyozyten bereits stattfinden kann, ohne dass mit den bisherigen konventionell-histologischen Methoden eine Myokarditis diagnostizierbar ist. Immunhistochemische Verfahren können hingegen offenbar bereits früher beginnende inflammatorische Prozesse anzeigen [8] . Berücksichtigt man weiter, dass die Entzündung des Myokards als Arrhythmietrigger zu betrachten ist [9] und dies durch Fallberichte über schwerste Herzrhythmusstörungen bei viraler Myokarditis bestätigt wird, so wird insgesamt nachvollziehbar, dass gerade enterovirale Myokarditiden als Ursache plötzlicher und unerwarteter Todesfälle auch beim sog. plötzlichen Kindstod möglicherweise häufiger in Betracht kommen. Zu Recht vermuten die Autoren, dass die Dunkelziffer bei enteroviralen Mykarditiden in Deutschland hoch ist und viele Infektionen ohne registrierte klinische Symptomatik verlaufen.

Literatur

  • 1 Braun R, Hassler D, Kimmik P. Myokarditis durch Enteroviren in Griechenland - und bei uns?.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 1364
  • 2 Philipps C A, Aronson M D, Tomkow J, Philipps M E. Enteroviruses in Vermont, 1969 - 1978: an important cause of illness throughout the year.  J Infect Dis. 1980;  141 162-164
  • 3 Morens D M. Enteroviral disease in early infancy.  J Pediatr. 1978;  92 374-377
  • 4 Dettmeyer R, Bassner A, Winkelmann S, Graebe M, Madea B. Myocarditis and sudden death in infancy - immunhistochemical and molecularpathological investigations.  J Perinat Med. 2001;  29 25 (Supp II).)
  • 5 Klingel K, Rieger P, Selinka H C, Zell R, Kandolf R. Nachweis virusinduzierter zytopathogener Effekte bei der enteroviralen Myokarditis durch elektronenmikroskopische in situ Hybridisierung.  Verh Dtsch Ges Path. 1994;  78 469
  • 6 Badorff C, Lee G H, Lamphear B J, Martone M E, Campbell K P, Rhoads R E, Knowlton K U. Enteroviral protease 2A cleaves dystrophin: Evidence of cytoskeletal disruption in an acquired cardiomyopathy.  Nature Medicine. 1999;  5 320-325
  • 7 Noutsias M, Fechner H, de Jonge H, Wang X, Dekkers D, Houtsmuller A B, Pauschinger M, Bergelson J, Warraich R, Yacoub M, Hetzer R, Lamers J, Schultheiss H P, Poller W. Human coxsackie-adenovirus receptor is colocalized with integrins alpha(v)beta(3) and alpha(v)beta(5) on the cardiomyocyte sarcolemma and upregulated in dilated cardiomyopathy: implications for cardiotropic viral infections.  Circulation. 2001;  104 275-280
  • 8 Dettmeyer R, Schlamann M, Madea B. Immunhistochemical techniques inprove the diagnosis of myocarditis in cases of suspected sudden infant death syndrome (SIDS).  For Sci Int. 1999;  105 83-94
  • 9 Klein R M, Vester E G, Brehm M U, Dees H, Picard F, Niederacher D, Beckmann M W, Strauer B E. Entzündung des Myokards als Arrhythmietrigger.  Z Kardiol. 2002;  89 III/24-III/35 (Suppl).)

Autoren

Dr. Dr. Reinhard Dettmeyer
Prof. Dr. Burkhard Madea

Institut für Rechtsmedizin , Universität Bonn

Stiftsplatz 12

53111 Bonn