Laryngorhinootologie 2002; 81(10): 696-701
DOI: 10.1055/s-2002-35006
Audiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Entscheidungsverhalten in Schwellennähe bei psychoakustischen Untersuchungen

Decision Processes at Threshold Levels During Psychoacoustic TestingM.  Ptok1
  • 1Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie (Direktor: Prof. Dr. med. M. Ptok) Medizinische Hochschule Hannover
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Publication History

Eingegangen: 15. Januar 2001

Angenommen: 15. Februar 2002

Publication Date:
24 October 2002 (online)

Zusammenfassung

In der klinischen und experimentellen Audiometrie werden häufig psychoakustische Schwellen ermittelt. Hierunter wird klassischerweise die Intensität (bzw. in der klinischen Audiometrie der Pegel) eines Signals verstanden, bei der das Signal für den Patienten gerade noch wahrnehmbar ist. Eine solche Definition ist allerdings unbefriedigend, da es keinen Wert gibt, ab dem ein Signal wahrnehmbar ist, vielmehr wird in Schwellennähe der Patient mehr oder weniger sicher sein, das Signal wahrgenommen zu haben. Je höher die Signalintensität gewählt wird, desto sicherer wird der Patient reagieren. In dieser Übersicht wird zunächst auf die psychometrische Funktion zur Wahrnehmung von Signalen in Abhängigkeit von der Intensität und dann auf die Grundlagen der Entscheidungsprozesse in Schwellennähe eingegangen.

Abstract

Psychoacoustic threshold detection measurements are widely used in clinical and research applications. Usually, a threshold is considered as that intensity of the signal above which the stimulus is detected by the patient and below it will be not. However, this definition is unsatisfactory since there is no such well defined amount of intensity above which the signal suddenly becomes detectable. Rather at intensities close to the ”threshold” the patient will be more or less sure to have heard the signal. The more the intensity is increased the more the patient becomes convinced. This paper aims at providing insight into some basics about signal detection close to threshold especially psychometric functions and signal detection theory. It is shown that threshold detection for a given subject not only depends on signal parameters, the subject’s co-operation, and on competence of the examiner but also to a great extent on the procedure chosen for estimating the threshold.

Literatur

  • 1 Ptok M. Otoakustische Emissionen, auditorisch evozierte Potentiale, Tonschwellengehör und Sprachverständnis bei auditorischer Neuropathie.  HNO. 2000;  48 28-32
  • 2 Wright B A, Lombardino L J, King W M, Puranik C S, Leonard C M, Merzenich M M. Deficits in auditory temporal and spectral resolution in language-impaired children.  Nature. 1997;  387 176-178
  • 3 Terhardt E. Akustische Kommunikation. Berlin, Heidelberg, New York; Springer 1998
  • 4 Macmillan N A, Creelman C D. Detection Theory: A user's guide. Cambridge; Cambridge University Press 1991
  • 5 Moore B CJ. An introduction to the psychology of hearing. 3. Aufl. San Diego, San Francisco, New York, Boston, London, Sydney, Tokyo; Academic Press 2001
  • 6 Bärlocher F. Biostatistik. Stuttgart; Thieme 1999

1 Hierunter wird meist die Intensität eines akustischen Signals, i. d. R. eines Sinustones mit definierter Frequenz, bei dem das Signal vom Patienten gerade noch gehört wird, verstanden. Die Intensität bzw. der Schalldruck wird in der klinischen Tonschwellen-Audiometrie als Pegel in dB HL = dB hearing level angegeben.

1 Pegel ist ein Verhältnismaß (das 20fache des gesuchten Schalldrucks zum Bezugsschalldruck bzw. das 10fache der gesuchten Intensität zur Bezugsintensität). Hierbei wird auf das Hörvermögen gesunder Versuchspersonen für Sinustöne (bzw. bei der dB SPL Angabe auf 20 uPa) Bezug genommen.

1 In der Psychoakustik können aber auch ganz andere Schwellen gesucht bzw. untersucht werden, für die ein „Bezug” möglicherweise noch gar nicht bekannt ist. Deshalb sollte man dann allgemein von Intensität sprechen, auch wenn Intensitäten bzw. Schalldrucke in Pegel (dB SPL) angegeben werden. Verwendet man den Begriff Schalldruck, sollte, insbesondere bei anderen als Sinussignalen, zwischen Druckänderungsamplitude und Effektivwert (rms) unterschieden werden.

2 Diese Beispiele sind aus der Vielzahl denkbarer „Schwellen” willkürlich gewählt.

3 Eine Schwellenbestimmung im visuellen System würde z.B. der Frage nachgehen, wie hell ein Signal sein muss, damit es eben gerade wahrgenommen werden kann.

4 So macht auch die Frage, „wie viel Tonhöhe” ein Signal haben muss, damit es eben gerade wahrgenommen werden kann, keinen Sinn.

5 Diese Versuchsanordnung würde man als 1-Intervall-Forced Choice bezeichnen.

6 Man geht davon aus, dass die Schwankung der Stärke dieses Sinneseindruckes normal verteilt ist bzw. sich auf Normalverteilung transformieren lässt. Die Stärke der „Sinnesempfindung” lässt sich nicht genau beschreiben und auch nicht in Einheiten quantifizieren [5], man kann sie allenfalls in willkürlichen Einheiten angegeben.

7 Da es sich bei den Werten der „Sinnesempfindungen” um stetige (und nicht um diskrete) Werte handelt, wird die Verteilung nicht in Form eines Histogramms, sondern in der Form einer Wahrscheinlichkeitsdichte dargestellt. Zu weiteren Einzelheiten hierzu siehe Lehrbücher der Statistik, z.B. [6].

Prof. Dr. Martin Ptok

Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie (OE 6510) · Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Straße 1 · 30625 Hannover

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