Handchir Mikrochir Plast Chir 2002; 34(3): 148-149
DOI: 10.1055/s-2002-33691
Nachruf

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bernd Landsleitner

16. Dezember 1941 - 7. Mai 2002Bernd Landsleitner, December 16, 1941 to May 7, 2002
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Publication History

Eingang des Manuskriptes: 27. Juni 2002

Angenommen: 27. Juni 2002

Publication Date:
28 August 2002 (online)

Prof. Dr. med. Bernd Landsleitner wurde am 16. 12. 1941 als Sohn des Bundesbahnamtmannes Georg Christian Landsleitner und seiner Frau Margareta Landsleitner in Coburg geboren. Aufgewachsen ist er im oberfränkischen Lichtenfels, wo er auch die Schulzeit verbrachte. Die letzten beiden Gymnasialjahre absolvierte er bis zum Abitur am musischen Gymnasium wieder in Coburg. Von 1963 bis 1965 war Bernd Landsleitner als Freiwilliger in der Bundeswehr, zuletzt im Sanitätsdienst in Marburg an der Lahn, und wurde als Leutnant der Reserve entlassen. Das Medizinstudium absolvierte er von 1965 bis 1972 in Erlangen. Nach ärztlichen Tätigkeiten als Medizinalassistent in Cham/Windischbergerdorf und in Sulzbach-Rosenberg erhielt er eine Medizinalassistentenstelle an der Chirurgischen Universitätsklinik Erlangen (Prof. Dr. G. Hegemann) zum 1. Januar 1973. Ab 1. April 1973 wurde er auf eine wissenschaftliche Assistentenstelle berufen. Die Approbation zum Arzt erfolgte am 30. November 1973, die Promotion zum Doktor der Medizin 1974.

1974 heiratete Bernd Landsleitner seine Frau Gabriele. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor.

Seit 1975 befasste sich Bernd Landsleitner mit der mikrovaskulären Chirurgie an der Abteilung für Handchirurgie und Plastische Chirurgie Erlangen (Prof. Dr. J. Geldmacher). Bereits am 16. August 1975 führte er bei einem 13-jährigen Mädchen eine der ersten, erfolgreichen Daumenreplantationen Deutschlands durch. Der damalige Direktor der Klinik, Prof. Dr. G. Hegemann, erkannte bald das Interesse und die Fähigkeiten von Bernd Landsleitner und schickte ihn von Juni bis November 1976 nach Australien. Dort konnte Bernd Landsleitner seine Fähigkeiten in der mikrovaskulären Chirurgie am St. Vincent's Hospital in Melbourne (Dr. B. Mc. O'Brien) und am Prince of Wales Hospital in Sydney (Prof. Dr. E. Owen) und seine Kenntnisse in Plastischer Chirurgie und Handchirurgie an der Cottham Clinic in Melbourne (Dr. J. T. Hueston) erweitern.

Bernd Landsleitner etablierte die mikrovaskuläre Chirurgie an der Chirurgischen Universitätsklinik in Erlangen und erzielte dort als verantwortlicher Arzt für die Replantationschirurgie in der Folgezeit zahlreiche außerordentliche Erfolge. Exemplarisch sei hier die erfolgreiche Replantation eines amputierten Zeigefingers bei einem dreijährigen Mädchen am 22. Juni 1978 genannt. Des Weiteren wurde von ihm bereits im Jahre 1980 die erste freie Zehentransplantation der Klinik durchgeführt. Durch den Einsatz freier Gewebeübertragungen mit mikrovaskulären Anastomosen hat er bei Problemen der Defektdeckung nicht nur in seiner Abteilung, sondern auch in der allgemeinen Tumorchirurgie, in der Unfallchirurgie sowie in der Hals-Nasen-Ohrenklinik segensreiche Lösungen gefunden und neue Operationsverfahren geschaffen. Insbesondere entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit der Urologischen Universitätsklinik (Prof. Dr. A. Sigel) bei der Durchführung von zahlreichen erfolgreichen Ductus-deferens-Anastomosen nach Vasektomien. Des Weiteren wurden maßgeblich von Landsleitner in Zusammenarbeit mit der Neurochirurgischen Universitätsklinik Erlangen (Prof. Dr. W. Schiefer) zahlreiche plastische Deckungen bei lumbalen Meningomyelozelen vorgenommen. Immer wieder konnte er eigene, neue Ideen einbringen. So entwickelte er beispielsweise einen neuen neurovaskulären Insellappen zur Defektdeckung an der Fingerkuppe (Handchirurgie 1979; 11: 43 - 47). Die Facharztanerkennung für Chirurgie wurde 1980 erteilt. Die Habilitation erfolgte 1983 mit dem Thema „Klinische Replantationschirurgie und tierexperimentelle Untersuchungen über mikrovaskuläre Interponate zum Ersatz traumatisierter Gefäße“. Die Qualität dieser Arbeit fand ihre Würdigung in der Verleihung des Johann-Nepomuk-Nussbaum-Preises der Vereinigung der Bayerischen Chirurgen im selben Jahr. Weiterhin wurde Bernd Landsleitner zu diesem Zeitpunkt zum 1. Oberarzt der Abteilung für Handchirurgie und Plastische Chirurgie ernannt, die er zeitweise während der Erkrankung von Prof. Dr. Jürgen Geldmacher kommissarisch leitete. Ab Ende der 80er Jahre wurden die jährlichen Erlanger Handchirurgischen Fortbildungstage mit Kursen in Mikrochirurgie von ihm ins Leben gerufen. Sehr beliebt bei den Studenten waren seine Vorlesungen über Mikrochirurgie mit praktischen Übungen. Die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor erfolgte 1989.

Wie an anderen Universitätskliniken, so waren auch in Erlangen die Arbeitsbedingungen in der Handchirurgie stets problematisch. Immer wieder musste die Abteilung um ihre Daseinsberechtigung und um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen kämpfen. Es bestand im nordbayerischen Raum schlichtweg eine Unterversorgung, bezogen auf die handchirurgische Notfallversorgung einschließlich der Replantationen. Ende der 80er Jahre liefen dann erste vorbereitende Gespräche zur Gründung einer Klinik für Handchirurgie in Bad Neustadt. Im Rahmen einer Erweiterung der etablierten Herz- und Gefäßklinik im Rhönklinikum Bad Neustadt wurden von 1990 bis 1991 auch handchirurgische Operationssäle errichtet und die baulichen Voraussetzungen zum Betrieb einer Klinik für Handchirurgie geschaffen, die Bernd Landsleitner maßgeblich mit aufbaute und die am 1. Januar 1992 mit ihm als Chefarzt in Betrieb ging. Am 1. Mai 1992 wurde die Klinik für Handchirurgie um eine weitere Abteilung erweitert, der seit diesem Zeitpunkt Prof. Dr. Ulrich Lanz aus Würzburg als Chefarzt vorsteht, der in Würzburg ähnlich problematische Arbeitsbedingungen wie Landsleitner in Erlangen hatte. An der Klinik für Handchirurgie in Bad Neustadt waren nun die Voraussetzungen gegeben, die Bernd Landsleitner sich immer gewünscht hatte. Hier konnten nun endlich die Patienten ohne Beschränkungen versorgt werden. Hier konnte Bernd Landsleitner in seinem Beruf voll aufgehen. Die Klinik erfuhr einen beständigen Aufstieg durch steigende Patientenzahlen und einen außerordentlich guten Ruf, der weit über die regionalen Grenzen hinausging. Wurden 1992 noch 1652 Patienten stationär operiert, so waren es im Jahre 2001 bereits 5667. Der Erfolg der Klinik ist zweifelsohne auch sein Erfolg.

Die Schwerpunkte der beruflichen Arbeit Bernd Landsleitners lagen in der mikrovaskulären Chirurgie, in der Nerven- und Sehnenchirurgie und insbesondere in der Behandlung der Dupuytrenschen Kontraktur. Auch hier entwickelte er immer wieder neue Techniken. Mehrere tausend Patienten mit Dupuytrenscher Kontraktur wurden von ihm operiert. Zahlreiche Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen sowie Publikationen belegen seine wissenschaftlichen Tätigkeiten. Bernd Landsleitner war sehr genau, gewissenhaft und geradlinig und verlangte dies auch von seinen Mitarbeitern. Dennoch war die Atmosphäre in seiner Abteilung stets kameradschaftlich. Dies schätzten seine Mitarbeiter und gleichermaßen seine Patienten in der Sprechstunde und bei den Visiten. Die Würdigung Bernd Landsleitners wäre unvollständig, wenn seine Liebe zur Musik nicht erwähnt würde, die ihn stets begleitete. So bereiteten z. B. die OP-Schwestern immer Klassik-CDs vor, wenn Bernd Landsleitner operierte. Wollte man ihn besonders wohlgesonnen stimmen, so wurde der 2. Satz aus dem 5. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven aufgelegt. Selbst konnte Bernd Landsleitner im Übrigen auch hervorragend Klavier spielen. Weitere Interessen galten der Jagd.

Bereits in der Mitte der 70er Jahre entwickelten sich Kontakte zwischen Prof. Dr. J. Geldmacher und den polnischen Handchirurgen. Bernd Landsleitner begleitete ab den frühen 80er Jahren seinen damaligen Abteilungsleiter zu den Symposien und baute die Verbindungen zu handchirurgisch und mikrochirurgisch interessierten Kollegen in Polen aus. Viele Einladungen zu Symposien in Polen folgten. Zahlreiche Kurse wurden maßgeblich von ihm als Referent und Operateur gestaltet. Als Folge bekam er 1991 für die Verdienste um die Entwicklung der Chirurgie in Polen als erster deutscher Chirurg das Ehrendiplom des „International College of Surgeons“ überreicht. 1997 wurde er zum Ehrenmitglied der Polnischen Gesellschaft für Mikrochirurgie ernannt. Seit 1998 war Bernd Landsleitner Delegierter der Bayerischen Landesärztekammer. Er war ferner im Wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift „Handchirurgie - Mikrochirurgie - Plastische Chirurgie“, Gründungsmitglied und ordentliches Mitglied der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Mikrochirurgie der peripheren Nerven und Gefäße sowie ordentliches Mitglied der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Handchirurgie und Gründungsmitglied und ordentliches Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie und Mitglied im Basler Handclub. Mitgliedschaften bestanden weiterhin in der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und in der Vereinigung der Bayerischen Chirurgen.

Ein letzter Höhepunkt im Leben des Bernd Landsleitner war das am 26. Januar 2002 abgehaltene Symposium zum zehnjährigen Bestehen der Klinik für Handchirurgie Bad Neustadt. Anlässlich der abendlichen Feier wurde nachträglich der 60. Geburtstag von Bernd Landsleitner gewürdigt. Man konnte seine Freude über die vorgetragenen Ehrungen deutlich spüren. Bereits wenige Wochen später musste er sich wegen einer schweren Erkrankung in Behandlung begeben. Hinzu kamen im weiteren Verlauf zwei Schlaganfälle, von denen er sich nicht mehr erholte.

Die Klinik für Handchirurgie, die jetzigen und die ehemaligen Mitarbeiter und alle Kollegen verlieren mit Bernd Landsleitner einen Kollegen und auch Kameraden, der mit voller Hingabe Handchirurg war, die Handchirurgie bereicherte und seinen Mitarbeitern mit seinem überaus bescheidenen Wesen stets Vorbild war und sein wird. Es war seine Devise, das Wohl der Patienten über alles andere zu stellen, insbesondere über die Hervorhebung seiner eigenen Person. Wir alle werden ihn nicht vergessen.

Ulrich Bartelmann, Regensburg

Karlheinz Kalb, Bad Neustadt/Saale

Dr. med. Ulrich Bartelmann

Ludwigstraße 8

93047 Regensburg

Email: bartelmann@nexgo.de

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