Handchir Mikrochir Plast Chir 2002; 34(2): 73-74
DOI: 10.1055/s-2002-32300
Laudatio

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Georg Zeumer zum 80. Geburtstag

Georg Zeumer to His 80th BirthdayDieter Buck-Gramcko
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Publication Date:
19 June 2002 (online)

Der 80. Geburtstag des Ehrenmitgliedes der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie (DGH) und somit auch der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Handchirurgie (DAH) Professor Georg Zeumer gibt Gelegenheit nicht nur zu einer Laudatio, sondern damit auch, ähnlich wie bei Professor Leni Büchter im Vorjahr (siehe Jahrgang 33, Seite 5 und 6), vor allem den jüngeren Kollegen etwas über die Verhältnisse in der damaligen DDR zu vermitteln.

Georg Zeumer wurde am 6. Juli 1922 als erstes von zwei Kindern des Kürschnermeisters Ernst Zeumer und seiner Ehefrau Henriette in Leipzig geboren. Trotz der wirtschaftlich und politisch bewegten Zeit verlebte er dort seine Kindheit und Schulzeit in familiärer Geborgenheit; die Ferien verbrachte er meist in Belgien, der Heimat seiner Mutter. Nach der Reifeprüfung 1941 wurde er sogleich zum obligaten Arbeitsdienst eingezogen, den er zum Teil in der damals von der deutschen Wehrmacht besetzten Ukraine ableistete. Das an der Universität Leipzig begonnene Medizinstudium wurde bald durch die Einberufung zur Wehrmacht unterbrochen. Es konnte jedoch für ein weiteres Semester fortgesetzt werden, als er nach einer Verwundung an der Ostfront und einer Fleckfieber-Erkrankung zum Weiterstudium freigestellt wurde. Nach zwei weiteren Verwundungen geriet er bei Kriegsende 1945 in sowjetische Gefangenschaft, der er jedoch bald entfliehen konnte. Er geriet in englische Internierung und fand in einem deutschen Hilfslazarett in Carolinensiel eine Tätigkeit als Operationshelfer. Nach der Entlassung im Dezember 1945 kehrte er nach Leipzig zurück. Einem im Hause der Eltern einquartierten sowjetischen Kapitän verdankte er es, dass der sowjetische Geheimdienst ihn unbehelligt ließ.

Das Medizinstudium konnte Georg Zeumer bereits im März 1946 in Leipzig fortsetzen und Ende 1949 mit Staatsexamen und Promotion abschließen. Bereits 1947 hatte er Eleonore Thierschmann geheiratet, mit der er eine Tochter und drei Söhne hat; alle sind sie Ärzte geworden. Dankbar stellt Georg Zeumer heute fest, dass er den Freiraum für die beruflichen Belange und wissenschaftlichen Tätigkeiten dem stillen Wirken und der selbstlosen Unterstützung seiner Frau verdankt.

Seine ärztliche Tätigkeit begann Georg Zeumer im Januar 1950 am damaligen Chirurgisch-Poliklinischen Institut der Universität Leipzig unter Prof. Erich Sonntag und Prof. Herbert Uebermuth. Unter dem danach folgenden Chef, Prof. Erich Wachs, wurde er im Mai 1953 zum Oberarzt ernannt; seit 1954 hielt er regelmäßig Vorlesungen und leitete Seminare. Die Anerkennung als Facharzt für Chirurgie erfolgte im Juni 1956. Ende 1959 wechselte er zur Chirurgischen Universitätsklinik Leipzig und war dort unter Prof. Herbert Uebermuth bis 1967 als klinischer Oberarzt in verschiedenen Spezialgebieten, besonders der Traumatologie, tätig, wozu ihn das von seinen drei hervorragenden Lehrmeistern Erlernte befähigte. Nach tierexperimentellen Arbeiten zum Gleitproblem und zur nahtlosen Rekonstruktion durchtrennter Sehnen habilitierte er sich 1964 und wurde 1965 zum Dozenten ernannt.

Da man ihm als parteilich Ungebundenem zu verstehen gab, dass er an keiner Universität der DDR Aussicht auf eine Berufung hätte, bewarb Georg Zeumer sich um die Leitung der Chirurgischen Abteilung am Kreiskrankenhaus Grimma. Er wurde im Mai 1967 dazu gewählt; mit dieser Position waren gleichzeitig die Aufgaben des Ärztlichen Direktors verbunden. Seine Vorlesungstätigkeit an der Universität Leipzig konnte er weiterhin wahrnehmen.

Auf wissenschaftlichem Gebiet hat Georg Zeumer 45 Arbeiten in Zeitschriften und Buchbeiträge verfasst. Besonders bekannt wurde seine Monographie „Praxis der Handchirurgie“, die in drei Auflagen im J. A. Barth Verlag erschienen ist; dafür wurde ihm 1974 der Preis für Literatur der Gesellschaft für klinische Medizin verliehen. Er gehörte den Arbeitsgemeinschaften für Handchirurgie und für operative Knochenbruchbehandlung in der Sektion Chirurgie der Gesellschaft für klinische Medizin an. Für seine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit in der Krankentransportkommission des Deutschen Roten Kreuzes erhielt er das DRK-Ehrenzeichen in Gold. Seine ärztliche Tätigkeit wurde gewürdigt durch die Verleihung der Hufeland-Medaille in Gold (1978) und der Titel Medizinalrat (1969) und Obermedizinalrat (1983). 1981 wurde er zum Honorarprofessor der Universität Leipzig berufen. Obwohl 1988 in den Ruhestand getreten, arbeitete er von 1990 bis 1998 noch als Vertragsarzt für das Gebiet Handchirurgie weiter am Kreiskrankenhaus Grimma.

Die politischen Verhältnisse in der DDR berührten vielfach das ärztliche Tun von Georg Zeumer. Während des missglückten Aufstandes vom 17. Juni 1953 versorgten er und andere Ärzte bei Ausgangssperre die verwundeten Arbeiter und meldeten nicht diejenigen mit Schussverletzungen, wie es angeordnet war. Mehreren Leichtverletzten ermöglichte er die Flucht in das noch offene Berlin, bevor am nächsten Morgen die Ermittlungsbeamten die Krankensäle durchkämmten. Einem Kollegen, der einen Antrag auf Ausreise aus der DDR gestellt hatte, schrieb er trotz ausdrücklichem Verbot ein fachliches Zeugnis. Georg Zeumer nahm den Stenogrammblock abends mit nach Hause, so dass der für die Stasi arbeitende und auf ihn angesetzte Kollege nichts finden konnte, als dieser dann den Papierkorb durchsuchte. Dieses erfuhr er ebenso aus seiner später eingesehenen Personalakte wie die Angabe, dass ihm als Parteilosen und „Abkömmling liberaler Kreise“ weder Reisen noch Kongressbesuche in „nicht-sozialistische Länder“ gestattet werden durften. So wurde es ihm auch versagt, zur Beerdigung seines Vaters nach Westdeutschland zu fahren, obwohl dieser „legal“ ausgereist war. Bei vielen Gelegenheiten widersetzte sich Georg Zeumer den allgemeinen oder speziell an ihn gerichteten Anordnungen. Eine Erklärung, dass er unbehelligt blieb, mag die Aussage der Witwe des ersten Sekretärs der SED-Kreisleitung Grimma, der sein langjähriger Patient gewesen war, geben, die nach der Wende ihm sagte: „Wenn Sie wüssten, wie oft mein Mann die Hände über Sie gehalten hat. Sie wären sonst längst in Bautzen gelandet!“

Die politische Wende, die Georg Zeumer mit Frau und Kindern bei den Montags-Demonstrationen in Leipzig aktiv miterlebt hat, brachte ihm und seiner Familie die persönliche Freiheit. Er schreibt rückblickend: „Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, Märtyrer zu sein, merken aber doch bei der Erinnerung, oft große Angst gehabt zu haben. Deshalb verstehen wir keinen, der mit der Einheit unzufrieden ist.“

Das Ehepaar Zeumer lebt seit 1947 auf dem vom Vater ererbten 20 000 m2 großen Grundstück am Muldenhang in Grimma. Das jetzige Haus wurde in vielen Phasen in ständigen Renovierungen und Erweiterungen erstellt und gut bewohnbar gemacht. Garten und Wald machen genügend Arbeit für das Rentnerehepaar, das ansonsten die kulturellen Veranstaltungen Leipzigs genießt. Als regelmäßige Besucher der Gewandhaus-Konzerte war es ein besonderes Erlebnis, im August 1995 von Prof. Kurt Masur persönlich als sechsmillionster Besucher nach der Wiedereröffnung begrüßt zu werden.

Wir wünschen unserem Ehrenmitglied zu seinem Geburtstag alles Gute und senden unsere besten Wünsche nach Grimma.

Dieter Buck-Gramcko, Hamburg

Prof. Dr. med Dieter Buck-Gramcko

Am Heesen 14 A

21033 Hamburg

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