Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(24): 1337-1340
DOI: 10.1055/s-2002-32194
Übersichten
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Qualitätsmanagement in der Krankenhaushygiene

Quality management in hospital hygieneS. Schulz-Stübner
  • 1Beratungszentrum für Hygiene, BZH GmbH (Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. med. F.D.Daschner), Freiburg i. Br.
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Publication History

15.2.2002

18.4.2002

Publication Date:
13 June 2002 (online)

Das Sozialgesetzbuch (SGB) 5 verpflichtet im § 135a die Leistungserbringer im Gesundheitswesen zur Qualitätssicherung. In § 137 droht der Gesetzgeber Vergütungsabschläge bei Nichterfüllung der internen und externen Qualitätssicherung an. Diese rechtlichen Bestimmungen haben in den vergangenen Jahren in Krankenhäusern und Praxen zur Suche nach praktikablen Qualitätsmanagementsystemen geführt.

Die Krankenhaushygiene ist dabei als Querschnittsfach schon von jeher prozess- und ablaufbezogen ausgerichtet. So finden sich z. B. in den so genannten Hygieneplänen zahlreiche Beschreibungen von Arbeitsabläufen, die entweder als Keimzelle zum Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems genutzt werden können, oder aber problemlos in ein solches zu integrieren sind.

Dabei ist zu beachten, dass derartige Hygienepläne z. B. explizit im Infektionsschutzgesetz (IfSG) und im Transfusionsgesetz (TFG) gefordert werden [12] [15]. In den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten ist darüber hinaus das explizite Vorhandensein eines Qualitätssicherungshandbuches mit detaillierten Beschreibungen der wesentlichen Abläufe beim Umgang mit Blutprodukten gefordert.

Ziel eines jeden Qualitätsmanagementsystems muss es daher sein, die vielfältigen Dokumentationsanforderungen in einem integrierten System zusammenzufassen, welches allen gesetzlichen Anforderungen gerecht wird und darüber hinaus für den Anwender in der Praxis sinnvoll zu nutzen ist. Im Folgenden sollen die wesentlichen Elemente der zur Zeit gängigen Qualitätsmanagementsysteme diskutiert und Vorschläge für die Einbeziehung der Krankenhaushygiene gemacht werden, wobei Badura noch 1999 schätzte, dass nur gut 20 % der medizinischen Lehrmeinungen systematisch evaluiert seien [3].

Die Grundsätze der „Evidenced-based Medicine” haben inzwischen jedoch auch in die allgemeinen Richtlinien für Krankenhaushygiene des Robert Koch-Institutes Einzug gehalten und werden in einschlägigen Publikationen angewandt [9] [11].

Vor Einführung eines Qualitätsmanagementsystemes in die klinische Praxis müssen zunächst die wesentlichen Definitionen des Qualitätsbegriffes geklärt und ihre Tauglichkeit für den Gesundheitsbereich geprüft werden [1]. Die Deutsche Gesellschaft für Qualität definierte 1992 Qualität als die Beschaffenheit einer Einheit bezüglich ihrer Eignung bestehender Forderungen zu erfüllen. Entscheidend sei dabei, die Qualitätsanforderung eindeutig zu definieren. Erst dann könne die tatsächlich vorhandene Qualität gemessen werden [6].

Eine etwas anschaulichere Übersetzung dieser Definition könnte demnach lauten, dass Qualität die Differenz zwischen einem Soll- und einem Ist-Zustand ist, wobei das Soll vom Kunden definiert wird. Diese zweite Definition rückt gleichzeitig den Kundenbegriff, der aus seinem industriellen Ursprung häufig nur schwer in das Gesundheitswesen zu übertragen ist, in den Vordergrund.

Um das gesetzte Qualitätsziel schließlich zu erreichen, bedarf es einer gesicherten Strukturqualität, die Infrastruktur und Ressourcen umfasst. Daneben spielt die Prozessqualität, d. h. die logisch aufeinanderfolgender Reihe wiederkehrender Handlungen mit messbarer Eingabe, messbarem Wertzuwachs und messbarer Ausgabe eine entscheidende Rolle. Zu den Kernprozessen im medizinischen Bereich gehören z. B. die Diagnosestellung, die Therapieplanung und Durchführung sowie die Pflege. Zu den wesentlichen Nebenprozessen gehört der Querschnittsbereich der Krankenhaushygiene, die Verpflegung von Personal und Patienten, die Apotheke und etwa die seelsorgerische Betreuung. Zu den reinen Unterstützungsprozessen, d. h. den Prozessen ohne direkten Patientenbezug, zählen die Verwaltungsaufgaben, die elektronische Datenverarbeitung und ähnliches.

Unter der Ergebnisqualität versteht man schlussendlich die objektive Veränderung des Prozessgegenstandes (im medizinischen Bereich des Gesundheitszustandes des Patienten), aber auch die subjektive Zufriedenheit des Kunden (Patienten) und der Mitarbeiter. Diese ist im Prinzip nur durch externe Qualitätssicherungsmaßnahmen sicher zu beurteilen.

Besonders wichtig erscheint im medizinischen Bereich eine Unterteilung in „Muss-Qualität” der medizinischen Leistung (diese fällt erst dann auf, wenn sie fehlt) und in „attraktive Qualität” der medizinischen Einrichtung (diese fällt auf, wenn sie angeboten wird).

Während die Muss-Qualität gemeinhin von den Patienten vorausgesetzt wird, ist die attraktive Qualität ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor der Einrichtungen im Gesundheitswesen in der Zukunft.

Das Qualitätsmodell nach Donabedian (Abb. [1] ) fasst die ineinandergreifenden „Qualitäten” zusammen.

Unter einem Qualitätsmanagementsystem versteht man gemäß DIN EN ISO 9000.2000 schließlich die Organisationsstruktur, Verantwortlichkeiten, Verfahren, Prozesse und erforderlichen Mittel für die Verwirklichung des Qualitätsmanagements [4]. Das Qualitätsmanagementsystem ist demnach immer ein Mittel zum Zweck und darf auf keinen Fall Selbstzweck werden!

„Total Quality Management” (TQM) wird in der gleichen DIN EN ISO-Norm als eine Führungsmethode definiert, die alle Mitarbeiter einbezieht, Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Kundenorientierung langfristig den Geschäftserfolg sichert und dabei Nutzen sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Gesellschaft erbringt. Diese Definition zeigt noch deutlich die Ursprünge aus dem industriellen Bereich.

Grundsätzlich werden dabei in der Normensprache Produktnormen, d. h. solche, die die Einheitlichkeit eines bestimmten Produktes gewährleisten sollen, Verfahrensnormen, die z. B. technische Regelverfahren standardisieren und Organisationsnormen, die komplexe organisatorische Abläufe regeln, unterschieden.

Für den medizinischen Bereich kommen letzten Endes nur die Verfahrensnormen, z. B. im Bereich der Laboratoriumsmedizin und die Organisationsnormen für das Gesamtgebilde Krankenhaus in Frage.

Abb. 1 Qualitätsmodell nach Donabedian.

Eine der am häufigsten angewendeten Normen ist die DIN EN ISO 9001.2000 [5], die das Qualitätsmanagement in vier Hauptabschnitte einteilt. Diese Hauptabschnitte beinhalten die Verantwortung der Leitung, das Ressourcenmanagement, die Produktrealisierung (im medizinischen Bereich die eigentliche ärztliche und pflegerische Leistung am Patienten) sowie die Messung, Analyse und Implementation eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP). Die Zertifizierung, die bei der DIN EN 9001.2000 durch ein externes Zertifizierungsaudit erfolgt, garantiert eine gewisse Transparenz der Abläufe mit festgelegten Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten, Funktions- und Organisationsabläufen, Dokumentenlenkung und Kosten-analyse. Sie kann der Motivation der Mitarbeiter dienen und gleichzeitig als Werbemittel nach außen eingesetzt werden.

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) ist ein weiteres charakteristisches Element nahezu aller Qualitätsmanagementsysteme. Der so genannte Demming-Zyklus (Abb. [2] ) fasst diesen Prozess unter den plakativen Begriffen „Plan-Do-Check-Act” zusammen. Dies heißt nichts anderes als eine kontinuierliche Selbstreflexion der Abläufe innerhalb der Klinik und eine stetige Aktualisierung der entsprechenden Dokumentation. Der Begriff der Dokumentation im Qualitätsmanagement unterscheidet sich dabei wesentlich von dem im ärztlichen und pflegerischen Alltag gebräuchlichen Begriff Dokumentation. Die Dokumentation im Qualitätsmanagement bedeutet die Festlegung von Strukturen, Abläufen und Beschreibung der bestehenden Organisation. Der Nachweis der Einhaltung dieser Abläufe erfolgt durch so genannte Aufzeichnungen. Beispiele für Aufzeichnungen wären ausgefüllte Checklisten, die Durchführung von mikrobiologischen Überprüfungen des Sterilisationsergebnisses oder die Protokollierung der Ergebnisse von Hygienebegehungen oder internen Audits.

Abb. 2 Gemeinsamer Nenner aller Qualitätsmanagementsysteme.

Weniger ein Managementsystem im engeren Sinn als vielmehr ein Bewertungssystem stellt das KTQ®-Modell der Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus dar. Ab 01.01.2002 ist das KTQ®-Zertifizierungsmodell mit dem KTQ®-Manual 4.0 in den Routinebetrieb überführt worden. Die wesentlichen Kriterien des KTQ®-Kataloges sind die Patientenorientierung bei der Aufnahme, während der Behandlung und bei der Entlassung, die Mitarbeiterorientierung (insbesondere ihre Einbeziehung in die Planung und Entwicklung), die Sicherheit (hier vor allem der Arbeitsschutz und die Hygiene), das Informationswesen (Datenschutz, Umgang mit Patientendaten und elektronische Datenverarbeitung), die Krankenhausführung (hier vor allem Entwicklung des Leitbildes und Festsetzung der Qualitätsziele) und das Qualitätsmanagement als solches. Das Vorgehen bei der Zertifizierung nach KTQ® unterscheidet sich von der ISO 9001.2000 durch eine strukturierte Selbstbewertung und Vorbereitung der jeweiligen Einrichtung. Im Anschluss an die Selbstbewertung erfolgt eine Fremdbewertung durch beruflich aktive Visitoren (je ein Arzt, eine Pflegekraft und ein Verwaltungsfachmann in leitender Position), die durch die KTQ entsprechend geschult wurden. Durch Einbindung externer Leistungsvergleiche ist ein Benchmarking-Prozess geplant. Die Zertifizierung erfolgt schließlich nach dem Votum der Visitoren durch eine unabhängige Zertifizierungsstelle mit einer Gültigkeit von 3 Jahren.

Ebenfalls aus einer Kombination von Selbst- und Fremdbewertung beruht das EFQM-Modell der European Foundation of Quality Management. Bewertet werden nach dem so genannten „Radarprinzip” die R esults (Ergebnisziele), der Approach (das Vorgehen und die strategische Planung), das Deployment (die Umsetzung und die Prozesse) sowie die Punkte Assessment und R eview (d. h. die systematische Bewertung, das Lernen und das Verbessern innerhalb der Einrichtung). Grundlage für die EFQM-Bewertung ist ein Qualitätsbericht, der in Form der Selbstbewertung durch die jeweilige Einrichtung vorgelegt wird. Im Rahmen der Teilnahme am Wettbewerb, z. B. um den Ludwig-Erhard-Preis, erfolgt eine Fremdbewertung durch EFQM-Assessoren.

kurzgefasst: Gemeinsamer Nenner der meisten Qualitätsmanagementsysteme ist der kontinuierliche Verbesserungsprozess und die systematische Analyse, Bewertung und Bearbeitung von Fehlern und Fehlermöglichkeiten. Im Medizinischen Bereich werden dabei überwiegend die ISO 9001.2000, KTQ® (beide mit externer Zertifizierung) und das EFQM-Modell (primär Selbstbewertung, ggf. sekundäre Fremdbewertung) angewandt.

Literatur

  • 1 Arndt H. Qualitätssicherung. Schattauer, Stuttgart In: Schulz-Stübner S, Schmutzler-Baas A (Hrsg.) Neurochirurgische Intensivmedizin 2001: 226-233
  • 2 Avom J, Solomon D H. Cultural and economic factors that (mis)shape antibiotic use: The nonpharmacologic basis of therapeutics.  Ann Intern Med. 2000;  133 128-135
  • 3 Badura B, Strodtholz S. Qualitätsförderung, Qualitätsforschung und Evaluation im Gesundheitswesen. Urban & Fischer, München In: Schwartz FW, Badura B, Leidl R, Raspe H, Siegrist J (Hrsg.) Das Public Health Buch 1999: 574-584
  • 4 Deutsches Institut für Normung .DIN EN ISO 9000.2000,. Beuth-Verlag, Berlin
  • 5 Deutsches Institut für Normung .DIN EN ISO 9001.2000. Beuth-Verlag, Berlin
  • 6 Eckmanns T, Rath A, Bräuer H, Daschner F, Rüden H, Gastmeier P. Compliance der Händedesinfektion auf Intensivstationen.  Dtsch Med Wochenschr. 2001;  126 745-749
  • 7 Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut . Surveillance nosokomialer Infektionen sowie die Erfassung von Erregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen.  Bundesgesundheitsbl. 2000;  43 887-890
  • 8 Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut . Ausbruchsmanagement und strukturiertes Vorgehen bei gehäuftem Auftreten nosokomialer Infektionen.  Bundesgesundheitsbl. 2002;  45 180-186
  • 9 Fitzner J, Kappstein I, Dziekan G, Gastmeier P, Daschner F, Rüden H. Hygienemaßnahmen bei Patienten mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA).  Dtsch Med Wochenschr. 2000;  125 368-371
  • 10 Gastmeier P, Sohr D, Gefffers C, Nassauer A, Daschner F, Rüden H. Are nosocomial infection rates in intensive care units a useful benchmark parameter?.  Infection. 2000;  28 346-350
  • 11 Hauer Th, Dziekan G, Rüden H, Blum H E, Daschner F. Sinnvolle und nicht sinnvolle Hygienemaßnahmen in der Inneren Medizin.  Dtsch Med Wochenschr. 2001;  126 83-88
  • 12 Infektionsschutzgesetz. Bundesgesetzblatt 2000 33: 1045ff
  • 13 John J F, Fishman N O. Programmatic role of infectious diseases physician in controlling antimicrobial costs in the hospital.  Clin Infect Dis. 1997;  24 471-485
  • 14 Lacour M, Dettenkofer M, Rüden H, Daschner F. Qualitätsmanagement in der Krankenhaushygiene.  Gesundh Ökon Qual Manag. 2001;  6 138-144
  • 15 Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie). Deutscher Ärzteverlag 2000
  • 16 Rüden H, Daschner F, Gastmeier P. Krankenhausinfektionen: Empfehlungen für das Qualitätsmanagement. Springer, Berlin 2000
  • 17 Rüden H, Daschner F. Nosokomiale Infektionen in Deutschland - Erfassung und Prävention (NIDEP-Studie); Teil 2: Studie zur Einführung eines Qualitätsmanagementprogrammes. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2000

Dr. med. Sebastian Schulz-Stübner, Assistant Professor 

Departement of Anesthesia, The University of Iowa Hospitals and Clinics

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