Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(10): 517-519
DOI: 10.1055/s-2002-20935
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Singen bei Asthma - schädigt Budenosid die Stimmbänder?

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Publikationsdatum:
11. März 2002 (online)

Frage: Ich betreue einen 28-jährigen Patienten mit einem exogen-allergischen Asthma (kein Anstrengungsasthma), der eine Gesangsausbildung absolviert. Er ist unter einer Therapie mit Budesonid 2 × 200 µg weitgehend beschwerdefrei, selten benötigt er zusätzlich Salbutamol.

1. Wie ist das Singen für einen Asthmatiker grundsätzlich einzuschätzen? Hätte man von einer Gesangsausbildung abraten müssen, oder überwiegen die positiven Aspekte?

2. Stellt das inhalierte Budesonid eine Gefahr für die Stimmbänder dar, z. B. durch Maskierung einer überforderungsbedingten Entzündung?

Antwort: Singen und Sprechen sind komplexe Vorgänge im Zusammenspiel von

Atmung (Lunge), Phonation (Stimmbänder) und Artikulation (Resonanzbildung) 1.

Bei der Ausatmung fungiert die Lunge als eine Art Blasebalg. Während ruhiger Atmung geschieht dies überwiegend passiv. Bei kräftiger Rede und beim Singen werden im Zusammenspiel von Lunge und Thorax zusätzliche aktive Ausatemkräfte mobilisiert. Der entscheidende Atemmuskel für das Singen ist das Zwerchfell. Es produziert einen kontrollierten Luftstrom zwischen den Stimmbändern. Bei Messungen am Kehlkopf eines gesunden Sängers wurden mittlere Atemströme von 0,4-0,6 l/s festgestellt. Die maximale Flussrate kann bei einem Asthmatiker in akuter Obstruktion und im Asthmaanfall auf 2 l/s ( = 120 l/min) sinken. Damit steht dem Asthmatiker noch eine ausreichende Reserve für die Phonation zur Verfügung. Der prominente Pneumologe Prof. Kummer, Wien, selbst ausgebildeter Opernsänger, bestätigt, dass man im akuten Asthmaanfall noch singen könne (F. Kummer, pers. Mitteilung 1999).

Die Phonation findet im Kehlkopf durch Oszillation der Stimmbänder statt. Die Tonhöhe hängt von der Zahl der Stimmlippenschwingungen pro Sekunde, diese wiederum von der anatomischen Beschaffenheit und der Spannung/Länge der Stimmlippen ab. Je gespannter die Stimmlippen mit den Stimmbändern sind, desto höher ist der Stimmklang. Sind die Schwingungsfähigkeit der Stimmlippen und/oder der Stimmlippenschluss behindert, führt dies zu Heiserkeit [2]. Da es sich bei Asthma bronchiale um eine Erkrankung der unteren, intrathorakalen Atemwege handelt, bleibt die Phonation unbeeinträchtigt. Somit hat Asthma bronchiale prinzipiell auch keine Auswirkungen auf das Singen, weil am Kehlkopf jederzeit die für Singen und Sprechen notwendige Mindestflussrate erreicht wird.

Ein Problem stellt allenfalls die verminderte Atemreserve bei Überblähung der Lunge dar, messbar an einer reduzierten Vitalkapazität und einem erhöhten Residualvolumen. Gelegentlich ergeben sich Probleme für den Sänger durch die Asthmatherapie: das Hauptmedikament des Asthma bronchiale, das inhalative Corticosteroid, führt in bis zu 21 % der Fälle zu Heiserkeit und zur Veränderung der Stimmlage [3] [4]. Um diese Nebenwirkung zu minimieren, sollen beim Sänger Pulverinhalatoren (z. B. Turbohaler) eingesetzt werden. Dabei atmet der Patient den Wirkstoff mit einem forcierten Einatemmanöver ein und die Stimmlippen öffnen sich reflektorisch. Infolge der dadurch verminderten Ablagerung des topischen Steroids auf den Stimmbändern kommt es seltener zu Heiserkeit [5].

Unter Beachtung einer adäquaten Therapie ist deshalb Ihrem 28-jährigen Patienten zu einer Gesangsausbildung grundsätzlich zuzuraten, sofern nicht ein schweres Asthma mit permanenter Lungenüberblähung und systemischer Steroidbedürftigkeit vorliegt.

Literatur

  • 1 Coblenzer H, Muhar F. Die Phonationsatmung.  Wien Klin Wochenschr. 1965;  48 945-953
  • 2 Cohn J R, Robert T. et al . Airway Reactivity Induced Reversible Voice Dysfunction in Singers.  Allergy and Asthma Proc. 1997;  18 1-5
  • 3 Matthys H. Können Pulverinhalatoren Treibgasdosieraerosole ersetzen?.  Atemw Lungen-krkh. 1994;  20 277-283
  • 4 Matthys H. Asthmatherapie mit topisch wirksamen Steroiden.  Internist. 1995;  36 1005-1009
  • 5 Selroos O, Backmann R. et al . Local side-effects during 4-year treatment with inhaled corticosteroids - a comparison between pressurized metered-dose inhalers and Turbohaler.  Allergy. 1994;  49 888-890

Dr. U. Sommerwerck
Prof. Dr. N Konietzko

Ärztlicher Direktor der Ruhrlandklinik, Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, Ruhrlandklinik Essen

Tüschener Weg 40

45239 Essen

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