Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(28/29): 834
DOI: 10.1055/s-2001-15725-2
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erwiderung

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Publication Date:
12 May 2004 (online)

Einstellungen und Meinungen von Ärztinnen und Ärzten zu unkonventionellen Heilmethoden in der Onkologie werden in der Literatur nur unzureichend beleuchtet. Insbesondere liegen keine Arbeiten aus Mitteleuropa vor, einem Bereich, in dem die Misteltherapie breite Anwendung findet. Im Rahmen eines größeren Gesamtprojektes sollte eine Querschnittstudie die Grundlage für weitere Untersuchungen zu diesem Thema bilden. Die Ergebnisse sind an anderer Stelle publiziert [2].

Tab. 1 Mittelwerte und Standardabweichungen sowie Medianwerte des von ärztlichen Anwendern geschätzten Therapieerfolges bei Anwendung unkonventioneller Heilmethoden allgemein (UKT) und Mistel. Komplette Remission (CR) Partielle Remission (PR) Stable Disease (SD), No Change (NC) Progress (PD) UKT Mistel UKT Mistel UKT Mistel UKT Mistel Mittelwert 8 6 15 15 38 35 36 47 Standardabweichung 12 13 10 14 23 26 28 35 Median 0 0 16 10 31 33 30 35

Die zur Diskussion stehende Arbeit [1] stellt eine Subanalyse mit einer unabhängigen Fragestellung dar und hatte zum Ziel, die Einschätzungen von niedergelassenen Ärzten zur Wirksamkeit unkonventioneller Heilmethoden, insbesondere der Behandlung mit Mistelextrakten näher zu beleuchten. Daten zur Effizienz und wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit der Misteltherapie und zum Nebenwirkungsspektrum (z. B. Förderung der Tumorproliferation durch Mistelextrakte) in Form prospektiver, randomisierter Studien liegen bis heute nicht vor. Im Wesentlichen wurde aus Untersuchungsbefunden in vitro oder im Tierversuch über die Wirkmechanismen der Misteltherapie in vivo beim Menschen spekuliert. Die in jüngster Zeit bekannt gewordenen, bisher unveröffentlichten Daten der Ca-ML-Studie stellen eine Ausnahme dar und lassen hoffen, dass zukünftig auch die weiteren Postulate zur Misteltherapie durch Fakten untermauert werden (die Studie ergab eine verbesserte Lebensqualität bei Behandlung mit Lektinol). Zur Beantwortung der Frage der Bedeutung von Antikörpern gegen Mistellektine gibt es ebenfalls keine Langzeituntersuchungen von Patienten mit und ohne Antikörper unter Berücksichtigung von Tumorentität, Stadium, Therapiedauer und Titern. Somit bleibt die Bedeutung dieser Antikörper ungeklärt.

In unserer Arbeit wurden keine Aussagen über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Misteltherapie gemacht. Sie spiegelt nur die geschätzte Wirksamkeit von Anwendern und Nichtanwendern als mögliche Motivation zur Anwendung wider. Die Gruppenbildung ist im Abschnitt Personen und Methodik anhand der Häufigkeit der Mistelanwendung beschrieben. Die Berücksichtigung der anderen Therapien war nicht Thema dieser Arbeit. Abb. 4 der Arbeit zeigt die subjektive Einschätzung des therapeutischen Nutzens auf die Tumorerkrankung. Der Mittelwert der Rate kompletter und partieller Remissionen bei Ärzten, die fast immer die Misteltherapie bei onkologischen Patienten einsetzen, liegt bei 6 % bzw. 15 %. Die Abkürzungen CR für Complete Remission, PR für Partial Remission, SD für Stable Disease und PD für Progressive Disease sind international gebräuchlich. Die folgende [Tab. 1] liefert die gewünschten Daten nach.

Wir stimmen Frau Stein zu, dass für die Analyse der Wirksamkeit konventioneller Therapieverfahren Art und Stadium der Tumoren bekannt sein müssen. Dies war auch nicht Thema dieser Arbeit. Sollte sich hier die Frage nach Gruppenunterschieden bezüglich der Zahl der betreuten onkologischen Patienten verbergen, können wir hinzufügen, dass sich die drei Gruppen (Nicht-Anwender, Misteltherapeuten, Anbieter sonstiger unkonventioneller Heilmethoden) in Bezug auf die Zahl der in einem Monat betreuten onkologischen Patienten nicht unterscheiden (Median 10, Spannweite 3 - 300).

Die Frage warum UKT-Anwender in 82,2 % und Misteltherapeuten nur in 65,7 % aus Überzeugung anwenden, ist ein Ergebnis dieser Arbeit und kann aus den vorliegenden Daten nicht hinreichend erklärt werden. Grundsätzlich lassen sich in der empirischen Forschung zwei Ansätze unterscheiden: der hypothesentestende und der hypothesengenerierende Ansatz. Beim hypothesengenerierenden Studienansatz können Fragen, die sich aus erstmals gezeigten Befunden ableiten, nicht beantwortet werden. So stellt die Tatsache, dass wir die Erfahrungen der Anbieter von unkonventioneller Heilmethoden, die zu einem hohen Prozentsatz unkonventionelle Heilmethoden aufgrund eigener Überzeugung einsetzen, nicht näher erläutern können, keinen Mangel dar. Die Beantwortung dieser und weiterer Fragen ist Aufgabe zukünftiger Studien mit hypothesentestendem Ansatz.

Literatur

  • 1 Münstedt K, Entezami A, Kullmer U. Onkologische Misteltherapie - zur Anwendung und Bewertung der Wirksamkeit durch Ärzte.  Dtsch Med Wschr. 2000;  125 1222-1226
  • 2 Münstedt K, Entezami A, Wartenberg A, Kullmer U. The attitudes of physicians and oncologists towards unconventional cancer therapies (UCT).  Eur J Cancer . 2000;  36 2090-2095

Privatdozent Dr. Karsten Münstedt

Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Philipps-Universität Marburg

Pilgrimstraße 3

35033 Marburg