Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(28/29): 831-832
DOI: 10.1055/s-2001-15700
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

ACE-Hemmer zur Therapie der Herzinsuffizienz bei Niereninsuffizienz

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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Frage: Bis zu welchem Kreatininwert ist bei Herzinsuffizienz und kompensierter Niereninsuffizienz ist der Einsatz eines ACE-Hemmers zu empfehlen? Nierenarterienstenosen sind ausgeschlossen.

Antwort: Die Abnahme der Pumpleistung des insuffizienten Herzens führt zu einer Aktivierung des sympathischen Nervensystems und des Renin-Angiotensin-Systems (RAAS). Angiotensin II, als Effektorsubstanz des RAAS, bewirkt durch Vasokonstriktion eine Erhöhung der linksventrikulären Nachlast sowie eine vermehrte Freisetzung von Aldosteron, was eine gesteigerte Wasserretention zur Folge hat. Darüberhinaus führt Angiotensin II zu einer vermehrten Freisetzung von kardialem Noradrenalin und fördert am Herzen und den Gefäßen strukturelle Umbauprozesse wie Hypertrophie und Fibrose. In der Therapie der Herzinsuffizienz nehmen Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE) Hemmer durch die wirkungsvolle Blockade des ACE, das die Synthese von Angiotensin I zu Angiotensin II vermittelt, eine herausragende Stellung ein, weil sie in der Lage sind, die Aktivierung des RAAS effektiv zu vermindern und die damit verbundene Progredienz der Herzinsuffizienz zu durchbrechen [1]. Große Therapiestudien belegen, dass ACE-Hemmer die Letalität der Patienten mit Herzinsuffizienz unabhängig von der kardialen Grundkrankheit (Ischämie oder DCM) hochsignifikant senken und die Symptomatik dieser Patienten entscheidend verbessern (CONSENSUS [2], SOLVD [3], AIRE [4], ATLAS [5], HOPE [6].

An der Niere wird der glomeruläre Blutfluss durch die Widerstandsverhältnisse im Vas afferens und efferens reguliert. Die Abnahme des Herzminutenvolumens führt im Rahmen der physiologischen Gegenregulation zu einer durch Angiotensin II am AT1-Rezeptor vermittelten Vasokonstriktion insbesondere in den efferenten Arteriolen, was einen Rückgang der glomerulären Filtrationsrate zur Folge hat. Da aber proportional der renale Blutfluß noch stärker absinkt, kommt es insgesamt zu einem Anstieg der glomerulären Filtrationsfraktion (Hyperfiltration). Daraus resultiert ein Anstieg der peritubulären Proteinkonzentration und eine Abnahme des postglomerulären hydrostatischen Drucks mit konsekutiv gesteigerter (passiver) proximal-tubulärer Natrium- und Wasserresorption. Darüberhinaus führt auch die direkte tubuläre Wirkung von Angiotensin II zu einer gesteigerten Natrium- und Wasserresorption.

Über die Verminderung der Vasokonstriktion an den Arteriolen der Niere und über die Verbesserung der kardialen Hämodynamik bewirken ACE-Hemmer eine Zunahme des renalen Blutflusses, die umso deutlicher ausfällt, je höher die Angiotensin II Aktivität ist. Da die Steigerung des glomerulären Blutflusses mit einer vergleichsweise geringeren Zunahme der glomerulären Filtrationsrate einhergeht, hat die ACE-Hemmung im allgemeinen eine Abnahme der glomerulären Filtrationsfraktion zur Folge. Die gleichzeitige Reduktion des Filtrationsdruckes durch überwiegende Dilatation am Vas efferens wirkt sich auf die Progression von glomerulären Nierenerkrankungen günstig aus, kann jedoch bei einzelnen Patienten zu einem Anstieg des Serum-Kreatinins führen. Besonders gefährdet sind Patienten mit reduziertem renalem Perfusionsdruck und maximal gesteigerter Plasma-Renin-Aktivität.

Tab. 1 Kreatinin-Anstieg unter ACE-Hemmer-Therapie in den großen internationalen Studien Studie Patienten (n) Therapie maximales Serum- Kreatinin bei Einschluss (mg/dl) Serum-Kreatinin-Anstieg, der zum Studienabbruch führte Abbruch wegen Kreatinin- Anstieg (%) CONSENSUS 253 Enalapril 20mg/d 3,4 Anstieg auf >3,4 mg/dl absolut 4,7 SOLVD 2569 Enalapril 20 mg/d 2,0 Anstieg auf >2,0 mg/dl absolut 10,7 AIRE 2006 Ramipril 10 mg/d lag im Ermessen des Arztes lag im Ermessen des Arztes 1,5 ATLAS 3164 Lisinopril 2,5-5 mg/d vs. 32,5-35 mg/d 2,5 Anstieg >1,0 mg/dl über den Ausgangswert 0,35

Betrachtet man die Ergebnisse der Therapiestudien unter dem Aspekt der Nieren-funktion, so waren die tolerierten Kreatinin-Obergrenzen bei Einschluß in die Studie sehr unterschiedlich. Der Anteil der Patienten, bei denen der ACE-Hemmer wegen einer Kreatininerhöhung abgesetzt werden mußte war jedoch vergleichsweise gering [Tab. 1]. Für die klinische Praxis sind in diesem Zusammenhang drei Aspekte von besonderer Bedeutung.

Ist das Serum-Kreatinin chronisch stabil erhöht (bis zu einem Wert von 2,0 - 2,5 mg/dl), kann eine Therapie mit ACE-Hemmern vorsichtig begonnen werden. Zeigt der Patient hingegen einen deutlichen Anstieg des Serum-Kreatinins innerhalb kurzer Zeit, dann muss zunächst diese Ursache geklärt und wenn möglich behoben werden (prärenales Nierenversagen durch exzessive Diuretikatherapie, nephrotoxische Medikamente, Nierenvenenthrombose etc.). Die Therapie mit ACE-Hemmern sollte einschleichend begonnen und je nach klinischer Verträglichkeit langsam gesteigert werden. Anfänglich sollten in kurzen Abständen Elektrolyte, Kreatinin, Blutbild, Blutdruck und Herzfrequenz kontrolliert werden. Ein Anstieg des Serum-Kreatinins um 30 % des Ausgangswertes ist durchaus tolerabel. Gegebenenfalls kann die Dosis reduziert, und nach Normalisierung der Retentionswerte erneut vorsichtig gesteigert werden. Häufig erlaubt die hämodynamische Stabilisierung des Patienten unter der hochdosierten Therapie mit ACE-Hemmern eine Reduktion der Diuretika-Dosis, was sich in der Regel günstig auf das Serum-Kreatinin auswirkt.

Die Angst vor Nebenwirkungen, in erster Linie Hypotonie und Nierenfunktionsstörungen, ist immer noch ein Grund dafür, dass ACE-Hemmer nicht oder nur in zu niedrigen Dosierungen eingesetzt werden. Die ATLAS Studie [5] hat jedoch gezeigt, dass die Rate relevanter Nierenfunktionsstörungen trotz höherer Dosierung des ACE-Hemmers nicht zunimmt.

Literatur

  • 1 Wagdi P. Praxisorientierte Diagnose, Behandlung und Prognosestellung bei chronischer Herzsinuffizienz.  Dtsch med Wschr. (1999);  124 291-295
  • 2 CONSENSUS Trial Study Group . Effects of enalapril on mortality in severe congestive heart failure.  New Engl J Med. (1987);  316 1429-1435
  • 3 SOLVD investigators . Effect of enalapril on survival in patients with reduced left ventricular ejection fractions and congestive heart failure.  New Engl J Med. (1991);  325 293-302
  • 4 AIRE study investigators . Effect of ramipril on mortality and morbidity of survivors of acute myocardial infarction with clinical evidence of heart failure.  Lancet. (1993);  342 821-828
  • 5 ATLAS study group . Comparative effects of low and high doses of the Angiotensin-Converting-Enzyme inhibitor, Lisinopril, on morbidity and mortality in chronic heart failure.  Circulation. (1999);  100 2312-2318
  • 6 HOPE study investigators . Effects of an angiotensin-converting-enzyme inhibitor, Ramipril, on cardiovascular events in high-risk patients.  New Engl J Med. (2000);  342 145-153

PD Dr. med Bernhard Schwaab
Prof. Dr. med Michael Böhm

Innere Medizin III, Universitätskliniken

66421 Homburg/Saar