Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2001; 36(6): 393-396
DOI: 10.1055/s-2001-14807
KONGRESSBERICHT
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bericht über das 28. Neonatal
und Infant Respiratory Symposium in Lake Tahoe, Nevada,
28. Februar bis 3. März 2001

28. Neonatal and Infant Resoiratory Symposium, Nevada, 2001: Congress ReportJ. Holzki
  • Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin,
    Kinderklinik der Stadt Köln, Köln
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Es ist erstaunlich, dass dieses Symposium über Jahrzehnte hinweg immer wieder neue Akzente im Hinblick auf die Beatmung des Kleinkindes zu setzen vermag. Durch die Einbindung der Grundlagenforschung in die Neugeborenenpulmologie sowie die pränatale Behandlung sind neue, wirksame Behandlungsstrategien aufgekommen, die zwar nicht zu so dramatischen Erfolgen geführt haben wie die Einführung des kontinuierlichen positiven Atemwegsdruckes (CPAP), aber die Entwicklung der Begriffe „Biotrauma” oder „Distal Tracheal Ventilation” zeigt eine neue Forschungsrichtung an, die uns wahrscheinlich bald in der Literatur regelmäßig begegnen wird. Gleichzeitig bedeutet diese Entwicklung eine Herausforderung für uns Anästhesisten, die Beatmung während der Narkose diesen neuen Gegebenheiten anzupassen. Haben sich doch viele Anästhesisten von der faszinierenden, dynamischen Entwicklung der Beatmungstechnik im frühen Kindesalter entfernt, weil die Beatmung mit geblockten Tuben und an Beatmungsgeräten eingestellten Volumina einfach ist und kurzfristig scheinbar keine dramatischen Nachteile auftreten. Eventuelle, oft schwer reversible Überblähungen oder die Folgen einer schädlichen Hyperventilation werden als Problem des Neonatologen und seiner Nachbehandlung angesehen. Die berechtigte Kritik an den insuffizienten Kenntnissen der Frühgeborenenbeatmung bei vielen Anästhesisten hat bereits dazu geführt, die Anästhesie bei der chirurgischen Versorgung sehr kleiner FG zu umgehen und Operationen auf den Stationen unter hohen Dosierungen von Opiaten und den Einsatz von Muskelrelaxantien durch den Neonatologen durchführen lassen.

E. Bancalari (Univ. Miami) fasste die Erfahrungen mit der synchronisierten Beatmung der letzten Jahre beim Frühgeborenen (FG) und Neugeborenen (NG) in einer Übersicht zusammen:

Die intermittierende positive Druckbeatmung (IMV) bleibt weiterhin die bedeutsamste Beatmungsmodalität beim FG und NG. Da diese Altersgruppe noch immer eine beträchtliche Lungenmorbidität entwickelt, wird ständig nach verbesserten Beatmungstechniken gesucht.

Jede Art von Triggerung der Beatmung durch den Patienten, die den Beatmungszyklus synchronisiert (S-IMV), scheint die Traumatisierung des Lungengewebes zu vermindern. Von allen Synchronisierungssignalen (Atemwegs- oder Ösophagusdruck, Thoraximpedanz, inspiratorischem Gasfluss oder inspiratorischem Volumen) hat sich die inspiratorisch-expiratorische Gasflussmessung mittels Pneumotachographen, die eine recht genaue Ermittlung des expiratorischen Volumens erlaubt, weitgehend durchgesetzt (z. B. Babylog 8000) und eine exaktere Beurteilung der Beatmung auch beim kleinsten FG ermöglicht.

Leider haben alle synchronisierten Beatmungsstrategien keinen durchschlagenden Erfolg bei der Verhinderung der bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) nach Langzeitbeatmung erbracht. Allerdings kämpfen die Kinder bei Einsatz der S-IMV weniger gegen den Respirator an, die Überwachungsalarme werden viel seltener ausgelöst und ersparen dem Personal unnötige Arbeit.

Erfolgversprechend scheint die proportional assistierte Ventilation (PAV) zu sein, die bisher aber nur in einer Studie in der Neonatologie untersucht wurde.

Die druckunterstützte Beatmung (PSV) wurde im Neugeborenenalter nur unzureichend untersucht und war nicht überzeugend. Besonders beim sehr kleiner FG ist die vermehrte Atemarbeit nicht zu unterschätzen, die durch alle Triggermechanismen verursacht wird. Dabei kommt es häufig zur Hyperventilation und zum air trapping, was die Vorteile der Synchonisierung wieder aufheben kann

U. Raj (Harbor Hospital, Torrance, Kalifornien) untersuchte das Thema: Mechanische Dehnung des Lungengewebes - wie viel ist zuviel?

Eine gewisser Dehnungsreiz, der auf die Lunge einwirkt ist nötig, damit ein geordnetes Lungenwachstum zustande kommt. Dies ist bei der Lungenhypoplasie bei der angeborenen Zwerchfellhernie gut untersucht worden. Die Überblähung der Lunge durch inadäquate Beatmungstechniken zeigt immer ein „Zuviel” an Dehnung an.

Im Laboratorium der Autorin wird seit Jahren versucht herauszufinden, wie die mechanische Dehnung der Bronchien und Alveolen in zelluläre Reaktionen umgesetzt wird.

Aus der Vielzahl der biochemischen Reaktionen, die bei diesem Prozess ablaufen, wurde nur das für den Kliniker relevante Wissen dargestellt.

Jede Gewebsüberdehnung führt zu einer nichtbakteriellen Entzündung, die ihrerseits nicht selektive Katecholamine, Gewebshormone und Zytokine freisetzt, die auf die Zellen des Lungengewebes und die extrazelluläre Matrix der Lunge einwirken. Dieser Prozess führt letztlich zu der gefürchteten chronischen Lungenveränderung, die als BPD bekannt ist.

Die Disruption der Integrität der Zellmembranen hat die nachhaltigsten, durch Zytokine vermittelten Gewebsveränderungen zur Folge und ist um so stärker ausgeprägt, je kleiner das Kind ist.

Ein definierter Dehnungsreiz auf das Lungengewebe eines FG von 1000 g hat eine völlig andere biochemische Antwort zur Folge als bei einem reifen NG! Um dieser bedeutsamen pathophysiologischen Gegebenheit Rechnung zu tragen, wurde der Begriff „Biotrauma” eingeführt, der durch die Induktion krankhaften Wachstums des Lungengewebes, vermittelt durch Zytokine, definiert ist. Dies besteht in der erhöhten Durchlässigkeit der Kapillaren, der Zunahme von interstitiellem Gewebe und bei längerer Einwirkung in einem Umbau des pulmonalen Gefäßbettes. Die Gabe von parenteralen oder inhalierten Steroiden vermindert die Schwere des Gewebsumbaus, führt aber zur Reduktion der endgültigen Alveolenzahl.

Die hyperkapnische Azidose verhindert die zytokinbedingte erhöhte Kapillarpermeabilität. Mit dieser Erkenntnis wird die häufig geübte permissive Hyperkapnie bei der Entwöhnung von der Beatmung wissenschaftlich gestützt.

T. Del Moral (Univ. Miami) berichtete über die pränatale Gabe von Steroiden bei drohender Frühgeburt anhand einer mehrere hundert Patienten umfassende Studie aus Mami: Wie aus zahlreichen Studien bekannt sanken beim antenatalen Einsatz von Betametason Mortalität und Morbidität der behandelten FG, inbesondere waren ein durchschnittlich erhöhter Apgar-Wert und eine signifikant verminderte Häufigkeit schwerer Hirnblutungen zu verzeichnen. Gewissenmaßen als Preis für diese Verbesserung der postnatalen frühgeburtlichen Störungen wird mit einem Anstieg der Retinopathie und damit von Erblindungen bei FG < 750 g bezahlt. Die Häufigkeit der nekrotisierenden Enterokolitis verändert sich nicht, die neurologischen Endresultate scheinen etwas verbessert. Die BPD wird von der antenatalen Steroidgabe nicht beeinflusst. Unzulässig häufige Steroidgaben vor der Geburt führen zu verlangsamter Hirnentwicklung.

Ph. Shaul (Univ. Texas, Dallas) berichtete in einer Sequenz von 5 Vorträgen über die Zusammenhänge von Östrogenen und der Entstehung von Stickstoff Monoxyd (NO):

Östrogene haben einen deutlichen Effekt auf die NO-Synthetase (NOS), das entscheidende, NO-produzierende Hormon. Dieses wird vor allem im Endothel, aber auch in Neuronen und in Makrophagen gefunden. Die Anwesenheit von NOS in den Lungenkapillaren ist die Voraussetzung, dass der Gasaustausch in der Lunge funktionieren kann.

Der externe Einsatz von NO scheint die NOS-Produktion zu vermindern. So kommt es nach Absetzen einer NO-Therapie zum reaktiven pulmonalen Hochdruck, der durch die Gabe von Viagra verhindert werden kann.

In Laborversuchen werden eine Reihe von Substanzen eingesetzt, die die pulmonale Perfusion besser regulieren als die bisherigen Medikamente. Angestrebt wird eine Genbehandlung, die die pulmonalen Zirkulation beeinflusst. Bisher sind solche Verfahren bei transgenen Mäusen angewandt worden.

A. Sola (Univ. Los Angeles) unterzog die Einflüsse üblicher Behandlungsmethoden einer neonatalen Intensivstation auf die neurophysiologische Entwicklung der Kinder einer kritischen Prüfung:

Die Ätiologie der geistigen Behinderung und speziell der periventrikulären Leukomalazie (PVL) ist wahrscheinlich multifaktoriell und geht teilweise auf erbliche, pränatale und perinatale Faktoren zurück, Trotz intensivster Forschungen wird in naher Zukunft keine neuroprotektive Strategie bei der Behandlung des FG zu erwarten sein.

Das Verstehen der Pathophysiologie der zunehmenden neurologischen Störungen (bei zunehmendem Überleben immer kleinerer FG!) wäre die Voraussetzung, protektive Maßnahmen zu entwickeln.

Das fehlende Wissen zur Entstehung neurologischer Störungen sollte uns nicht daran hindern, unsere Therapie auf schädigende Nebenwirkungen zu untersuchen, selbst wenn es sich „nur” um eine verlangsamte Auffassungsgabe, Konzentrations- oder Verhaltensstörungen handeln sollte.

Störungen durch freie O2Radikale können ein vorgeschädigtes Gehirn, besonders bei schnellem An- und Abfluten des Sauerstoffs, in seiner Entwicklung weiter behindern. Eisenhydroxyd, zur Eisensubstitution häufig eingesetzt, verschlimmert Hirnläsionen beim FG, daher sollte es vor der 6.-8. Lebenswoche nicht eingesetzt werden. Erytropoetin hingegen scheint durch die Ferritinabsenkung im Serum einen neuroprotektiven Effekt aufzuweisen. Zu hohe und zu tiefe PCO2-Werte sind für die Hirnperfusion ungünstig und scheinen bei pränataler Vorschädigung besonders nachteilig zu wirken. Deshalb kann die routinemäßige Hochfrequenzoszillation (HFO) für das FG und NG bisher auch nicht empfohlen werden (Bhuta und Henderson-Smarty). Mit zunehmender Häufigkeit der HFO nahm die Zahl der intrakraniellen Blutungen zu. Hohe PCO2-Werte sind dann besonders kritisch zu betrachten, wenn gleichzeitig intravasales Volumen und Katecholamine gegeben werden. Werte von 55 mm Hg sollten routinemäßig nicht überschritten werden. NO hat sich beim Durchbrechen einer pulmonalen Hypertension gut bewährt. Einflüsse auf bestehende Hirnläsionen beim FG sind schwer zu beurteilen. Muskelrelaxantien bei der Langzeitbeatmung des FG und NG sind praktisch vollständig außer Gebrauch, da sie erhebliche neuromuskuläre Störungen hervorrufen. Theophyllin und Coffein dringen leicht durch die Blut-Hirnschranke und haben zentral stimulierende Effekte, die zur früheren Entwöhnung von der Beatmung führen. Die Myelinisierung der Nervenfasem, das Wachstum und Aussprossen der Axone, evtl. die Lern- und Gedächtnisfunktion könnten dadurch beeinflusst werden. Langzeituntersuchungen dazu gibt es nicht. Coffeinkonsum während der Schwangerschaft hatte keine nachteiligen Wirkungen auf das NG. Postnatale Steroidgaben (0,5 mg/kg/d) haben einen nachhaltigen negativen Effekt auf die neurologische Entwicklung. Noch 2 Jahre nachher war eine reduzierte psychomotorische Entwicklung gegenüber unbehandelten FG zu erkennen.Indomethacin und lbuprofen haben nach dem Einsatz zum Verschluss des Ductus Botalli eine günstige Entwicklung auf die Hirnfunktion, indem intraventrikuläre Hirnblutungen abnehmen.Dopamine und Dobutamine scheinen keine ausgeprägten neurologischen Störungen hervorzurufen, besonders bei kurzfristigem Einsatz. Im Tierversuch wurden jedoch Störungen der Hirnperfusion und -oxygenation gesehen. Deshalb sollten diese Medikamente auch nur so lange wie nötig eingesetzt werden.Krampfanfälle sollten sofort, am günstigsten mit Phenobarbital oder Phenytoin behandelt werden. Übermäßige audiovisuelle und taktile Stimulationen sollten genau so wie Schmerzen vermieden werden. Die Verbesserung der neurologischen Entwicklung aufgrund einer optimalen Schmerzbekämpfung wurde eindrucksvoll durch Anand beschrieben. Eine große Bedeutung bei der Entstehung neurologischer Schäden kommt den Additiven der häufig verwendeten Medikamente zu. Benzylalkohol, der bei chronischer Anwendung beim FG zum „Schnappatmungssyndrom” führt, ist im Midazolam enthalten. Deshalb sollte Midazolam, das außerdem eine Osmolarität von ca. 2200 mosmol/L besitzt, beim FG nicht zur Langzeitanwendung kommen. Dexamethason und Betamethason unterscheiden sich nicht nur pharmakologisch sondern durch ihren Sulfitgehalt. Wird antenatal Dexamethason statt Betamethason gegeben, stieg die Rate an PVL an. Auch Dopamin enthält reichlich Sulfite. Prokinetische Medikamente wie Metoclopramid und Cisaprid sind auf ihre Langzeiteinwirkung auf die Hirnfunktion beim FG nicht untersucht.

Der gleiche Autor berichtete ebenfalls sehr kritisch über „Mythen bei der Anwendung von prophylaktischem CPAP und „sanfter”‘ Beatmung”.

Wird CPAP prophylaktisch angewandt, wird dies unmittelbar nach der Geburt ohne Rücksicht auf die aktuelle Atemfunktion unternommen.

Die Standardanwendung von CPAP sieht den Einsatz bei beginnenden Atemstörungen vor.

Überzeugende Argumente für den Einsatz von prophylaktischem CPAP können schwerlich in der Literatur gefunden werden:

Die meisten Befunde wurden retrospektiv erhoben, sehr kleine FG wurden häufig von den Untersuchungen ausgeschlossen oder in Gruppen mit älteren Kindern zusammengezählt. So berichtete Verder über FG der 25.-31 Gestationswoche mit einem Geburtsgewicht von durchschnittlich 1300 g. Die CPAP-Gruppe war eine Woche älter und ca. 100 g schwerer, 2 Patenten starben (6 %), 5 in der Kontrollgruppe (15 %). Dies ist verwunderlich, da der Krankheitsgrad beider Gruppen als nicht sehr schwer angegeben wurde und bei FG um 1300 g Geburtsgewicht die Mortalität bei nahezu 0 % liegen sollte.

Die einzige prospektive, randomisierte Studie zum Einsatz prophylaktischen CPAP’S ergab eine Tendenz zur vermehrten BPD und intrakraniellen Blutung in der behandelten Gruppe, allerdings in der Vor-Surfactant Ära.

In einer kürzlich durchgeführten, randomisierten, kontrollierten Studie wurde bei FG der 25. SSW, durchschnittlichem Gewicht von 800 g und schwerem Atemnotsyndrom (Katwinkel, 2000) entweder sofort Surfactant gegeben und beatmet oder die gleiche Therapie erst nach Auftreten von Zeichen der Ateminsuffizienz angesetzt. Beim frühen Einsatz der Therapie lag die Mortalität bei 22 %, bei späterem Einsatz bei 39 %. Insgesamt lag in dieser sehr frühreifen, schwerkranken Gruppierung die Mortalität genau so hoch wie in der Gruppe mit prophylaktischem CPAP, die durchschnittlich der 29. SSW angehörte und mehr als 1300 g wog. - Diese Überlegungen zeigen, dass es sehr schwer ist, Beatmungkollektive zu vergleichen und dass häufig die persönliche Meinung der Autoren wissenschaftlichen Argumenten nicht standhält.

Heute müsste eine Studie, die den Nutzen prophylaktischen CPAP’s nachweisen wollte, den Status der antenatalen Steroidgabe angeben und die FG nach postkonzeptionellen Wochen, Reifezeichen und pulmonalem Zustand genau charakterisieren ehe sie Therapieschemata zugeordnet würden.

Eine ähnliche Konfusion wie bei prophylaktischem CPAP liegt bei der Definition von sanfter Beatmung vor. Es ist gewiss sinnvoll, mit möglichst geringen Drücken zu beatmen. Dennoch ist es schwierig, eine Normoventilation zu erreichen, da besonders bei den FG <1000 g die PCO2- und PO2-Werte ständig schwanken und eine Hyperventilation genau wie eine Hypoventilation offensichtlich schädlich ist. Es ist einigermaßen als gesichert anzunehmen, dass der PCO2 die Grenzen zwischen 30 und 55 mm Hg langfristig nicht verlassen sollte. Eine Studie (Mariani) ergab, dass das Akzeptieren von PCO2-Werten über 55 mm Hg keine Verringerung der Beatmungsparameter im Vergleich zum Therapieziel PCO2 < 50 mm Hg zur Folge hatte. Eine Beatmungstechnik, bei der 40 % der NG einen Pneumothorax aufwiesen, kann kaum als Beispiel sanfter Ventilation angesehen werden, wie in der Literatur angegeben, Das Schlagwort „sanfte Beatmung” ist noch nicht gut definiert.

E. Bancalari berichtete über seinen Einblick in zukünftige Trends der Neugeborenenbeatmung und ihre Überwachung:

Durch die Einführung von Computersoftware in die neuen Beatmungsgeräte ist die technische Anpassungsfähigkeit an klinische Situationen nahezu ins Grenzenlose gestiegen. Ob diese vielen neuen Möglichkeiten für das FG und NG auch von Nutzen sind, ist noch fraglich. Vielversprechend sind neben der PAV, die oben abgehandelt wurde, die Erzwingung einer Volume Guarantee Ventilation (VGV) und als Überwachung die automatische FlO2-Kontrolle.

Der Mandatory Minute Ventilation (MMV) liegt das Konzept zugrunde, alle spontanen Atemhübe des Patienten zu messen und den Respirator nur in Aktion treten zu lassen, wenn ein vorher eingestelltes Minutenvolumen nicht erreicht wurde. Damit werden dem Patienten unnötige Respiratorzyklen erspart, sofern ein eigener Atemantrieb vorhanden ist. Dies System wurde beim FG und NG nur über kurze Zeiten eingesetzt.

Die VGV ist dadurch möglich geworden, dass die neueren Beatmungsgeräte die expiratorischen Zugvolumina, auch beim kleinen FG, recht genau messen können. Damit ist eine „volumenkontrollierte” Beatmung im wahren Sinne des Wortes möglich. Bisher wird unter volumenkontrollierter Beatmung die Applikation eines vorgegebenen Volumens am Respirator pro Atemzug verstanden, das vom behandelnden Arzt eingestellt wird. Wohin das applizierte Volumen dann gelangt, ob es die Beatmungsschläuche und Bronchien dilatiert oder vorwiegend in den Alveolen ankommt, bleibt unklar. Diese Beatmungsform ist wegen ihrer schlechten Ergebnisse praktisch aus der neonatalen Beatmung verschwunden. Um so wichtiger ist es, die neue Form der respiratorischen Volumenkontrolle zu definieren. Im Gegensatz zur MMV, die das Minutenvolumen registriert, kontrolliert die VGV das Volumen jeden Atemzugs und erhöht den Beatmungsdruck sofort, wenn das expiratorische Zugvolumen nicht erreicht wird. Diese Methode erspart dem Patienten, der den wesentlichen Teil seiner Atmung selbst schafft, eine Reihe von unnötigen Respiratorzyklen. Bei Apoen hingegen ergibt sich eine volumenüberwachte, kontrollierte Ventilation.

Alle erwähnten, neueren Beatmungsmodalitäten befinden sich noch im Experimentierstadium. Es ist noch nicht klar, ob sie nicht mit einer erhöhten Atemarbeit der Patienten einhergehen und wirklich die Morbidität verringern.

Die automatische Regulierung der ILO2 wird nach einem in Miami entwickelten Computeralgorhythmus klinisch eingesetzt. Regulator ist die peripher gemessene O2-Sättigung. Abfälle und Anstiege werden sofort erkannt und es wird über die Fraktion des inspirierten Sauerstoffs gegenreguliert. Dieses System kann über weite Strecken eine aufmerksame Schwester ersetzen.

Ganz neu in die Diskussion ist ein Beatmungssystem für sehr kleine FG gekommen. Da das Totraumproblem immer größer wird, je kleiner das Kind ist, wurde an die Spitze des Trachealtubus ein kontinuierlicher Gasfluss eingesetzt, der den anatomischen Totraum besser auswäscht. Damit soll eine Beatmung mit niedrigeren Drücken möglich sein. Bisher wurde diese „distal tracheal ventilation” nur im Tierexperiment untersucht und erscheint auch bei hypoplastischen Lungen vorteilhafter zu sein als die konventionellen Beatmungsmethoden. Dies kann nur durch gut geplante Studien beim Menschen verifiziert werden.

Dr. med. Josef Holzki

Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin
Kinderklinik der Stadt Köln

Amsterdamerstraße 59

50735 Köln

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