Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(22): 674
DOI: 10.1055/s-2001-14487
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Therapie der familiären Hypercholesterinämie

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Publication Date:
10 October 2002 (online)

Frage:Wie ist die aktuelle therapeutische Strategie bei der familiären Hypercholesterinämie ¿ speziell bei jüngeren »gesunden« Personen - festzulegen? Ist eine lebenslange Dauerbehandlung z.B mit den neueren Statinen indiziert und möglich? Kann eine intermittierende Behandlung sinnvoll sein? Ist eine bessere Lösung in der Zukunft durch eventuelle Gentherapie zu erwarten? Die Divergenz der Meinungen zu diesem Thema ist relativ groß.

Antwort: Die Tatsache eines erhöhten Herzinfarktrisikos durch hohe LDL-Cholesterin und niedrige HDL-Cholesterin-konzentrationen im Plasma wurde in zahlreichen unabhängigen Studien rund um den Erdball bewiesen. In einer neueren Beobachtungsstudie an über 80 000 jüngeren Männern während 16 - 34 Jahren konnte gezeigt werden, dass Personen mit niedrigem Plasmacholesterin eine um 3,8 - 8,7 Jahre größere Lebenserwartung haben als Personen mit hohem Plasmacholesterin [1]. Bereits seit Jahren ist bekannt, dass das Herzinfarktrisiko bei der familiären Hypercholesterinämie im Vergleich zu den anderen sporadischen Hypercholesterinämien größer ist. Wenn eine Hypercholesterinämie behandelt werden muss, so ist es die familiäre Form.

Nach dem heutigen Stand der Kenntnisse ist der Umbau der Gefäßwand der Koronarien in Richtung auf eine Koronarsklerose bereits im ersten Lebensjahrzehnt nachweisbar und erreicht zu Beginn des Erwachsenenalters ein Entwicklungsstadium, das nicht mehr ganz rückbildungsfähig ist. Neueste Studien weisen sogar darauf hin, dass sich eine Hypercholesterinämie der Mutter bereits während der Schwangerschaft auf die frühe Arteriosklerose der Koronargefäße beim Neugeborenen auswirkt [2]. Daraus kann man nur den Schluss ziehen, dass eine Hypercholesterinämie, sobald sie entdeckt ist, möglichst frühzeitig und wirksam behandelt werden muss, um die Entwicklung einer vorzeitigen Arteriosklerose zu bremsen.

Die Behandlung der familiären Hypercholesterinämie besteht heute in einer Umstellung der Lebensweise einschließlich vollwertiger Ernährung und erhöhter körperliche Aktivität sowie der Arzneimitteltherapie. Die Ernährungstherapie beinhaltet nicht nur Maßnahmen zur Senkung erhöhter LDL-Cholesterin-Konzentrationen wie weniger gesättigte Fettsäuren und mehr mehrfach ungesättigte Fettsäuren, sondern vor allem auch die erhöhte Zufuhr von w-3 Fettsäuren, Ballaststoffen, antioxidativ wirksamen Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen. Nicht nur die Wirksamkeit einer fettmodifizierten Diät sondern auch die der weiteren koronarprotektiv wirksamen Substanzen in der Nahrung ist in epidemiologischen Untersuchungen bewiesen. Diese zusätzlichen günstigen Wirkungen sollten den Patienten mit einer familiären Hypercholesterinämie durch eine vollwertige Ernährung zugute kommen.

Als Arzneimittel der Wahl sind heute bei der heterozygoten Form der familiären Hypercholesterinämie die Statine anerkannt [3]. Fünf große Untersuchungen von durchschnittlich 5,4 Jahren Dauer an über 30 000 Patienten haben bewiesen, dass Statine sowohl in der primären Prävention (Patienten mit Hypercholesterinämie ohne klinische Zeichen einer Koronarsklerose) wie auch in der sekundären Prävention (Patienten mit vorausgegangenem Herzinfarkt) das Risiko eines Herzinfarkts signifikant senken [4].

Daraus folgt, dass bei einem Patienten mit der heterozygoten Form einer familiären Hypercholesterinämie zunächst eine Umstellung der Lebensweise mit Ernährungstherapie und angemessener körperlicher Aktivität (trainiert Herz und Kreislauf sowie den Stoffwechsel) durchgeführt werden muss. Erreicht man damit keine Normalisierung der Cholesterinwerte, so muss zusätzlich eine Dauertherapie mit Statinen eingeleitet werden. Bei der homozygoten Form der familiären Hypercholesterinämie muss Plasmapherese durchgeführt werden.

Von einer intermittierenden Behandlung ist nichts zu halten, da eine protektive Wirkung nur so lange zu erwarten ist, wie das Arzneimittel eingenommen wird. Bei Unterbrechungen dieser Therapie geht inzwischen gewonnener wertvoller Boden wieder verloren. Die familiäre Hypercholesterinämie ist eine lebenslange Erbkrankheit und muss zur Besserung der schlechten Koronarprognose von Jugend an wirksam und ohne Unterbrechungen behandelt werden.

Eine bessere Lösung ist vorerst auch nicht von der Gentherapie in Sicht. Es gibt zwar Versuche, bei der sehr schweren homozygoten Form der familiären Hypercholesterinämie mit Hilfe der Molekularbiologie bessere Lösungen zu erarbeiten. Diese Versuche sind aber von einer Praxisreife noch weit entfernt, sodass es sicher nicht zu verantworten ist, eine derzeit mögliche wirksame Therapie zu unterbrechen, in der Hoffnung, dass irgendwann in der Zukunft Gentherapie eventuell einsetzbar sein wird.

Literatur

  • 1 Stamler J. et al. . Relationship of Baseline Serum Cholesterol Levels in 3 Large Cohorts of Younger Men to Long-term Coronary, Cardiovascular, and All-Cause Mortality and to Longevity.   JAMA. 2000;  284 311-318
  • 2 Napoli C. et al. . Influence of maternal hypercholesterolaemia during pregnancy on progression of early atherosclerotic lesions in childhood: Fate of Early Lesions in Children (FELIC) study.  Lancet. 1999;  354 1234-1241
  • 3 Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. . Handlungsleitlinie ¿ Fettstoffwechselstörungen.  Z ärztl Fortbild Qual sich (ZaeFQ). 2000;  94 61-64
  • 4 LaRosa J C. et al. . Effect of Statins on Risk of Coronary Disease.   JAMA. 1999;  282 2340-2346

Prof. Dr G Wolfram

Institut für Ernährungswissenschaft der TU Minden

85354 Freising-Weihenstephan