Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(15): 439
DOI: 10.1055/s-2001-12727
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Endoluminale Bestrahlung der Koronararterien - Ökonomische Aspekte vor klinischer Sicherheit?

Endoluminal radiation of the coronary arteries: economic consideratons before clinical safety?
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Eine hohe Restenosierungsrate von 30-50 % begrenzt als wesentliche Spätkomplikation den Erfolg der perkutanen transluminalen Koronarangioplastie (PTCA). Daran hat sich leider auch im Zeitalter der Stents nichts grundlegendes geändert. Mit dem Stenting kann zwar die frühe elastische Gefäßrückstellung wirkungsvoll verhindert werden, dieser Vorteil wird aber zumindest teilweise durch die Induktion einer ausgeprägten neointimalen Hyperplasie aufgehoben, was sich in einer In-Stent-Restenoseinzidenz von ca. 20-30 % widerspiegelt. Vielfältige Versuche, die Restenoserate nach primär erfolgreicher Intervention pharmakologisch zu reduzieren, waren bislang wenig überzeugend. So war vorauszusehen, dass das grundsätzlich bestechende Konzept der endoluminalen Bestrahlung, nämlich eine Hemmung der nicht erwünschten neointimalen Proliferation, auf fruchtbaren wissenschaftlichen Boden fallen musste.

In den letzten 3 Jahren konnte tatsächlich in selektierten kleinen Patientengruppen eine beeindruckende Reduktion der postinterventionellen Restenoserate gezeigt werden. In der GAMMA-WRIST-Studie [1] wurden 130 Patienten mit In-Stent-Restenose untersucht, deren Pathophysiologie (hohe Proliferationsrate, hohes Risiko) sehr gut für eine Brachytherapie geeignet erschienen. Der relative Therapieeffekt von 67 % (bezogen auf die angiographische Restenoserate nach Bestrahlung [22 %] versus Kontrollen [60 %]) ist gut mit den Daten der SCRIPPS-Studie (n = 55) vergleichbar [2], während in der GAMMA-1-Studie (n = 252) die Ereignisrate nur um 42 % (von 55 % auf 32 %) gesenkt werden konnte [3].

Außerhalb von In-Stent-Stenosen ist der Wirkungsnachweis für die Brachytherapie besonders schwer zu führen, da das Komplikationsrisiko insgesamt niedriger ist und obendrein keine derart intensive Proliferation stattfindet wie nach dem Stenting. Eine kürzlich veröffentlichte Dosisfindungsstudie von Verin et al. [4] konnte allerdings bei einer b-Strahlenapplikation von 18 Gray nach PTCA (n = 26) eine beeindruckend niedrige Restenoserate von nur 4 % nach 6 Monaten nachweisen. Diesen optimistisch stimmenden Ergebnissen hat sich auch die FDA nicht verschlossen und auf der Basis von ca. 600 Patienten aus randomisierten Studien 2 Bestrahlungssystemen (b- und g-Strahler) die Marktzulassung für die Brachytherapie von In-Stent-Stenosen erteilt.

Dies kann sicher als Signal gewertet werden, die Brachytherapie auch unter ökonomischen Aspekten zu betrachten, wie es die in diesem Heft publizierte Arbeit von Schiele und Mitarbeitern tut. Die geschätzten additiven Kosten von 7500 DM durch die Brachytherapie werden, so die Quintessenz dieser Studie, möglicherweise bei Patienten mit besonders hohem Restenoserisiko durch langfristig niedrigere Folgekosten ausgeglichen (also kostenneutral). Trotz der nicht nur in der Fachpresse enthusiastisch geschilderten Zukunftsperspektive der koronaren Brachytherapie als Morgenröte der »Post-Stent-Ära«, waren die Reviewer in der Entscheidung, diese Arbeit zu publizieren, wohltuend kritisch. Ist es denn gerechtfertigt, eine klinisch noch wenig geprüfte und zudem potenziell irreversibel schädigende (Strahlen-)Therapie schon jetzt in Bezug auf ihre ökonomische Bedeutung zu untersuchen und damit ihren klinischen Einsatz möglicherweise von ökonomischer Seite zu präjudizieren? Was ist denn gesichert und wo verbergen sich die Probleme hinter der mehr oder weniger eindrucksvollen Restenosereduktion?

Auf einen kritischen Punkt weist die aktuelle Studie von Verin et al. [4] hin, nämlich die Frage nach der optimalen Strahlen-Dosis. Dazu ist anzumerken, dass es darum geht, die proliferierenden Zellen zu zerstören, ohne dabei die Heilung und Stabilisierung der postinterventionellen Gefäßläsion zu beeinträchtigen. Inwieweit das mit den heutigen Methoden gelingt, ist noch unklar, wenn man z. B. die Schwierigkeiten bei der Zentrierung der Strahlenquelle (z. B. radioaktiver Draht) in einem exzentrisch stenosierten Gefäß bedenkt. Die Folgen einer inhomogenen Bestrahlung oder subtherapeutischer Dosen (z. B. am Ende der Bestrahlungsdevices/Stents) können im ungünstigsten Falle sogar zu einer paradoxen Stimulation der Zellproliferation führen. Trotz anhaltend guten Langzeitresultates im Bereich der zentralen Stenoseregion, entwickelt sich in der durch den Ballon traumatisierten Gefäßwand an einem oder an beiden Enden (»candy wrapper«) eine neue Stenose. Dies lässt sich offensichtlich durch eine großzügige Bestrahlungslänge unter Einbeziehung der über die Ballonlänge hinaus gehenden Gefäßregion zumeist verhindern. Ein weiteres klinisch und auch ökonomisch relevantes Problem ist die späte Stent-Thrombose nach Bestrahlungstherapie. Diese Frage wurde im Zusammenhang mit der BETA-CATH-Studie aufgeworfen [5], in der zwischen dem 30. und 90. Tag eine außergewöhnlich hohe Thromboserate (6 %) bei Stent-Patienten beobachtet wurde. Erklären könnte man dieses Phänomen mit genau jenem Mechanismus, den man sich bei der Prävention von Restenosen zunutze machen möchte, nämlich die Hemmung der neointimalen Proliferation. Geht man davon aus, dass dabei auch die Endothelialisierung beeinträchtigt wird, würde dies die Entstehung einer Thrombose wohl begünstigen. Unklar ist bislang, ob mit der verlängerten Gabe von Plättchenhemmern, das Thromboserisiko (bei steigenden Therapiekosten) gesenkt werden kann.

Weitere unbeantwortete Fragen beziehen sich auf die langfristige Entwicklung einer strahleninduzierten Arteriosklerose, Neoplasie oder langsam verlaufenden Koronarfibrose. Außerdem beschränken sich die überzeugenden Ergebnisse aus randomisierten Studien auf Patienten mit einer In-Stent-Restenose.

Auch wenn viele grundlegende Fragen noch ungeklärt sind, stellt diese in der Kardiologie neue Therapieform eine wichtige aber wissenschaftlich konsequent evaluationsbedürftige therapeutische Option dar. Von einer breiten Verfügbarkeit außerhalb von Forschungsschwerpunkten kann, unabhängig von der Entscheidung der FDA, nur abgeraten werden. Insofern geben uns die aktuell untersuchten ökonomischen Aspekte zur Brachytherapie zwar Anlass zur Diskussion, sind aber zum jetzigen Zeitpunkt, was die Bewertung dieser Therapieform im klinischen Kontext angeht, von untergeordneter Bedeutung.

Literatur

  • 1 Waksman R. et al . Intracoronary g-radiation therapy after angioplasty inhibits Recurrence in patients with In-Stent-Restenosis.  Circulation. 2000;  101 2165-2171
  • 2 Teirstein P S. et al . Three-year clinical and angiographic Follow-Up after intracoronary radiation: results of a randomized clinical trial.  Circulation. 2000;  101 360-365
  • 3 Leon M B. et al . .  Localized Intracoronary Gamma-Radiation Therapy to inhibit the Recurrence of Restenosis after Stenting. N Engl J Med. 2001;  344 250-256
  • 4 Verin V. et al . .  Endoluminal Beta-Radiation Therapy for the Prevention of Coronary Restnosis aufter Balloon Angioplasty. N Engl J Med. 2001;  344 243-249
  • 5 Waksman R. et al . Late total occlusion after intracoronary brachytherapy for patients with in-stent restenosis.  ACC. 2000;  36 65-68

Privatdozent Dr. Frank M. Baer
Prof. Dr. Erland Erdmann (Korrespondenz) 

Klinik III für Innere Medizin, Universität zu Köln

Joseph-Stelzmann-Straße 9

50924 Köln