Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(13): 384
DOI: 10.1055/s-2001-12392-2
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erwiderung

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Publication Date:
28 April 2004 (online)

Der Leserbrief von Meyer enthält eine Reihe von Missverständnissen und Fehlinterpretationen, die ich nicht unwidersprochen so stehen lassen kann.

Dass Meyer von diesem Editorial [1] etwas anderes erwartet hat und nun enttäuscht ist, tut mir leid, aber das liegt vielleicht eher an seiner Erwartungshaltung. Dieses Vorwort war nicht dazu gedacht, sämtliche Highlights der Hypertonieforschung des Jahres 2000 abzuhandeln, sondern die für dieses Schwerpunktheft ausgewählten Artikel in einen Zusammenhang mit dem Kongress Hypertonie 2000 zu bringen und den Leser in aller gebotenen Kürze auf das einzustimmen, was ihn in diesem Heft erwartet. Eine ausführliche, kritische Diskussion der zahlreichen Mortalitätsstudien im Bereich der Hypertonie ist andernorts bereits vielfach unternommen worden; sie hätte den Rahmen dieses Editorials bei weitem gesprengt.

Wenn Meyer demgegenüber seine eigene Auswahl von Hypertonie-Highlights trifft, bleibt es ihm natürlich unbenommen, aber er sollte dabei schon klarstellen, dass diese Auswahl seine persönliche ist.

Im Übrigen hat der Kongress Hypertonie 2000 reichliche Gelegenheit zur kritischen Würdigung der Vor- und Nachteile von evidenzbasierten Studien geboten und auch die Perzeption dieser Studien mit den entsprechenden Konsequenzen in Fachwelt, Industrie und Medien ausführlich behandelt.

Die von Meyer implizierte Auffassung, Untersuchungen wie u. a. die HOT-Studie oder die SYST-EUR-Studie belegten die Tatsache, dass die Lebenserwartung älterer Hypertoniker durch eine Senkung des Blutdrucks nicht günstig beeinflusst würde, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Diese und eine Reihe weiterer klinischer Studien des vergangenen Jahrzehnts haben eindeutig belegt, dass gerade ältere Hypertoniker in besonderem Maße von einer möglichst konsequenten Blutdrucksenkung hinsichtlich ihrer Mortalität profitieren.

Vielleicht will Meyer auf etwas anderes hinweisen, nämlich auf das in letzter Zeit zunehmend erkannte Paradoxon, das sich im Begriff der Isolierten Systolischen Hpyertonie verbirgt. In der Tat neigen ältere Hypertoniker aufgrund einer verminderten Gefäß-Compliance zu einer vergrößerten Pulsamplitude, d. h. zu erhöhten systolischen bei abfallenden diastolischen Blutdruckwerten. Der Risikofaktor »erhöhte Pulsamplitude (oder erhöhter Pulsdruck)« scheint dabei, wie u. a. kürzlich veröffentlichte Daten aus der Framingham-Studie zeigen, den des erhöhten diastolischen Druckes derart zu überwiegen, dass paradoxerweise das Risiko bei gleichbleibend erhöhtem systolischen Druck mit abfallendem diastolischen Druck zunimmt, weil die Pulsamplitude größer wird. An dieser neuen Erkenntnis haben wir alle zu knacken, vielleicht gerade deshalb, weil in der Vergangenheit der diastolische Druckwert in vielen Studien als der allein relevante zu sehr in den Vordergrund gestellt worden ist.

Die HOT-Studie war sicher die letzte der groß angelegten Interventionsstudien, die den diastolischen Druck zum alleinigen Zielparameter gewählt hat. Dies sollte jedoch nicht zu der irrigen Auffassung verleiten, dass in dieser Studie der systolische Druck durch die antihypertensive Therapie nicht ebenfalls gesenkt worden wäre. Aus heutiger Sicht hätte eine Ausrichtung auf den systolischen Druck der HOT-Studie wohl noch eindeutigere und für das Alter der Patienten aussagekräftigere Daten zur Mortalitätsreduktion beschert. Dies darf uns jedoch nicht den Blick auf die unbestrittene Tatsache verwehren, dass eine medikamentöse Blutdrucksenkung, die immer beide Druckwerte senkt und dabei regelhaft den systolischen mehr als den diastolischen, grundsätzlich die Überlebenschancen des Hypertonikers verbessert.

Diese Aussage gilt für jüngere und ältere Hypertoniker und steht im Einklang mit den nationalen (Hochdruckliga) und internationalen (WHO/ISH; JNCVI) Empfehlungen zur Therapie der Hypertonie.

Literatur

  • 1 Unger T. Hypertonie 2000.  Dtsch Med Wschr. 2000;  125 1383

Prof. Dr. med. Thomas Unger

Institut für Pharmakologie Klinikum an der Christian-Albrechts-Universität

Hospitalstraße 4

24105 Kiel