Geburtshilfe Frauenheilkd 2001; 61(3): 106-111
DOI: 10.1055/s-2001-11909
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Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Ganglienhügel - eine transiente Struktur des pränatalen Gehirns von besonderem geburtshilflichen Interesse

The Ganglionic Eminence: A Transient Structure of Obstetric Relevance in the Prenatal BrainN. Ulfig, M. Briese
  • Institut für Anatomie, Universität Rostock
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

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Zusammenfassung

Intrazerebrale Einblutungen stellen eine häufige Ursache von Komplikationen bei Frühgeborenen dar und haben oftmals geringer ausgeprägte kognitive Leistungen beim Kind zur Folge. Üblicherweise führen solche Einblutungen zu einer Schädigung des Ganglienhügels, einer nur im fetalen Gehirn zu beobachtenden Hirnstruktur, die in der Wandung der lateralen Ventrikel liegt und nahezu über die gesamte Zeit der Schwangerschaft persistiert. Bisher galt der Ganglienhügel als Entstehungsort von Neuronen und Gliazellen einiger subkortikaler Hirnregionen. Neuere Untersuchungen lassen jedoch darauf schließen, dass dem Ganglienhügel auch bei anderen ontogenetischen Prozessen eine zentrale Bedeutung zukommt. So liefert er die Interneurone des zerebralen Kortex und bildet Oligodendrozyten für weit entfernt gelegene Hirnregionen. Zudem konnte eine enge morphologische Beziehung des Ganglienhügels zu Amygdala und Thalamus dargestellt werden, die darauf hinweist, dass bis ins 3. Trimenon hinein Neurone für Amygdala und Thalamus im Ganglienhügel gebildet werden. Darüber hinaus ist der Ganglienhügel an der Migration der in ihm entstandenen Neurone beteiligt. Ferner ermöglicht er durch transiente Verschaltungen, in denen er auswachsenden Axonen als Zwischenziel dient, die Entwicklung von Projektionen zwischen zerebralem Kortex und Thalamus. In dieser Übersicht sollen die Funktionen des Ganglienhügels im Hinblick auf die Entwicklung des fetalen Gehirns näher betrachtet werden, um so die Auswirkungen intrazerebraler Einblutungen auf ontogenetische Prozesse besser abschätzen zu können.

Summary

Intracranial hemorrhage is a frequent complication in preterm infants and often results in impaired cognitive function. Such bleeding often occurs within the ganglionic eminences. These are prominent bilateral structures in the wall of the lateral ventricles of the fetal brain. They persist nearly throughout the entire period of gestation. Until recently the ganglionic eminences were thought to produce neurons and glial cells for subcortical brain regions. But there is increasing evidence that the ganglionic eminences are of central importance for other ontogenetic processes. They generate interneurons for the cerebral cortex and have a high potential to produce oligodendrocytes. Also, the ganglionic eminences are morphologically connected with the amygdala and the thalamus and generate neurons for these brain regions until the third trimester. The ganglionic eminences are also involved in the migration of neurons. They are essential for the establishment of mature neuronal connections by acting as an intermediate target, particularly between the cortical regions and the thalamus. This article details the various developmental functions of the ganglionic eminences in order to enable clinicians to estimate the effects of intracranial bleeding on ontogenetic processes in the neonatal brain.