Rofo 2001; 173(3): 165-167
DOI: 10.1055/s-2001-11592
EDITORIAL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Bedeutung der funktionellen Magnetresonanz (fMR) für die radiologische Diagnostik

K. Villringer, K.-J. Wolf
  • Klinik und Poliklinik für Radiologie und Nuklearmedizin des Universitätsklinikums Benjamin Franklin der freien Universität Berlin
Further Information

Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Die letzten Jahrzehnte der Radiologie waren geprägt von einer Reihe bahnbrechender Entwicklungen wie der Computertomographie mit ihrer hohen räumlichen Auflösung und der Magnetresonanz mit ihren wesentlichen Vorteilen der Bildgebung ohne ionisierende Strahlung, exzellentem Weichteilkontrast und beliebig wählbaren Schnittebenen. Nachteil dieser Methoden ist jedoch, dass sie Veränderungen/Krankheiten in der Regel erst dann anzeigen, wenn diese bereits zu strukturellen und somit oft irreversiblen Störungen geführt haben. Daher bildet die Weiterentwicklung von der morphologischen Bildgebung zur funktionellen Bildgebung den nächsten großen konzeptionellen Durchbruch, verbunden mit der Hoffnung, Störungen bereits dann zu erkennen, wenn sie noch „rein funktionell” und damit potenziell reversibel sind, wie z. B. die Penumbra. Ein wichtiger Meilenstein dieser Entwicklung sind nuklearmedizinische Methoden, hier sei insbesondere die Positronen Emissions Tomographie (PET) oder die Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) zu nennen, mit denen physiologische, pathophysiologische und morphologische Veränderungen im Körper nicht invasiv abgebildet werden. Seit etwa 10 Jahren ist dies nun auch mit der Magnetresonanz, und zwar der funktionellen Magnetresonanz (fMR) möglich, mit dem entscheidenden Vorteil, dass keine radioaktiv markierten Substanzen appliziert werden müssen. Für die Signalgebung in der fMR hat sich der sogenannte BOLD-(blood-oxygenation-level-dependent) Kontrast durchgesetzt. Diese Technik beruht auf Veränderungen der Deoxy-Hämoglobin-Konzentration während funktioneller Stimulation [1] [2] [3]. Der Blutfluss aktivierter Hirnareale steigt weniger stark an als der Sauerstoffverbrauch in diesem Areal. Hierdurch kommt es zu einem Abfall der Konzentration des paramagnetischen Deoxy-Hämoglobins, was mit einer Zunahme des MR-Signals in z. B. T2 oder T2*-gewichteten Pulssequenzen einhergeht. Seit Etablierung der fMR beschäftigt sich eine Vielzahl von Arbeitsgruppen mit den methodischen/technischen Möglichkeiten, wissenschaftlichen Fragestellungen und klinischen Anwendungsmöglichkeiten dieser Methode, niedergelegt in zahlreichen Publikationen. Diese Themen umfassen unter anderem die Kartierung des somatosensorischen Cortex [4], die Kognition (z. B. Geschlechtsunterschiede bei verbalen und räumlichen Fähigkeiten [5]) oder die Lokalisation des Handareals bei hemiparetischen Patienten [6].

Ein aktueller Aspekt der methodischen Weiterentwicklung der fMR soll etwas näher erläutert werden, da dieser durchaus Relevanz für die klinische Anwendung aufweist, und zwar hinsichtlich einer möglichen Verkürzung der Untersuchungsdauer. Es handelt sich um die Etablierung der „event-related”-fMR. Die ersten kernspintomographischen Stimulationsuntersuchungen wurden mit dem „block-design” durchgeführt, welches von nuklearmedizinischen Aktivierungsstudien herrührt und sich dort bewährt hatte. Solch ein „block-design” besteht aus mehreren, sich abwechselnden Blöcken von Aktivierungs- und Ruhe-Phasen. Dies führte zu Untersuchungszeiträumen von zum Teil bis zu 2 Stunden. Dies ist natürlich insbesondere für Patienten kaum zumutbar und damit für die klinische Routine nicht realisierbar. Nachdem nun neuere Arbeiten zeigen konnten, dass auch Stimuli mit einer Dauer von weniger als einer Sekunde [7] zu klaren Signalintensitätsänderungen führen, wurde das herkömmliche „block-design” durch die „event-related”-fMR abgelöst. Nun wird nur mehr ein kurzer Stimulus dargeboten; verwendet werden können auch mehrere aufeinanderfolgende Stimuli in kurzem, zeitlich randomisiertem Abstand. Neben der offensichtlichen Tatsache, dass physiologische Hirnfunktionen eher durch kurze „events” (z. B. die einmalige Bewegung eines Fingers, eines kurzen Gedankens etc.) beschrieben werden als durch repetitive Aufgaben wie z. B. die einminütige Durchführung einer Finger-Oppositionsaufgabe, führte dieser Ansatz auch zu Untersuchungszeiten von jetzt etwa 30 Minuten und zu einer wesentlich besseren zeitlichen Auflösung. Weitere Vorteile dieses Stimulationsdesigns sind eine deutlich flexiblere Gestaltung der Aktivierungsparadigmen und eine aufgrund der verbesserten zeitlichen Auflösung realisierbare Korrelation von tomographischer, hämodynamischer Bildgebung und elektrophysiologischen Methoden [8]. Der zuletzt genannte Punkt wird im Rahmen gleichzeitiger fMR- und EEG-Messungen durch die Entwicklung MR-tauglicher EEG-Geräte möglich, so dass beide methodischen Ansätze, der elektrophysiologische wie auch der hämodynamische, in einem Untersuchungsgang angewandt und miteinander verglichen werden können. Dieser Aspekt ist z. B. in der Epilepsie-Diagnostik von großer Bedeutung, außerdem natürlich von Relevanz für viele Neurowissenschaftler, die Hirnfunktion in guter räumlicher und zeitlicher Auflösung verstehen wollen. Bei der Frage nach der klinischen Relevanz der Methode sind zunächst zwei Indikationen zu nennen, die zunehmend an klinischer Bedeutung gewinnen.

Hier handelt es sich um die Epilepsiechirurgie und die präoperative Diagnostik eloquenter Hirnareale vor Tumorresektion (Sprach- und Gedächtnisfunktionen). Die Resektion eines epileptogenen Focus hat sich als effektive Therapie für Patienten mit medikamentös nicht beherrschbaren Anfällen bewährt. Eine erfolgreiche Epilepsiechirurgie hängt von einer Reihe wesentlicher Punkte ab. Die genaue Lokalisation des epileptogenen Focus, was derzeit durch kontinuierliches Monitoring über intrakraniell implantierte Elektroden erfolgt, die präoperative Lokalisation eloquenter Areale und die Bestimmung ihrer Lateralisierung. Der Goldstandard für die Bestimmung der Lateralisierung von Gehirnfunktionen ist derzeit der Wada-Test, bei dem Amybarbital in die A. carotis injiziert wird, um eine Hemisphäre zu anästhesieren. Yetkin et al. [9] konnten zeigen, dass eine hohe Übereinstimmung zwischen der Sprachlateralisierung in der fMR und dem Wada-Test besteht. Des Weiteren gelang es der Arbeitsgruppe um Detre et al. [10], erstmals mit der fMR einen epileptogenen Focus zu lokalisieren wie auch die Ausbreitung der pathologischen Erregung zu erfassen. Das Ergebnis stimmte gut mit der intrakraniellen Ableitung überein. Damit wurde die Voraussetzung für den Einsatz der fMR geschaffen. Insbesondere die gleichzeitige Ableitung eines EEG im Scanner wird die Ergebnisse der fMR-Lokalisation weiter verbessern.

Das Ziel einer Resektion eines Gehirntumors ist die vollständige Entfernung des Tumors unter Schonung eloquenter Hirnareale. Die Lokalisation dieser eloquenten Regionen erfolgt derzeit vor allem durch die intraoperative kortikale Stimulation. Wesentlicher Vorteil der funktionellen Magnetresonanz ist, dass dies schon präoperativ stattfinden kann, was die Operationsplanung vereinfachen und die Op-Zeiten verkürzen könnte. Mit Einführung der Neuronavigation steht nun auch ein Verfahren zur Verfügung, das eine Korrelation der intraoperativen korticalen Stimulation mit dem präoperativen funktionellen „mapping” durch die fMR erlaubt. Damit kann die Neuronavigation weiter zur Validierung der räumlichen Auflösung und der anatomischen Genauigkeit der fMR beitragen. Dies wird dazu führen, dass auch die intraoperative kortikale Stimulation in naher Zukunft durch die fMR abgelöst werden dürfte.

Perspektivisch seien zwei weitere klinische Anwendungsbereiche zu nennen. Zum einen die Differentialdiagnostik des M. Parkinson versus Parkinson-Syndrome anderer Genese, bei dem strukturelle bildgebende Verfahren letztlich versagen, zum anderen die Evaluation von Gehirnfunktionen nach Hirnläsionen unterschiedlicher Genese, wie Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma.

Die derzeit vielleicht sicherste Methode, zwischen M. Parkinson und dem Parkinson-Syndrom zu differenzieren, ist die Fluoro-dopa-PET. Diese ist jedoch nicht überall verfügbar, so dass im klinischen Alltag der Apomorphin-Test zum Einsatz kommt. Dieser weist allerdings nur eine Spezifität von 88 % [11] auf. Der Vergleich von de novo-Patienten, bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein M. Parkinson vorlag, und gesunden Kontrollen zeigte nach subkutaner Gabe von Apomorphin bzw. physiologischer Kochsalzlösung bei den Patienten eine deutliche Signalintensitätszunahme im kontralateralen sensomotorischen Cortex. Bei der Kontrollgruppe war dieser Effekt nicht nachweisbar, was durch eine Habituation der Stimulationsantwort bei repetitiver Durchführung motorischer Aufgaben mit Abnahme des BOLD-Signals [12] zu erklären ist. Diese vorläufigen Ergebnisse müssen jedoch noch an größeren Fallzahlen validiert werden.

Seit nun allgemein akzeptiert ist, dass auch das Gehirn Erwachsener zur Plastizität, d. h. vermehrter Flexibilität bei der Übernahme von Funktionen geschädigter Hirnareale durch andere Gehirnregionen befähigt ist, gewinnt dieser Aspekt nicht nur vom wissenschaftlichen Standpunkt, sondern auch für die Rehabilitation Hirngeschädigter zunehmend an Bedeutung. Die „Steuerung” dieser Plastizität durch gezielten Einsatz von Übungsverfahren und ihre Kontrolle durch die fMR ist eine der interessanten Zukunftsperspektiven. Dabei scheint es neben einer funktionsfördernden Plastizität auch eine pathogene Plastizität zu geben, die z. B. nach Amputationen oder Thalamus-Infarkten zu chronischen Schmerzen führen kann [13] [14]. Die Hoffnung für die Zukunft ist es, mit der fMR funktionsfördernde Plastizität von pathogener Plastizität zu unterscheiden und im zweiten Schritt durch gezielte Übungsverfahren oder Einsatz bestimmter Medikamente (insbesondere NMDA-Antagonisten, die an Glutamat-Rezeptoren binden, gelten als vielversprechend) Plastizität zu steuern.

Gerade dieser letzte Punkt macht deutlich, dass derzeit noch wesentlich mehr Fragen offen stehen, als beantwortet sind, und noch eine Vielzahl an Studien durchgeführt werden müssen, um die fMR im Rahmen der klinischen Anwendung breitflächig einsetzen zu können.

Für den Einsatz in der klinischen Routine setzt die fMR eine „online”-Auswertung der aktivierten Areale mit entsprechende Ausstattung an Hardware wie auch Software voraus. Dies ist unerlässlich, um angepasst an die klinischen Anforderungen, gegebenenfalls eine Korrektur des Aktivierungsparadigmas oder eine zusätzliche Stimulation zur weiteren Diagnostik durchzuführen. Das bedeutet auch, dass ein Standardsatz leicht einsetzbarer, gut validierter Aktivierungsparadigmen zur Verfügung stehen muss, die der klinischen Indikation entsprechender eingesetzt werden können.

Zum Abschluss sollte erwähnt werden, dass die BOLD-fMR Technik auch vielversprechende Einsatzmöglichkeiten außerhalb des Gehirns, insbesondere im Bereich des Herzens, bietet. Wacker et al. [15] konnten nachweisen, dass es bei Gesunden im Myokard unter Dipyridamol-Belastung zu einer Signalintensitätszunahme um 17 ± 9 % in T2*-gewichteten Sequenzen sowie einer Abnahme der Perfusion um 15 ± 5 % in T1-gewichteten Sequenzen kommt. An ersten Patienten mit KHK [16] zeigte sich hingegen unter Dipyridamol eine Abnahme der Signalintensität in T2*-gewichteten Sequenzen, ein Befund von potenziell hoher diagnostischer Wertigkeit. Dies sind natürlich erste Ergebnisse, die an größeren Fallzahlen weiter validiert werden müssen; aber sie zeigen auch hier die zukünftige klinische Potenz der funktionellen Kernspintomographie.

Zusammenfassend handelt es sich bei der fMR zwar derzeit um eine noch eher experimentelle Methode, die weiterhin vorwiegend für wissenschaftliche Fragestellungen eingesetzt wird. Dennoch zeichnen sich klinische Anwendungsmöglichkeiten ab, die bei entsprechender Weiterentwicklung und Validierung der fMR zukünftig einen gewichtigen Platz sichern wird.

Literatur

  • 1 Kwong K K, Belliveau J W, Chesler D A, Goldberg I E, Weisskoff R M, Poncelet B P, Kennedy D N, Hoppel B E, Cohen M S, Turner R, Cheng H -M, Brady T hJ, Rosen B R. Dynamic magnetic resonance imaging of the brain activity during primary sensory stimulation.  Proc Natl Acad Sci. 1992;  89 5675-5679
  • 2 Ogawa S, Tank D W, Menon R, Ellermann J M, Kim S -G, Merkle H, Urgubil K. Intrinsic signal changes accompanying sensory stimulation: Functional brain mapping with magnetic resonance imaging.  Proc Natl Acad Sci. 1992;  89 5951-5955
  • 3 Frahm J, Bruhn H, Merboldt K D, Hänicke W. Dynamic MRI of human brain oxygenation.  J Magn Res Imag. 1992;  2 501-550
  • 4 Kurth R, Villringer K, Curio G, Wolf K J, Krause T, Repenthin J, Schwiemann J, Deuchert M, Villringer A. fMRI shows multiple somatotopic digit representations in human primary somatosensory cortex.  Neuroreport. 2000;  11 1487-1491
  • 5 Gur R C, Alsop D, Glahn D, Petty R, Swanson C L, Maldjian J A, Turetsky B I, Detre J A, Gee J, Gur R E. An fMRI study of sex differences in regional activation to a verbal and a spatial task.  Brain Lang. 2000;  74 157-170
  • 6 Stippich C, Kapfer D, Hempel E, Borgulya G, Bongers A, Heiland S, Sartor K. Robust localization of the contralateral precentral gyrus in hemiparetic patients using the unimpaired ipsilateral hand: a clinical functional magnetic resonance imaging protocol.  Neurosci Lett. 2000;  285 155-159
  • 7 Yang Y, Engelien W, Pan H, Xu J, Silbersweig D A, Stern. E. A CBF-based event-related brain activation paradigm: characterization of impulse-response function and comparison to BOLD.  Neurimage. 2000;  12 287-297
  • 8 Rosen B R, Buckner R L, Dale A M. Event-related functional MRI: past, present, and future.  Proc Natl Acad Sci. 1998;  95 773-780
  • 9 Yetkin F Z, Swanson S, Fischer M, Akansel G, Morris G, Mueller W, Haughton V. Functional MR of frontal lobe activity: comparison with Wada language results.  AJNR. 1998;  19 1095-1098
  • 10 Detre J A, Sirven J I, Alsop D C, O¿Connor M J, French J A. Localization of subclinical ictal activity by functional magnetic resonance imaging: correlation with invasive monitoring.  Ann Neurol. 1995;  38 618-624
  • 11 Gasser T h, Schwarz J, Arnold G, Trenkwalder C, Oertel W. Apomorphine test for dopaminergic responsiveness in patients with previously untreated parkinson’s disease.  Arch Neurol. 1992;  49 1131 - 1134
  • 12 Kurth R, Villringer K, Hartmeier M, Kupsch A, Lipp A, Arnold G, Villringer A, Wolf K -J. Kombination von fMRT und Apomorphin-Test bei der Erstdiagnostik des M. Parkinson.  RöFo. 1999;  170 (Suppl I) S103
  • 13 Flor H, Elbert T, Knecht S, Wienbruch C, Pantev C, Birbaumer N, Larbig W, Taub E. Phantom-limb pain as a perceptual correlate of cortical reorganization following arm amputation.  Nature. 1995;  375 48-484
  • 14 Villringer K, Kurth R, Grüsser S, Schwiemann J, Krause T, Curio G, Flor H, Villringer A, Wolf K -J. Phantomempfindungen und deren cerebrale Korrelate.  RöFo. 1999;  170 (Suppl I) S104
  • 15 Wacker C M, Bock M, Hartlep A W, Beck G, van Kaick G, Ertl G, Bauer W R, Schad L R. Changes in myocardial oxygenation and perfusion under pharmacological stress with dipyridamole: assessment using T2* and T1 measurements.  Magn Reson Med. 1999;  41 686-695
  • 16 Wacker C M, Bock M, Hartlep A W, Bauer W R, van Kaick G, Pfleger S, Ertl G, Schad L R. BOLD-MRI in ten patients with coronary artery disease: evidence for imaging capillary recruitment in myocardium supplied by the stenotic artery.  MAGMA. 1999;  8 48-54

Dr. Kersten Villringer

Klinik und Poliklinik für Radiologie und NuklearmedizinUniversitätsklinikum Benjamin FranklinFreie Universität Berlin

Hindenburgdamm 30

12200 Berlin

Phone: 030-8445-2211

Fax: 030-8445-4474

    >