Gesundheitswesen 2024; 86(S 02): S154-S155
DOI: 10.1055/s-0044-1781991
Abstracts | BVÖGD, BZÖG, DGÖG
27.04.2024
Infektionsschutz – Block 4 09:00 – 10:20 | Saal X.3

Trichophyton tonsurans-Infektionen nach Barbershop-Besuch – Erkenntnisse aus der infektionshygienischen Überwachung

A. Marcic
1   Amt für Gesundheit der Landeshauptstadt Kiel, Abteilung Infektionsschutz
,
S. Freytag
1   Amt für Gesundheit der Landeshauptstadt Kiel, Abteilung Infektionsschutz
,
K. Langen
2   UKSH Kiel, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
› Institutsangaben
 

Einleitung: Im Juli 2023 ging im Amt für Gesundheit die Beschwerde eines Bürgers wegen aufgetretener Pilzinfektion am Hinterkopf nach Besuch eines Barbershops (Barbershop A) ein.

In Barbershops werden Tätigkeiten am Menschen ausgeübt, bei den Krankheitserreger, insbesondere blutübertragene Krankheitserreger, auf den Menschen übertragen werden können. Sie sind daher Adressaten der „Landesverordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten Schleswig-Holstein (HygieneVO)" und müssen gemäß § 2 Abs. 6 der HygieneVO einen Hygieneplan erstellen, in dem alle innerbetrieblichen Verfahrensweisen der Infektionshygiene schriftlich festgehalten werden [1]. Sie gehören zu den Einrichtungen, gemäß § 36 Absatz 2 infektionshygienisch überwacht werden können [2].

Im Zuge der Ermittlungen sind weitere Pilzinfektionen im Zusammenhang mit dem Besuch des Barbershops bekannt geworden. Ein Erregernachweis lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor, folgte jedoch im weiteren Verlauf bei insgesamt neun Patienten, die in der dermatologischen Klinik des Universitätsklinikums vorstellig wurden.

Es fand zunächst eine anlassbezogene infektionshygienische Überwachung des Barbershop A statt, der weitere Ortstermine zur Überprüfung des Hygienemanagements sowie der Aufbereitung der eingesetzten Materialien folgten. Die Situation gab Anlass zur Überwachung weiterer Barbershops inklusive hygienisch-mikrobiologischer Umgebungsuntersuchung.

Material und Methoden: Ortsbesichtigung: Überprüfung der Anforderungen nach der HygieneVO zur Verhütung übertragbarer Krankheiten inklusive Händehygiene, Aufbereitung von Arbeitsmaterialien (Rasierer, Kämme, Scheren), Flächenreinigung und -desinfektion, Aufbereitung von Textilien (Handtücher und Umhänge) und Abfallentsorgung.

Hygienisch-mikrobiologische Umgebungsuntersuchung in Zusammenarbeit mit der Klinik für Dermatologie des UKSH: Probenahme von Oberflächen (Ablagefläche für Rasierer, Schublade für Rasierer, vier verschiedene Rasierer und Kopfwaschbecken) mittels Bürsten und Abdruck auf Dermatophyten Selektiv-Agarplatten (enthält u.a. Cycloheximid und Gentamicin) [Abb. 1], Bebrütung der Selektiv-Agarplatten bei 27° für 28 Tage.

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Abb. 1

Ergebnis: Die Anforderungen nach der HygieneVO, einschließlich der Anforderung VAH-gelistete Desinfektionsmittel einzusetzen, waren in Barbershop A nicht bekannt. Es lag kein Hygieneplan vor. Die Aufbereitung der Arbeitsmaterialien erfolgte z.T. mit einem Aldehyd-basierten Instrumentendesinfektionsmittel in sehr hoher Konzentration ohne vollständige Benetzung der aufzubereitenden Materialien. Die Flächen und einige Arbeitsmaterialien wurden mit handelsüblichen Drogerieprodukten und zusätzlich mit branchenüblichen Spezialreinigern behandelt. Handtücher wurden bei 40° gewaschen und maschinell getrocknet.

Die hygienisch-mikrobiologische Probenahme ergab in Barbershop A den Nachweis von T. tonsurans in drei von zehn untersuchten Proben.

Diskussion: Barbershops sind als Quelle von Infektionen mit T. tonsurans beschrieben [3] [4]. In Kiel trat im Juli 2023 eine Häufung von T. tonsurans-Infektionen auf, auf die das Gesundheitsamt zunächst durch eine Bürgerbeschwerde aufmerksam wurde. Im Zuge der Ermittlungen und anlassbezogenen Begehungen des betroffenen Barbershops wurden grundlegende Hygienemängel festgestellt, die auf Unwissenheit bezüglich der geltenden Anforderungen zurückzuführen waren. Gleichzeitig lag eine gute Kooperationsbereitschaft des Barbershopinhabers vor. Die rechtlichen und fachlichen Anforderungen an Gewerbe, die Tätigkeiten am Menschen ausüben, bei denen Krankheitserreger auf den Menschen übertragen werden können, waren nicht bekannt. Dementsprechend wurden Lücken im Hygienemanagement festgestellt, die insbesondere im Hinblick auf die Aufbereitung und Flächendesinfektion mit einem Infektionsrisiko verbunden sind.

T. tonsurans ist als Dermatophyt weltweit verbreitet. Eine Übertragung zwischen Menschen kann direkt durch infektiöse Hautschuppen erfolgen. Im beschriebenen Fall wurde die indirekte Übertragung durch Arbeitsmaterialien und Flächen im Zusammenhang mit einem Barbershopbesuch untersucht. T. tonsurans wurde in drei Umgebungsproben aus Barbershop A nachgewiesen. Der Nachweis auf Rasierern und in einer Schublade zur Ablage von Rasierern bestätigt die unzureichende Aufbereitung der Materialien und Flächen und unterstreicht den Handlungsbedarf. Die Beseitigung der Hygienemängel wurde im Zuge weiterer Ortsbesichtigungen überprüft.

Musterhygienepläne beinhalten als Anforderungen an die Aufbereitung von Arbeitsmaterialien eine Desinfektion nach jedem Kunden in der Regel nur bei sichtbarer Verunreinigung mit Blut oder Sekreten. Ansonsten ist routinemäßig eine arbeitstägliche Desinfektion vorgesehen. Diese Anforderung wird dem Infektionsrisiko durch T. tonsurans nicht gerecht. Zur Minimierung des Übertragungsrisikos müssten die eingesetzten Geräte nach jedem Kunden desinfiziert werden.

Die Situation gab Anlass, weitere Barbershops infektionshygienisch zu überwachen.

In den überwachten Barbershops waren weder die rechtlichen Regelungen zu Anforderungen an die Hygiene, noch die inhaltlich erforderlichen Maßnahmen bekannt. Insgesamt bestand eine Kooperationsbereitschaft seitens der Barbershopinhaber und ein grundsätzliches Interesse daran, die Anforderungen einzuhalten und potenzielle Infektionsquellen auszuschalten.

Barbershops erhalten nach unseren Erfahrungen bei der Gewerbeanmeldung und Aufnahme der Tätigkeit keine ausreichende Informationsgrundlage, auf der die erforderlichen Hygienemaßnahmen festgelegt werden können.

Fazit: Von Barbershops kann eine relevante Infektionsgefahr, nicht nur für Erreger blutübertragener Infektionen, ausgehen. Sie sollten regelhaft Informationen zu Hygieneanforderungen im Zusammenhang mit der Gewerbeanmeldung erhalten und in die Planung für die (stichprobenartige) infektionshygienische Überwachung von Einrichtungen nach § 36 Absatz 2 IfSG durch das Gesundheitsamt einbezogen werden. Im Fokus der Überwachung sollte die Aufbereitung (Rasierer) und der Umgang mit diesen sowie die Desinfektion relevanter Flächen stehen. Die Anforderungen an die Aufbereitungsfrequenz müssen angesichts des Infektionsrisikos mit T. tonsurans erhöht werden.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
10. April 2024

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