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DOI: 10.1055/s-0044-1781916
Vom Wissen in die Praxis: Hitzeschutz in Köln als Aufgabe des ÖGD
Einleitung: Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet den Klimawandel als die größte gesundheitliche Bedrohung der Menschheit. Das Überschreiten planetarer Grenzen und der damit projizierte Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur resultiert in sich zunehmend verschärfenden Gesundheitsgefahren. In Europa starben im Sommer 2022 über 61.000 Menschen an hitzebedingten Todesursachen, 8.173 davon allein in Deutschland. Das RKI schätzt für 2023 deutschlandweit rund 3.200 hitzebedingte Sterbefälle. Darüber hinaus verlängern sich Hitzeperioden in den europäischen Herbst. Nach Auswertungen des Deutschen Wetter Dienstes (DWD) lag das Temperaturmittel im September 2023 in NRW mit 17,8°C um 4,2°C über dem Wert der international gültigen Referenzperiode von 1961-1990. Der September war in ganz Deutschland der Wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
Trotz der zunehmenden Häufigkeit von Extremwetterereignissen im In- und Ausland, sowie öffentlicher Debatten, ist die Risikowahrnehmung vieler Menschen in Bezug auf den Klimawandel oft abstrakt und seine Bedeutung für die menschliche Gesundheit wird unterschätzt. Da der kommunale Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) Bedarfskenntnisse über die lokale Bevölkerung besitzt, ist er für eine zielgruppenadaptierte Kommunikation prädestiniert und nimmt in der Gesundheitsförderung und Prävention eine bedeutende Rolle ein. Dazu gehört die Förderung gesundheitsbezogener Anpassungsstrategien in der Bevölkerung an die Folgen des Klimawandels, unter besonderer Berücksichtigung der vulnerablen Gruppen: Säuglinge und Kleinkinder, Menschen im Alter (>65 Jahre) ohne soziale Anbindung, sowie Menschen mit Behinderung oder Vorerkrankungen.
Unsere Interventionen sollen daher durch Wissensvermittlung zu konkreten Mitigations- und Anpassungsstrategien insbesondere die Selbstkompetenz und Resilienz vulnerabler Gruppenstärken.
Methode: Das Gesundheitsamt der Stadt Köln hat basierend auf Erkenntnissen aus dem „Hitzeaktionsplan für Menschen im Alter für die Stadt Köln“ (Juli 2022) mit zielgruppenspezifischen Informationskampagnen und individueller Aufklärungsarbeit begonnen. Hierzu wurde die im Rahmen der bestehenden Netzwerkarbeit der Hitzeaktionsplanung in Form eines regelmäßigen Austausches mit anderen Ämtern der Stadtverwaltung, Mediziner*innen, Seniorenvertretung sowie dem Landeszentrum Gesundheit und universitären Instituten genutzt und ausgebaut:
Für die Kölner Bevölkerung wird ein ärztlich geleitetes Hitzetelefon eingerichtet, ebenso ein Online-Formular für die Anmeldung auf der Homepage der Stadt Köln. Das Hitzetelefon wird beworben über die Homepage der Stadt Köln, Tageszeitungen, soziale Medien, Radio- und Fernsehbeiträge, sowie über den Druck von Postkarten, die in Apotheken, Sanitätshäusern, über Seniorennetzwerke und Hausärzt*innen verteilt werden. Personen, die sich für das Hitzetelefon anmelden, erhalten auf den Warnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) basierende Hinweise auf bevorstehende Hitze, allgemeine und individuelle Tipps zum Schutz vor einer zu großen Hitzebelastung.
Im Rahmen der Erwachsenenbildung informieren wir in den Sommermonaten mit multidisziplinären Teams des Gesundheitsamtes in Zusammenarbeit mit dem Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz über Informationsstände auf Wochenmärkte und in der Fußgängerzone über gesundheitliche Aspekte des Klimawandels, regionale Angebote und lokale Frühwarnsysteme.
Auf Anfrage führen wir in Pflegeeinrichtungen Schulungen zu den Themen Prävention hitzebedingter Gesundheitsschäden und Erstellung von einrichtungsbezogenen Hitzeschutzplänen durch.
Zur Sensibilisierung von städtischen Kindertagesstätten (KiTas) führen wir zunächst eine Querschnittsbefragung zur Hitzebelastung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen durch. Der Fragebogen wurde mit dem Universitätsklinikum Bonn erarbeitet und das Projekt befindet sich (Stand: Oktober 2023) in der Phase der Datenerhebung.
Ergebnisse: In der Zeit vom 21.06.23 bis zum 22.09.23 richteten wir ein ärztlich geleitetes Hitzetelefon für die Kölner Bevölkerung ein, dass werktags erreichbar ist. Das Angebot des Hitzetelefons erfuhr eine sehr gute Resonanz und war durch die Einbindung in das Netzwerk der Hitzeaktionsplanung gut etabliert. Dennoch wurde das Angebot durch die Gruppe der Menschen im Alter ohne funktionierende soziale Anbindung nur wenig genutzt. Thematische Schwerpunkte der Telefonberatung sind u.a. Empfehlungen individueller Anpassungsstrategien, sowie ärztlich bewertete Medikamentenanpassung vor und während Hitzeperioden. Darüber hinaus wird eine Anmeldung zum Erhalt von Hitzewarnungen angeboten, die wir vom Deutschen Wetterdienst (DWD) erhalten und an Registrierte telefonisch weitergeben.
Informationsstände auf Wochenmärkten, u.a. im Rahmen der „Woche der Klimaanpassung“ wurden rege frequentiert. Dort zeigte sich großes Interesse der Bevölkerung an den Angeboten der Stadt Köln auf dem sogenannten Hitzeportal, sowie ein hoher Informationsbedarf. Thematisch standen auch hier individuelle gesundheitliche Aspekte und der Wunsch nach konkreten Handlungsstrategien im Vordergrund.
Die Pflegeeinrichtungen in Köln wurden über die Heimaufsicht kontaktiert, bisher meldeten sich 36 Pflegeeinrichtungen in Köln zurück. Davon hatten 72% Interesse an einem Schulungsangebot,16 Schulungen konnten terminiert werden. Die vorhandenen Kenntnisse zu und Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen variieren in den aufgesuchten Einrichtungen stark, wobei viele Einzelmaßnahmen bereits erfolgen. Hitzewarnungen des DWD werden von 28% der Einrichtungen noch nicht empfangen und in 41% der geschulten Einrichtungen fehlen bisher ausgearbeitete Hitzeschutzpläne. Die Schulungen dienen der Erarbeitung konkreter Handlungspläne zur praktischen Umsetzung des Wissens sowie der Festlegung von Verantwortlichkeiten.
Schlussfolgerungen: Um die ältere Bevölkerung als Zielgruppe zu erreichen, sind gute Vernetzungen, aber auch eine gewisse Zeit zur Etablierung des Angebotes erforderlich. Weiterhin ist eine direkte Ansprache über soziale Netzwerke (Nachbarschaft, Freund*innen, Familie, Seniorenkreise, Kaffeetreffen, u.Ä.), sowie über die ärztlichen und/oder therapeutischen Ansprechpartner*innen sinnvoll und wünschenswert, um die Zielgruppe zu sensibilisieren und zu informieren.
Die Einrichtung eines Hitzetelefons ist ein geeignetes Instrument, um Risikopersonen in Hitzeperioden zu warnen und zu beraten. Die relativ geringe Inanspruchnahme des Hitzetelefons in Köln kann durch den Zugangsweg, der eine aktive Kontaktaufnahme erforderte, durch lokal eher milden Sommer ohne langanhaltende Hitzephasen, sowie der nur kurzen Bewerbung des Angebotes begründet sein.
Eine niederschwellige Risikokommunikation durch Informationskampagnen ermöglicht eine Sensibilisierung für die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und erlaubt eine Vermittlung von präventiven Handlungsstrategien.
In Pflegeeinrichtungen besteht ein großes Interesse an Informationen zu alltagstauglichen Hitzeanpassungsmaßnahmen zum Schutz von Bewohner*innen und Personal, sowie an Unterstützung in der Erarbeitung von Kommunikationswegen und einrichtungsbezogenen Hitzeschutzplänen.
Gesundheitliche Aspekte müssen in allen Belangen der Klimaanpassung mitgedacht werden. Der ÖGD kann dabei seine starken Netzwerke auf kommunaler und Landesebene nutzen, um die Bevölkerung und insbesondere vulnerable Zielgruppen zu erreichen. Eine Bedarfsermittlung und darauf aufbauende, gezielte präventive Angebote sollten in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren des Gesundheitssystems entwickelt werden.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
10. April 2024
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