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DOI: 10.1055/s-0043-123170
Editorial
Publication History
Publication Date:
01 February 2018 (online)
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Diagnostik und Therapie urogynäkologischer Erkrankungen stellt einen wichtigen Teilaspekt unserer urologischen Tätigkeit dar, die leider in vielen Institutionen nicht mehr in ihrer Gesamtheit abgebildet wird und somit immer seltener in die Aus- und Weiterbildung der Urologinnen und Urologen integriert werden kann. In Deutschland leidet jede 4. Frau an unkontrolliertem Urinverlust und aufgrund des demografischen Wandels ist mit einer weiteren Zunahme dieser Problematik zu rechnen. In einer aktuellen vergleichenden Studie von Frauen in Deutschland und Dänemark wurde bereits eine Prävalenzrate der Inkontinenz von 46 – 48 % beschrieben [1]. Auch in dieser prospektiven Studie stellte das Alter neben Body Mass Index, vaginalen Geburten und chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung einen unabhängigen Risikofaktor für die Entwicklung einer Harninkontinenz dar.
Das Ihnen vorliegende Themenheft der Aktuellen Urologie widmet sich gerade aufgrund der oben beschriebenen Notwendigkeiten dem Themenkomplex der Uro-Gynäkologie.
Nachdem die weibliche Belastungsinkontinenz die am häufigsten auftretende Form der Harninkontinenz darstellt, beschreiben Frau Kohler und Coautoren ausführlich und sehr anschaulich die Pathogenese sowie funktionelle und anatomische Aspekte, deren Kenntnis für ein Verständnis und die adäquate differentialtherapeutische Auswahl der verschiedenen konservativen und operativen Behandlungsoptionen unabdingbar sind.
Kretschmer und Bauer gehen intensiv auf die verschiedenen Formen der konservativen Therapiemöglichkeiten der weiblichen Belastungsinkontinenz ein. Der Artikel zeigt auf, dass in aller Regel ein multimodales Konzept bestehend aus medikamentöser Therapie, Beckenbodentraining und Lebensstilveränderung erforderlich ist, um ein für die Patientin zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen.
Zugor und Mitarbeiter beschreiben die Differenzialindikation und Methodik der verschiedenen chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten von der einfachen Bandapplikation bis hin zu dem komplexen Therapieverfahren wie der Implantation eines artifiziellen Sphinkters.
Karapanos und Kollegen widmen sich der Diagnostik und Therapie der urogenitalen Prolapserkrankungen, die für die Patientin oftmals mit einer erheblichen subjektiven Morbidität verbunden sind. Die operative Therapie erfordert eine genaue Kenntnis der Anatomie des Beckenbodens, um eine Korrektur mit geringer therapieassoziierter Komplikationsrate und minimaler Rezidivrate zu gewährleisten.
Vesicovaginale und ureterovaginale Fisteln stellt eine schwerwiegende Komplikation vorausgegangener operativer Eingriffe dar, die eine fachgerechte Diagnostik und Therapie in ausgewiesenen Referenzzentren notwendig machen. Die Therapieoptionen reichen von einem einfachen konservativen Vorgehen über wenig komplexe Verfahren der Fistelexzision mit zweischichtiger Deckung bis hin zu komplexen plastischen Korrekturverfahren. Lang et al. beschreiben die Diagnostik sowie die Differenzialtherapie dieser schwierigen Problematik sehr anschaulich und verdeutlichen eindrucksvoll, wie wichtig eine fundierte operative Ausbildung und Erfahrung für ein gutes Therapieergebnis sind.
Nachdem die Endometriose sehr häufig den Urogenitaltrakt betrifft, ist die Kenntnis der typischen Symptomatik, der Eckpfeiler einer Basisdiagnostik und die Kenntnis der Therapiealgorithmen für jede/jeden in der Urogynäkologie tätige/-n Ärztin/Arzt unabdingbar. Es freut mich sehr, dass wir mit Akatout et al. Kollegen aus unserem benachbarten Fachgebiet der Gynäkologie gewinnen konnten, die das Thema für uns Urologen fachgerecht aufgearbeitet haben.
Ergänzt werden diese Übersichtsarbeiten durch eine Kasuistik von Herrn Karapanos, der die operative Versorgung einer großen, vesicouterinen Fistel eindrücklich beschreibt.
Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre der verschiedenen Optionen der rekonstruktiven Chirurgie des Urogenitaltaktes viel Freude und neue Anregungen bzw. differenzialtherapeutische Ansätze für die Behandlung der Ihnen anvertrauten Patientinnen.
Köln, im Januar 2018
Univ.-Professor Dr. med. Dr. h.c. Axel Heidenreich
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Literatur
- 1 Schreiber Pedersen L, Lose G, Høybye MT. et al. Prevalence of urinary incontinence among women and analysis of potential risk factors in Germany and Denmark. Acta Obstet Gynecol Scand 2017; 96: 939-948