Der Klinikarzt 2017; 46(01/02): 15
DOI: 10.1055/s-0043-103454
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Limitationen in der Chirurgie

Tim Pohlemann
1   Präsident DGCH
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Publication Date:
04 April 2017 (online)

Die Chirurgie ist erneut im Umbruch. Während die letzten Jahre von stetigem Fortschritt und weitergehender Spezialisierung geprägt waren, werden derzeit die Grenzen und Nachteile des bestehenden Entgeltsystems für Krankenhäuser und Patienten immer offensichtlicher. Die deutliche Leistungsverdichtung, Personalmangel und fehlende Zeit für den Patienten verändert das gewohnte chirurgische Arbeitsumfeld erheblich und führt innerhalb der gesamten Chirurgie zur Rückbesinnung auf unsere chirurgischen Grundwerte: patientenbezogene Verantwortung, ein tiefes Vertrauensverhältnis und das Bestreben nach größtmöglicher Sicherheit in der Behandlung. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass sich die vorliegende Ausgabe des klinikarzt mit den „Limitationen in der Chirurgie“ beschäftigt. Nur wenn Defizite und Grenzen klar benannt werden, kann an zukünftigen Strategien gearbeitet, können Grenzen verschoben, Strategien verbessert werden.

In 5 Beiträgen werden unterschiedliche Chirurgische Themenkomplexe unter verschiedenen Perspektiven diskutiert.

Wolfgang Schwenk und Stephan M. Freys greifen in ihrem Beitrag die perioperative Medizin und Akutschmerztherapie auf. Hier sind rasante Fortschritte erreicht worden, insbesondere bei der Optimierung der Abläufe in Richtung von „Fast-Track“-Prozeduren und der interdisziplinären Verzahnung komplexer perioperativer Abläufe. Aber nicht jeder Patient ist für derartige Konzepte geeignet, eine verantwortungsvolle, individualisierte Auswahl zu treffen ist die große Herausforderung.

Claus-Dieter Heidecke und Hartwig Bauer beleuchten in ihrem Beitrag Methoden und Strukturen der Qualitätssicherung in der Chirurgie. Insbesondere die hohe Individualität von Patienten, Befunden und Prozeduren, die wissenschaftlich fundierte Betrachtung von Behandlungsfortschritten und damit das Aufstellen von allgemein gültigen Qualitätskriterien.

Hans-Detlev Saeger analysiert in seinem Beitrag die Rahmenbedingungen der chirurgischen Forschung in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der erwünschten schnellen Translation zum Patienten. Dagegen stehen zunehmende Regularien und Zulassungskriterien. Trotz Erfolge insbesondere in der klinischen Forschung, ist das Idealbild des „forschenden Chirurgen“ nur sporadisch realisiert.

René Wildenauer stellt die Erfolge der perioperativen Intensivmedizin in den Vordergrund. Insbesondere die Interdisziplinarität hat Fortschritte erreichen lassen, aber auch durch die hohe Spezialisierung eine „weitere Entfernung“ von den Inhalten des operativ tätigen Chirurgen hergestellt. Der Erhalt einer ganzheitlichen Verantwortung bleibt die Herausforderung.

Die Arbeitsgruppe Dirk Wilhelm, Hubertus Feußner und Kollegen widmet sich den Umsetzungsmöglichkeiten der technologiebasierten Innovationen in die chirurgischen Routineabläufe. Sie zeigen beeindruckend, dass trotz nachgewiesener Vorteile oft Barrieren bestehen um minimalinvasive Verfahren in die Routine einzuführen und plädieren insbesondere für spezifische Trainingskonzepte und intensivierte Forschung.

Ich danke allen Autoren für die umfassende Darstellung der Themen, die derzeit „die Chirurgie bewegen“ und wünsche allen Lesern neue, in diesem Themenkomplex ggf. auch überraschende Einblicke und Erkenntnisse!