Gesundheitswesen 2022; 84(08/09): 745-746
DOI: 10.1055/s-0042-1753668
Abstracts | DGSMP/DGMS
Vorträge
Thema: Versorgungsforschung

„Es werden keine Experimente gestartet hier…“ – Ergebnisse einer qualitativen Studie zu ungeplanten Krankenhauszuweisungen aus stationären Pflegeheimen

K Woock
1   Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Dep. Pflege & Management, Hamburg, Deutschland
2   Gesundheitsamt Kreis Pinneberg, Gesundheitsberichterstattung & Gesundheitsförderung, Elmshorn, Deutschland
,
N Meinert
1   Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Dep. Pflege & Management, Hamburg, Deutschland
,
L Völtzer
1   Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Dep. Pflege & Management, Hamburg, Deutschland
,
S Busch
1   Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Dep. Pflege & Management, Hamburg, Deutschland
› Institutsangaben
 

Einleitung Alte Menschen, die in einer stationären Pflegeeinrichtung leben, werden im Kontext eines krisenhaften Ereignisses häufig mit Rettungstransport oder Fahrdienst in die Notaufnahme eines Krankenhauses gebracht. Deutsche und internationale Studien der letzten Jahre zeigen, dass diese Krankenhauszuweisungen teilweise als potenziell vermeidbar eingestuft werden können. Ziel der vom GKV-Spitzenverband für 15 Monate geförderten Studie „NoMi – Notfalleinweisungen minimieren“ waren Darstellung und Analyse der Ist-Situation in den Einrichtungen eines Hamburger Pflegeheimbetreibers mit dem Fokus auf der Situation und dem subjektiven Erleben der Pflegefachkräfte.

Methoden Im Rahmen eines Mixed-Methods-Ansatzes wurden – neben der Analyse von Dokumentationsdaten und der Durchführung einer Kurzbefragung in teilnehmenden Einrichtungen – leitfadengestützte problemzentrierte Interviews mit insgesamt n=17 Pflegefachkräften mit und ohne Leitungsverantwortung sowie ein Expertinnen-Interview mit zwei Führungskräften des Betreibers geführt. Die Interviews wurden in Anlehnung an die inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse von Kuckartz kategorisiert und ausgewertet.

Ergebnisse Die Interviews geben Hinweise darauf, dass insbesondere zwei primäre Gründe einen Großteil der ungeplanten Krankenhauszuweisungen auslösen, nämlich Sturzereignisse und Probleme mit Dauerkathetern, letztere vor allem bei Männern. Neben diesen offensichtlichen Zuweisungsgründen gibt es eine Reihe sekundärer Gründe, die in der konkreten krisenhaften Situation ebenfalls zum Tragen kommen, darunter die jeweiligen organisatorischen Rahmenbedingungen, die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzt:innen oder mögliche haftungsrechtliche Implikationen.

Schlussfolgerung In Verbindung mit den anderen, im Rahmen des gewählten Mixed-Methods-Ansatzes gewonnen Daten lässt sich zeigen, dass Sturzereignisse und Komplikationen mit Dauerkathetern zu einem Großteil der ungeplanten Krankenhauszuweisungen führen. Gründe hierfür sind insbesondere die gefürchteten haftungsrechtlichen Implikationen und der Wunsch nach Absicherung. Die Zusammenarbeit mit Haus- und Facharztpraxen ist kaum geeignet, um im Bedarfsfall schnelle Interventionen zu ermöglichen. Die Leitungskräfte spielen eine entscheidende Rolle in Bezug auf den Entscheidungsspielraum der Pflegefachkräfte und prägen die entsprechende Kultur in den Einrichtungen. Mittels der genannten Aspekte lassen sich Handlungsfelder identifizieren, die fokussiert werden sollten, wenn eine Verringerung ungeplanter und potenziell vermeidbarer Krankenhauszuweisungen aus Pflegeeinrichtungen erreicht werden soll.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
22. August 2022

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