Zeitschrift für Phytotherapie 2022; 43(S 01): S29-S30
DOI: 10.1055/s-0042-1749479
Referate | Phytotherapie 2022 – innovativ

Einsatz der Mistel in der Veterinäronkologie – Bestätigen Ergebnisse einer aktuellen Übersichtsarbeit die Erfahrungen in der Praxis?

Ulrike Biegel
1   Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Frick, Schweiz
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Seit nunmehr 20 Jahren werden am Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL, Frick) die Wirksamkeit von Anwendungen mit Viscum album L. bei neoplastischen Erkrankungen von Hunden, Katzen und Pferden untersucht. Nach ersten Erfahrungen aus der Praxis wurden kontrollierte Studien durchgeführt. Zur Anwendung kamen hierbei fermentierte wässrige Extrakte verschiedener Wirtsbäume mit unterschiedlichen Konzentrationen, die meist 3 × pro Woche subkutan injiziert wurden. Bei bestimmten Tumorerkrankungen, wie dem felinen Fibrosarkom auch «Injektion side sarcoma», bei denen sich viele Injektionen verbieten oder im Falle zunehmender Abwehr der Tiere, wurde ein orales Eichenmistelpräparat (Viscum Quercus Praeparatum 0,1% Dilutio aquosa) verwendet. Schliesslich wurde in einer Übersichtsarbeit (zur Publikation in Complementary Medicine Research angenommen) das Wissen hinsichtlich der Mistelanwendung bei Tieren bzw. bei Tumorzelllinien, die für die Tiermedizin relevant sind, zusammengetragen und ausgewertet. Vorläufige Ergebnisse werden im Folgenden dargelegt.

Insgesamt konnten aus den 61 eingeschlossenen Untersuchungen vier klinische Studien in die Übersichtsarbeit aufgenommen werden, die in sich schon eine Bestätigung der Erfahrungen aus der Praxis darstellen. Es handelte sich dabei um Studien zur Viscumtherapie (VT) des Equinen Sarkoids [1], von caninen Gesäugetumoren [2], des caninen oralen malignen Melanoms [3] sowie des Sticker-Sarkoms der Hündin [4], die im Folgenden kurz dargestellt werden.

Erfolgreiche praktische Erfahrungen bei der VT von Pferden mit Sarkoiden führten zu einer RCT Studie, bei der sich unter der 15 Wochen andauernden VT und einer Nachbeobachtung von 12 Monaten signifikante Heilungs- und Besserungsraten zeigten (Beispiel in [Abb. 1] und [Abb. 2]) [1].

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Abb. 1 Studienpatient, Wallach, braun, *1999: vor der Viscumtherapie, noduläres ulzerierendes Sarkoid an der Schenkelinnenseite und verruköses Sarkoid am Präputium.
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Abb. 2 Studienpatient, Wallach, braun, *1999, nach Ende der Viscumtherapie. Noduläres ulzerierendes Sarkoid an der Schenkelinnenseite abgefallen, verruköses Sarkoid am Präputium verschwunden.

Bei der Studie zur postoperativen VT von Hündinnen mit Adenokarzinom des Gesäuges zeigte sich eine Tendenz (p=0,07) zur Verringerung des tumorbedingten Sterberisikos auf 25% (Hazard Ratio 0,251, 95% KI 0,056–1,222). Darüber hinaus wurde die Lebensqualität (LQ) der Tiere unter der Misteltherapie systematisch überprüft, da eine Krebstherapie immer auch die Lebensqualität im Blick behalten sollte, was in vielen klinischen Studien zu diesem Thema bisher wenig berücksichtigt wurde [5]. Eine auf hohem Niveau gleichbleibend stabile LQ konnte gezeigt werden [2].

Eine weitere klinische Studie befasste sich mit der VT nach Bestrahlung von oralen malignen Melanomen des Hundes [3]. Eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit, verglichen mit den ausschliesslich bestrahlten Tieren konnte gezeigt werden.

Die VT von Hunden mit Sticker-Sarkom wurde in Brasilien durchgeführt, da diese Tumorart dort weit verbreitet ist [4]. Verglichen mit den Hunden, die ausschliesslich Chemotherapie (Vincristin) erhalten hatten, zeigte eine zusätzliche VT sowohl signifikante Reduktionen der notwendigen Chemotherapiezeit, als auch Verminderungen der durch das Vincristin verursachten Neutropenien.

Über diese Studien hinaus, gibt es in Fallserien bei Fibrosarkom der Katze, aber auch in Einzelfällen aus der Praxis, vielversprechende Resultate mit der VT bei Hämangiosarkomen, Mastzelltumoren von Hunden oder auch Gesäugetumoren der Katze. Diese sollten in kontrollierten Studien überprüft werden.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
13. Juni 2022

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  • Literatur

  • 1 Christen-Clottu O. et al. Treatment of clinically diagnosed equine sarcoid with a mistletoe extract (Viscum album austriacus). J Vet Intern Med 2020; 24: 1483-1489
  • 2 Biegel U. et al. Postoperative adjuvante Therapie mit einem Mistelextrakt (Viscum album ssp. album) bei Hündinnen mit Mammatumoren. Complement Med Res 2017; 24: 349-357
  • 3 von Bodungen U. et al. Combination therapy with radiation and adjuvant mistletoe extract (Viscum album L.) for the treatment of oral malignant melanoma in dogs: a retrospective study. Complement Med Res 2017; 24: 358-363
  • 4 Lefebvre GNF. et al. Treatment of transmissible venereal tumor (tvt) in dogs with Viscum album (Mistletoe) associated to chemotherapy. Clinica Veterinaria 2007; 12: 78-86
  • 5 Giuffrida MA, Kerrigan SM. Quality of life measurement in prospective studies of cancer treatments in dogs and cats. J Vet Intern Med 2014; 28: 1824-1829