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DOI: 10.1055/s-0042-101730
Prävention bei psychischen Erkrankungen – ein Beispiel für einen nachhaltig erfolgreichen Ansatz
Publication History
Publication Date:
08 March 2016 (online)
Die sozioökonomische Bedeutung psychiatrischer Erkrankungen hat weltweit zugenommen und die Zahl der Krankschreibungen und Frühberentungen wegen psychischer Störungen im Allgemeinen und wegen Depressionen im Besonderen sind nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Angesichts dieser Situation ist mittlerweile klar, dass es künftig nicht nur auf wirksamere und frühzeitigere Therapien und die Implementierung leitlinienorientierten Wissens in die Praxis ankommt, sondern auch auf Prävention. Seit geraumer Zeit ist spürbar, dass dem Thema eine stärkere Aufmerksamkeit als früher geschenkt wird.
Allerdings gibt es im Bereich der Präventionsstudien auch viele frustrane Befunde und Erkenntnisse. So sind etwa für Studien zu primärer oder universeller Prävention, d. h. bei denen repräsentative Bevölkerungsstichproben ohne besonderes Erkrankungsrisiko erfasst werden, riesige Fallzahlen erforderlich, um überhaupt die Chance auf statistisch signifikante Effekte zu erhalten. Ebenfalls braucht es lange Beobachtungszeiträume, um aussagekräftige Ergebnisse messen zu können. Dies ist nicht nur bezüglich der möglichen Ergebnisse solcher Studien eher unbefriedigend, sondern auch für Forschergruppen, die einen hohen Aufwand betreiben müssen, um solche Studien durchzuführen. Etwas einfacher gestaltet es sich mit Studien zur sekundären oder indizierten Prävention, bei denen nicht Bevölkerungsstichproben, sondern Risikogruppen untersucht werden.
Die Ergebnisse einer aktuellen Studie zur Prävention von Depression zeigen, dass verhältnismäßig einfache Ansätze zur sekundären Prävention nachhaltig funktionieren können [1]. Die Zielgruppe waren in diesem Fall Jugendliche im Alter von 13-17 Jahren, die aktuell nicht an einer depressiven Episode litten. Sie wiesen aber ein deutlich erhöhtes Depressionsrisiko auf, weil sie ein Elternteil hatten, welches schon einmal an einer Depression erkrankt war. Diese Jugendlichen erhielten ein kognitiv-behaviorales Gruppentherapieprogramm über 8-mal 90 Minuten, in dem es v. a. um den Umgang mit Depression, kognitive Umstrukturierung und Problemlösefertigkeiten ging. Damit sollte depressiven Störungen vorgebeugt werden. Das Forscherteam hat sich sehr große Mühe gegeben, die Nachhaltigkeit ihrer Intervention zu messen, was sich nicht nur in dem 6-jährigen Nachbeobachtungszeitraum, sondern auch in der knapp 90 %igen Rücklaufquote zeigte. Das Programm zeigte Wirkung, denn nach der Intervention hatte die Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe eine deutlich niedrigere Depressionsinzidenz und v. a. auch einen besseren Entwicklungsstand. Letzteres ist vielleicht noch bedeutsamer angesichts der berechtigten Kritik, dass in wissenschaftlichen Studien viel zu häufig nur auf Symptome und damit mögliche Surrogatmarker geschaut wird, als auch auf tatsächlich für das Leben relevante Veränderungen.
Es gibt also durchaus erfolgreiche Präventionsansätze mit nachhaltiger Wirkung und noch überschaubarem Aufwand. Wenn man die psychosozialen Folgen der Depression betrachtet, ist der in der Studie betriebene Aufwand sicherlich nicht übertrieben. Viele psychische Erkrankungen neigen, wenn sie erst einmal bestehen, zur Chronifizierung und oft entsteht ein Teufelskreis aus den Folgen der psychischen Erkrankung, der dann als aufrechterhaltender Faktor wirkt.
Eine sehr frühzeitige Therapie einerseits und Prävention andererseits sind daher wichtige Herausforderungen für unsere Gesellschaft und sollten noch stärker gefördert werden. Dabei werden Projekte mit primärer Prävention vermutlich immer aufwendig bleiben, sodass Ansätze mit sekundärer, gezielter Prävention bei Risikogruppen mehr Zukunft haben dürften.
Ulrich Voderholzer, Prien
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Literatur
- 1 Brent DA, Brunwasser SM, Hollon SD et al. Effect of a cognitive-behavioral prevention program on depression 6 years after implementation among at-risk adolescents: A randomized clinical trial. JAMA psychiatry 2015; 72: 1110-1118