Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(04): 289-290
DOI: 10.1055/s-0042-101425
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Facharztprüfung Innere Medizin: Infektionserkrankungen

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Publication Date:
17 February 2016 (online)

 

    Bei Ihnen in der Notaufnahme wird ein 17-jähriger junger Mann vorgestellt. Bei ihm ist es plötzlich zu hohem Fieber gekommen sowie Schüttelfrost, Somnolenz, Kopfschmerzen. Bei der Untersuchung sehen Sie einen schwerkrank wirkenden Patienten, es besteht ein ausgeprägter Meningismus. Woran denken Sie?

    Antwort: An eine Meningitis.

    Kommentar Meningitis:

    klinisches Bild:

    • plötzlicher Beginn,

    • Fieber, Schüttelfrost,

    • Kopfschmerzen, Lichtscheu, Schwindel,

    • Verwirrung, Schläfrigkeit, Stupor, Koma.

    Meningismus:

    • Nackensteifigkeit,

    • Brudzinski-Zeichen = Anziehen der Beine bei Bewegen des Kopfes,

    Hauterscheinungen:

    • Petechien,

    • flächige Hämorrhagien,

    • makulopapulöse Effloreszenzen.

    Welches ist die wichtigste Frage, die Sie jetzt beantworten müssen?

    Antwort Eitrige oder nichteitrige Meningitis.

    Kommentar Meningitis:

    • bakteriell: schweres Krankheitsbild,

    • viral: u. U. geringer ausgeprägte Symptome.

    Und wie beantworten Sie diese Frage?

    Antwort Durch eine Liquorpunktion.

    Kommentar Liquorpunktion bei Meningitis:

    • Liquor trüb: bakteriell,

    • Liquor klar: viral.

    Was tun Sie noch vor der Liquorpunktion?

    Antwort Untersuchung des Augenhintergrundes.

    Cave erhöhter Hirndruck, Gefahr der Hirnstammeinklemmung.

    Worauf lassen Sie den Liquor untersuchen?

    Antwort Mikroskopisch, Kultur, Eiweiß, Glukose, Lactat.

    Kommentar Liquoruntersuchung bei V. a. Meningitis:

    1. Gramfärbung,

    2. Zellbild:

      • bakteriell: Zellzahl hoch, Granulozyten,

      • viral: Zellzahl niedrig, Lymphozyten,

    3. Eiweiß, Glukose, Lactat.

      • bakteriell: Glukose niedrig, Eiweiß hoch, Lactat hoch,

      • viral: Glukose, Eiweiß und Lactat normal.

    Sie haben eine Liquorpunktion durchgeführt, und der Liquor ist trüb. Mit welchen Keimen können Sie rechnen?

    Antwort Meningokokken, Pneumokokken, Staphylokokken, Pseudomonas.

    Kommentar Erreger der bakteriellen Meningitis:

    • Haemophilus influenzae (besonders Kleinkinder),

    • Neisseria meningitidis (besonders Kinder),

    • Streptococcus pneumoniae (besonders Erwachsene),

    • Staphylococcus aureus,

    • Pseudomonus aeruginosa,

    • Listerien.

    Wissen Sie auch, welche Viren eine Meningitis verursachen?

    Antwort Sehr viele, ubiquitär vorkommende Viren: HSV, CMV, VZV und Viren, die Kinderkrankheiten hervorrufen, sowie viele andere.

    Kommentar Erreger der viralen Meningitis:

    • HSV, CMV, VZV,

    • Mumps, Masern,

    • Coxsackie-, ECHO-Viren.

    Wie behandeln Sie den Mann mit der eitrigen Meningitis?

    Antwort Noch vor Eingang der Untersuchungsergebnisse antibiotisch mit Cephalosporinen der Gruppe 3, evtl. kombiniert mit Penicillin und Aminoglykosiden.

    Kommentar Antibiotikabehandlung der eitrigen Meningitis vor Erregeridentifizierung:

    • Cephalosporine: Cefotaxim 4 × 2 g / d oder Ceftriaxon, 2 × 2 g / d,

    • evtl. plus Ampicillin 4 × 2 g / d,

    • evtl. plus Gentamicin 3 × 80 mg / d.

    Wie schätzen Sie die Prognose der Meningokokken-Meningitis ein?

    Antwort Sehr ernst, insbesondere bei Erwachsenen, Sterblichkeit bis über 50 %.

    Kommentar Prognose der Meningokokken-Meningitis:

    • bei Kleinkindern günstiger, Sterblichkeit unter 10 %,

    • bei Erwachsenen ungünstiger, Sterblichkeit bis über 50 %.

    Mit welchen Komplikationen können Sie rechnen?

    Antwort Die gravierendste ist die Meningokokken-Sepsis mit sehr hoher Sterblichkeit (Waterhouse-Friederichsen-Syndrom). Außerdem subdurales Empyem, Hirnabszess, Hydrozephalus.

    Kommentar Komplikationen der bakteriellen Meningitis:

    • Meningokokkensepsis,

    • subdurales Empyem, Hirnabszess, Hydrozephalus, Hirnödem.

    Wir kommen noch einmal auf den jungen Mann zurück. Sie haben ihn jetzt stationär aufgenommen, eine Meningokokken-Meningitis diagnostiziert und eine adäquate Behandlung eingeleitet. Ist das jetzt alles?

    Antwort Nein, jetzt muss noch eine Chemoprophylaxe bei Kontaktpersonen stattfinden.

    Kommentar Meningokokken-Meningitis:

    Chemoprophylaxe bei Kontaktpersonen:

    • Rifampicin 600 mg in 2 Dosen an 2 Tagen oder

    • Ciprofloxazin einmal 500 mg p. o. an einem Tag,

    Kinder und Schwangere:

    • Ceftriaxon 125 bzw. 250 mg i. m.

    Zu Ihnen kommt ein 35 Jahre alter homosexueller Mann. Er klagt über einen generalisierten Ausschlag, der seit etwa 5 Wochen bestünde, außerdem fühlt er sich krank, es bestünden Muskel- und Gelenkschmerzen. Bei der Untersuchung sehen Sie ein symmetrisches kleinfleckiges makulopapulöses Exanthem an Stamm und Extremitäten sowie an den Handinnenflächen. Welches ist die wichtigste Differenzialdiagnose, die Sie berücksichtigen?

    Antwort Lues.

    Kommentar Exanthem bei Lues:

    • Stamm,

    • Extremitäten,

    • Handinnenflächen (im Gegensatz zu anderen exanthematösen Erkrankungen, z. B. Virusexanthem, Arzneimittelexanthem).

    Was machen Sie diagnostisch als nächstes?

    Antwort Einen TPHA-Test.

    Kommentar TPHA-Test (Treponema-pallidum-Hämagglutinations-Test):

    • Suchtest bei V. a. Lues:

    • positiv: 2 – 3 Wochen nach Infektion,

    • Bestätigung durch: FTA-ABS-Test (= Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest).

    Die Tests sind positiv. Wann hat sich der Patient die Erkrankung wahrscheinlich zugezogen und in welchem Stadium seiner Erkrankung findet er sich?

    Antwort Er hat sich die Erkrankung wahrscheinlich vor mehreren Monaten zugezogen, offenbar liegt das Stadium II der Lues vor.

    Kommentar Die Lues verläuft in drei gut unterscheidbaren Stadien.

    Können Sie diese Stadien kurz charakterisieren?

    Antwort Zunächst: die lokalisierte Infektion am Genitale mit dem typischen Ulcus durum und dem dazugehörigen Lymphknoten. Nach 2 – 3 Monaten folgt das Stadium II, die Dissemination der Erkrankung mit Exanthem, Angina syphilitica, Lymphknotenvergrößerungen. Das Stadium III tritt nach Jahren oder Jahrzehnten auf und ist charakterisiert durch nekrotische Einschmelzungen (Gummata) in zahlreichen Organen mit entsprechenden Komplikationen.

    Kommentar Stadien der Lues:

    • Stadium I: lokale Infektion, 1–4 Wochen nach Ansteckung,

    • Stadium II: Disseminationsstadium, 2–3 Monate nach Infektion,

    • Stadium III, Organkomplikationen: Jahre bis Jahrzehnte nach Infektion.

    Wie behandeln Sie den Mann?

    Antwort Mit Penicillin i. m.

    Kommentar Standardtherapie der Syphilis:

    1. Früh-Syphilis:

      • Clemizol-Penicillin G 1 Mio. IE 14 Tage i. m. oder

      • Benzathin-Penicillin G 2,4 Mio. IE Tag 1 und Tag 8 i. m.

      • Bei Penicillinallergie: Doxycyclin, Erythromycin.

    2. Spät-Syphilis:

      • Clemizol-Penicillin G 1 Mio. IE i. m., 21 Tage oder

      • Benzathin-Penicillin G 2,4 Mio. IE, Tag 1, 8 und 15.

    3. Neuro-Syphilis:

      • Penicillin G 6 × 5 Mio. IE / Tag i. v., 14 Tage oder

      • Clemizol-Penicillin 1 Mio IE / Tag i. m., 21 Tage.

      • Bei Penicillinallergie: Doxycyclin.

    Jetzt kommen wir zu einer in Deutschland selteneren Erkrankung. Kennen Sie die Symptome der Cholera?

    Antwort Die Erkrankung beginnt plötzlich mit Erbrechen und massiven wässrigen Diarrhöen und sehr großem Flüssigkeitsverlust mit Hypovolämie und Apathie bis zum hypovolämischem Schock.

    Kommentar Symptome der Cholera:

    • Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,

    • Hypovolämie, Hypotonie, Tachykardie,

    • Apathie, Somnolenz, Koma,

    • Schock, akutes Nierenversagen.

    Erkrankt eigentlich jeder an Cholera, der sich infiziert?

    Antwort Nein, die wenigsten erkranken. In 80 % der Fälle verläuft die Erkrankung asymptomatisch.

    Kommentar Verlaufsformen der Cholera:

    • asymptomatisch: bis 80 %,

    • mittelschwere Verläufe: ca. 15 %,

    • schwere Verläufe: 5 %,

    • Cave: die Zahlen variieren stark, abhängig vom Endemiegebiet.

    Regel Die Cholera verläuft meistens asymptomatisch.

    Wie wird die Diagnose gestellt?

    Antwort Durch den Erregernachweis im Stuhl.

    Cave sehr empfindlicher Keim, Nachweis in der Dunkelfeldmikroskopie.

    Wie wird die Cholera behandelt?

    Antwort Im Vordergrund steht die Flüssigkeitssubstitution, außerdem die antibiotische Behandlung mit Tetracyclinen.

    Kommentar Ausweichmedikamente: Chinolone, Makrolide.

    Nachdruck aus:

    Berthold Block, Facharztprüfung Innere Medizin, 3000 kommentierte Prüfungsfragen 4. Aufl., kompl. überarb. akt. 2011, 576 S., 106 Abb., kart. ISBN: 9783131359544


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