JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2015; 04(06): 254-255
DOI: 10.1055/s-0041-106882
Kolummne · Rechtsticker
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kolummne · Rechtsticker

Heidi Günther
,
Tobias Weimer
1   WEIMER I BORK – Kanzlei für Medizin-, Arbeits- & Strafrecht, Frielinghausstr. 8, 44803 Bochum, Email: info@kanzlei-weimer-bork.de
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Publication Date:
07 December 2015 (online)

KOLUMNE

Voll im Trend

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(Foto: Paavo Blåfield)

Wandel und Wechsel liebt, wer lebt.

(Richard Wagner (1813–1883), deutscher Komponist)

Jetzt gerade, während ich die Kolumne schreibe, hat sich der Sommer mit einem großen Knall verabschiedet. Hatten wir gestern noch 34 °C im Schatten, kommt das Thermometer heute mit größter Mühe auf ganze 16 °C. Prompt muss ich kleidertechnisch umswitchen. Von simplen T-Shirt und Jeans muss ich umdenken auf … – ja, auf was eigentlich? Was ist in diesem Herbst denn Trend? Tun es meine Klamotten vom letzten Jahr noch oder ist eine ausgiebige Shoppingtour nötig? Was ist gerade angesagt? Und wer bestimmt das eigentlich und will oder muss ich mich daran halten?

Es ist ja offensichtlich so, dass unser gesamtes Leben von irgendwelchen Trends bestimmt wird. Putze ich mir am Morgen mit einer simplen Zahnbürste und Billigzahnpasta die Zähne? Oder nehme ich die hypermoderne Megasonex-Ultraschallzahnbürste, die mit 96.000.000 Impulsen und bis zu 18.000 Schwingungen in der Minute, selbstverständlich geräuschlos, meine Zähne bearbeitet? Creme ich mich nach dem Duschen gar nicht ein? Oder nehme ich, weil ich es mir wert bin, die „L’Oréal Paris Sublime Body Nutri Soft“-Körperlotion? (Früher hätte es auch Melkfett getan.)

So geht das den lieben langen Tag. Immer sind wir irgendwelchen Trends ausgesetzt. Auch in unserem Arbeitsalltag ist heute nichts mehr so, wie wir es vor einem, zwei oder zehn Jahren war. Und das ist, fast immer, auch gut so. Während wir heute mit digitalen Kurven auf einer fast papierlosen Station arbeiten, kann ich mich noch sehr gut an die Zeiten vor PC und Laptop erinnern. Gut, das ist jetzt keine besondere Merkleistung von mir, denn es ist ja gerade einmal zwei bis drei Jahre her, dass wir ausführliche Patientenkurven, Überwachungsbögen und Patientenberichte mühsam per Hand geschrieben haben. Bei bis zu 36 Patienten auf einer Station eine sehr zeitraubende Angelegenheit. Ich kann mich aber auch noch gut an die Zeit erinnern, als die Stationsleitungen die Dienstpläne auf formloses Papier geschrieben haben, auf die sie erst mühsam die jeweiligen Monate aufmalen mussten. Das ist dann allerdings schon mehr als zwanzig Jahre her. Und erst die Dienstabrechnungen! Es ist fast ein Wunder, dass es meist alles so geklappt hat, wie es sein sollte. Heute habe ich mein Dienstplanprogramm, das mitrechnet, das darauf achtet, dass ich nicht nur irgendwelche Arbeitsgesetze einhalte, sondern auch Mindest- und Höchstbesetzung der Station beachte. Und die Abrechnung am Monatsende? Kein Problem mehr. Natürlich muss ich nicht großartig erwähnen, dass das alles nur funktioniert, wenn die PCs auch laufen und nicht irgendwelche Programme abstürzen. Wenn ich jetzt anfangen würde zu berichten, wie es ist, wenn die Programme nicht mehr arbeiten, würde diese Kolumne ein Mehrteiler werden. Ich mach es lieber kurz: Es ist nicht besonders lustig!

Auch die Patientenversorgung auf Station ist einem ständigen Wandel und den immer neusten Trends auf oft wissenschaftlicher Basis unterlegen. Wer das eine oder andere Jahr im Beruf ist, hat das sicherlich schon miterlebt. Ich kenne noch Zeiten, da wurden die Patienten nachts gewaschen. Soweit ich weiß, macht man das heute nicht mehr. Frisch operierte Patienten, die noch am OP-Tag aufstehen? Früher undenkbar. Und erst die Wundversorgung! Da geht gewissermaßen ein täglicher Wandel vonstatten. Wundmanager oder Wundtherapeuten, die mit ihren Alginaten und Hydrokolloiden um die Ecke kommen, sind gefragt wie nie.

Die Sache mit dem Wandel und den zu erwartenden Trends beschäftigt eine ganze Industrie. Es gibt Trend- und Marktforschungsinstitute und Trendsetter. Es gibt Trendphänomene und einen Kurstrend für die Börse. Für das große gesellschaftliche Ganze gibt es sogar Megatrends, die ganze Internetseiten füllen. Der interessierte Bürger kann sich nach entsprechender Anmeldung auch von einem Zukunftsinstitut einen monatlichen Newsletter nach dem Motto: „Bleiben Sie mit der Zukunft auf Augenhöhe!“ schicken lassen.

Ich habe mir das natürlich alles durchgelesen. Na gut, vielleicht nicht alles, denn irgendwann war es mir dann doch über. Und was soll ich sagen, die Erkenntnisse über unsere Zukunft sind nicht gerade ein Hexenwerk, das in weihrauchgeschwängerter Luft in einer Glaskugel entdeckt wurde. Im Grunde genommen habe ich da nur gelesen, was ich als durchschnittlich politisch interessierter und gebildeter Mensch ohnehin schon wusste. Zum Beispiel, dass die Globalisierung eine zentrale Herausforderung in der Zukunft ist. Oder, zum Thema Gesundheit: „ Gesundheit ist nicht mehr das Gegenteil von Krankheit, sondern ein Bewusstsein für die Balance der individuellen Lebensenergie …“. Hübsch ist auch: „Städte erfahren eine Renaissance als Lebens- und Kulturform.“ Nun wissen wir das auch.

Nur was ich nun diesen Herbst anziehen soll, um voll im Trend zu sein, das weiß ich immer noch nicht!

In diesem Sinne,

Ihre
Heidi Günther
hguenther@schoen-kliniken.de