JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2015; 04(04): 152
DOI: 10.1055/s-0041-103764
Praxis
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Grüße aus Serbien

Judith Vetter
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Publication Date:
06 August 2015 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
dieses Mal führte mich meine Reise nach Belgrad, die Hauptstadt Serbiens. Dort angekommen stellte ich schnell fest, dass man nicht sehr weit reisen muss, um eine Armut wie in Asien zu sehen. Die Slums der Roma, die sich auf Müllkippen und unter Brücken gebildet haben, stellen ein hygienisches und gesellschaftliches Problem dar. Dort leben die meisten Roma, ohne fließendes Wasser und ohne Strom. Dementsprechend werden sie aus der sozialen Welt Belgrads ausgegrenzt und verachtet.

Kommt eine Roma-Frau ins Krankenhaus um zu gebären, wird nur das Nötigste unternommen, denn Roma können nicht bezahlen. Aber auch vielen Serben geht es so. Eine Krankenschwester verdient ca. 300 Euro monatlich. Sie muss dafür unter schlechten hygienischen Bedingungen arbeiten, wofür die Pflegekräfte die finanzielle Situation der Kliniken verantwortlich machen.

Eine gute Behandlung bekommt, wer mehr zahlt. Die Roma gehören nicht dazu, wie bereits erwähnt, und Kinder sind die größten Opfer. Frühgeburten werden häufig in der Klinik zurückgelassen, da die Bewohner der Slums keine angemessene Pflege in ihren Hütten leisten können. Kleinkinder sterben nicht selten an Krankheiten, die durch mangelnde Hygiene ausgelöst werden, wie zum Beispiel an einer banalen Diarrhö. Hautdefekte sind bei Roma-Kindern völlig normal. Insbesondere Hautfalten von Säuglingen sind wegen mangelhafter Pflege entzündet. Um einen höheren Gewinn beim Betteln zu erlangen, werden Kleinkinder häufig benebelt, zum Beispiel durch Toxine wie Klebstoff. Laut den Eltern geben die Leute mehr Geld, wenn ein Kind krank aussieht.

Einmal habe ich mir ein solches Kind bei einem meiner Besuche in einer Roma-Siedlung näher angesehen. Es war im Krabbelalter und wirkte apathisch. Ich habe geraten, schnellstens eine Klinik aufzusuchen. Die Mutter erklärte, sie müsse sich um die Verpflegung ihrer anderen Kinder kümmern. Am nächsten Tag habe ich von einer Sozialarbeiterin gehört, dass das Kind verstorben ist.

Es gibt mittlerweile vereinzelte Einrichtungen, wie das „Svratiste Beograd“, die den Kindern das Leben auf der Straße ersparen sollen. Eine Tagesstätte, in der Roma-Kinder essen, duschen, lernen und spielen können. Hier habe ich drei Monate lang einen Freiwilligendienst absolviert. Medizinische Hilfe ist ständig notwendig. Oft kommen Kinder hierher mit Tierbissen von Straßenhunden und -katzen. Auch Hämatome durch Gewalt in der Familie sind nicht selten. Besonders bei den Mädchen. Leider werden Verletzungen von den Roma nicht sonderlich ernst genommen.

Schockierende Zustände, so nah dran an Deutschland. Während sich die Medizin und die Pflege bei uns ständig verbessern, fehlen in Serbien teilweise Grundlagen. An ambulante Pflege zum Beispiel ist gar nicht zu denken.

Ich verlasse Serbien mit gemischten Gefühlen: dankbar für neue Erfahrungen und erschüttert über den geringen Entwicklungsstand.

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In solchen Hütten ohne fließendes Wasser leben die meisten Roma in Belgrad. (Foto: Judith Vetter)

Und schaue wieder mit Spannung und Vorfreunde auf die kommenden Monate. Sie werden mich nach Afrika führen.

Liebe Grüße,
Judith Vetter