Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(05): 203-204
DOI: 10.1055/s-0034-1398003
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Neonatologie
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Respiratory Distress Syndrome – Risiken nicht-invasiver Atemhilfen für die Entstehung von „Air Leaks“

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Publication Date:
10 November 2015 (online)

Hintergrund: Frühgeborene mit Respiratory Distress Syndrome (RDS), die mit positivem Druck und / oder großem Atemzugvolumen beatmet werden, haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines „Air Leak“ (Pneumothorax, -perikard, -mediastinum, interstitielles Lungenemphysem). Um eine Intubation und eine invasive mechanische Ventilation zu vermeiden, erfolgt bei diesen Kindern im Rahmen der Kreißsaalerstversorgung meist ein alveoläres Recruitment mit Hilfe von Blähmanövern („Sustained Inflation“) mit anschließender CPAP (Continuous Positive Airway Pressure)-Atemhilfe bzw. nicht invasiver Beatmung. Die Arbeitsgruppe um Hummler ging der Frage nach, welche Risikofaktoren bei den auf diese Weise behandelten Frühgeborenen für einen extrapulmonalen Luftaustritt prädisponieren.

Methoden: In die retrospektive Studie wurden 297 zwischen 2004 und 2009 am Perinatalzentrum der Universität Ulm behandelte Frühgeborene (medianes Gestationsalter 26 + 0 SSW; Spanne 22 + 3-28 + 6) eingeschlossen. Kinder mit lebhaften Atemanstrengungen wurden unmittelbar mit CPAP versorgt. Bei ausbleibenden Atembemühungen erfolgten über einen nasopharyngealen Tubus wiederholte Blähmanöver (15 s; 20–30 cm H2O) bis zur Normalisierung von Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung. Anschließend erhielten diese Kinder ebenfalls eine CPAP-Atemhilfe oder eine intermittierende mandatorische Ventilation.

Ergebnisse: Das mediane Geburtsgewicht der Kinder betrug 790 g (265–1660). 270 Kinder (91 %) überlebten bis zur Klinikentlassung. Bei 63 Patienten (21,2 %) wurde nach durchschnittlich 16 Stunden (0–113) post partum ein Air Leak diagnostiziert (Pneumoperikard: n = 1; Pneumothorax: n = 18; interstitielles Emphysem: n = 30; Pneumothorax und Emphysem: n = 14). Die Kinder mit Air Leak waren unreifer, waren pränatal seltener mit Steroiden versorgt worden, hatten signifikant häufiger einen niedrigeren Apgar-Score, waren im Rahmen der Erstversorgung häufiger kardial reanimiert bzw. endotracheal intubiert worden und hatten häufiger Epinephrin erhalten. Auch die Dauer der invasiven Beatmung sowie die Gabe von Surfactant waren mit dem Auftreten eines Luftlecks assoziiert. Blähmanöver waren in beiden Gruppen gleich häufig eingesetzt worden, bei den Kindern mit Luftleck war jedoch signifikant häufiger ein Druck von 30 cm H2O angewendet worden. Die Kinder mit Air Leak hatten ein signifikant höheres Mortalitätsrisiko sowie ein höheres Risiko für eine intraventrikuläre Blutung und für eine Early-Onset-Sepsis. Mittels multivariater Regressionsanalyse wurden die pränatale Steroidapplikation (OR 0,41; 95 %-CI 0,20–0,85; p = 0,02), die Gabe von Epinephrin im Kreißsaal (OR 3,56; 1,55–8,15; p = 0,003) sowie die Surfactantgabe (OR 12,03; 3,39–42,72; p = 0,001) als signifikante unabhängige Risikoindikatoren für ein Luftleck identifiziert.

Fazit

Im untersuchten Kollektiv unreifer Frühgeborener, die im Rahmen der Kreißsaalerstversorgung mit „Sustained Inflation“, CPAP bzw. nicht invasiver Beatmung versorgt worden waren, so die Schlussfolgerung der Autoren, trat bei einer erheblichen Anzahl von Kindern ein Luftleck auf, das wiederum für schwere Komplikationen (Tod, Hirnblutung) prädisponierte. Die Gabe von Epinephrin und Surfactant wurden als signifikante Risikofaktoren für ein Air Leak identifiziert, wogegen das Blähmanöver keinen Risikofaktor darstellte und für pränatale Steroide ein protektiver Effekt nachgewiesen werden konnte.

Dr. Judith Lorenz, Künzell