Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(3): 109
DOI: 10.1055/s-0034-1397791
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Geburtshilfe
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Antidepressiva – Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren oder Venlaxafin: Erhöhtes Risiko für fetale Fehlbildungen?

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Publication Date:
26 June 2015 (online)

Hintergrund: Eine steigende Zahl von Schwangeren (3–10 % ) ist unter Therapie mit Selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) bei Depressionen. Die bisher existierenden Studien zeigen eine Bandbreite an Fehlbildungen bei Feten, insbesondere kardiovaskuläre, ein teratogenen Einfluss lässt sich jedoch nicht eindeutig feststellen. Die vorliegende Studie untersucht den Einfluss der Einnahme im ersten Trimenon auf fetale Fehlbildungen.

Methoden: Für die multinationale Kohorten- und Geschwisterstudie wurden die skandinavischen Datenbanken nach Fehlbildungen und Exposition mit SSRI oder Venlafaxin in den Jahren 1996–2010 durchsucht. Eingeschlossen wurden Frauen, die zwischen 30 Tage vor oder 97 Tage nach der letzten Menstruation ein Rezept für diese Medikamente eingelöst hatten. Der Fokus lag insbesondere auf kardiovaskulären Fehlbildungen und Atresien, Hypospadien, Zystennieren und Raphenstörungen. Zusätzlich wurden andere Medikamente mit Einfluss auf diese Systeme wie Antidiabetika, Anxiolytika, Neuroleptika und RAS-Inhibitoren erfasst. Ebenso wurde die statistische Analyse für weitere maternale Faktoren wie Alter adjustiert. Die Geschwisterkohorte wurde auf Familien begrenzt, die ein gesundes und ein krankes Kind hatten wobei eines der beiden einem SSRI exponiert worden war.

Ergebnisse: 2 303 647 Kinder konnten eingeschlossen werden, davon in der Geschwistergruppe 2288 Kinder. 1,6 % der Kinder in der Gesamtkohorte waren exponiert im 1. Trimenon. Die Zahl stieg während des Zeitraums von 0,6 % (1996–2000) auf 2,2 % (2006–2010). 3,7 % versus 3,2 % der nicht exponierten Kinder hatten einen gravierendes Geburtsfehler. Das Risiko für einen kongenitalen Herzfehler war bei alle SSRI signifikant erhöht (1,13, 95%-Konfidenzintervall 1,06-1,20) wobei es eine Variation von 1,34 und 1,40 gab. Ausnahme war Escitalopram. Besonders betroffen war der rechte Ausflusstrakt bei allen SSRI, Paroxetin hatte einen erhöhten Einfluss auf das contruncale System. Ebenso war das Klumpfuss- und Omphalozelenrisiko (zweifach) erhöht, nicht aber das Risiko für Zystennieren, fehlende Gliedmassen oder Hypospadie. Sertralin zeigte ein 2,5-fach erhöhtes Risiko für Analatresien. In der Geschwisterkohorte fanden sich auch nach statistischer Bereinigung keine höheren Risikoraten als in der Gesamtkohorte, auch der Zeitpunkt der Exposition (erstes oder zweites Kind) hatte keinen zusätzlichen Einfluss auf die Inzidenz an Fehlbildungen.

Fazit

Venlafaxin hat keinen Einfluss auf die Fehlbildungsrate. Alle SSRI haben einen Einfluss auf kardiale Fehlbildungen (13 % erhöht), insbesondere auf den rechten Ausflusstrakt (15 % erhöht). Schwächen der Studie sehen die Autoren in der Tatsache, dass nur das Einlösen des Rezeptes, nicht aber die Einnahme als Exposition kontrolliert werden konnte. Ebenso gab es keine Daten über pränatale Diagnostik und daraus resultierende Schwangerschaftsabbrüche bei Nachweis von Fehlbildungen. Auch konnte nicht unterschieden werden, ob die Frauen schon über einen längeren Zeitraum SSRI eingenommen hatten oder erst in der Schwangerschaft begonnen hatten und ob der kurzfristige Einsatz einen anderen Einfluss hat als eine Langzeiteinnahme.

Dr. Silke Johann, Bern