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DOI: 10.1055/s-0034-1392081
Östrogenrezeptoren und ihre Bedeutung für die Prognose und Therapie des Lungenkarzinoms – neue Erkenntnisse zu einem bisher unterschätzten Mechanismus
Estrogen Receptors and their Impact for Prognosis and Therapy of Lung Cancer – New Insights to an Underestimated MechanismKorrespondenzadresse
Publikationsverlauf
eingereicht 19. Januar 2015
akzeptiert nach Revision 20. März 2015
Publikationsdatum:
11. Juni 2015 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Sexualhormone und die Entstehung von Lungenkarzinomen
- Struktur und Signalwege der Östrogenrezeptoren
- Östrogenrezeptoren in der Entwicklung der Lunge und bei Lungentumoren
- Bedeutung für die Prognose des Lungenkarzinoms
- Bedeutung für die Therapie von Lungentumoren
- ER-Antagonisten
- Aromatasehemmer
- ER-Funktion herunterregulierende Medikamente
- Inhibierung von ER und EGFR
- Analogien zum Mammakarzinom
- Literatur
Zusammenfassung
Der Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Lungenkarzinomen ist das Tabakrauchen, jedoch erkranken zunehmend auch Nichtraucher an dieser Erkrankung, insbesondere Frauen. Man geht davon aus, dass Sexualhormonrezeptoren, insbesondere der Östrogenrezeptor (ER), analog zum Mammakarzinom, bei den nicht-kleinzelligen Karzinomen der Lungen (NSCLC) eine zunehmende, bisher unterschätzte Rolle spielen. So gibt es schon länger indirekte Hinweise, dass die Behandlung mit Hormonen im Rahmen einer Hormonersatztherapie während der Menopause das Lungenkarzinomrisiko erhöht. Aber auch Untersuchungen an Zelllinien, Xenograft-Modellen und an menschlichen Tumoren von beiden Geschlechtern können mittlerweile die Expression von ER und ihre Bedeutung in der Proliferation des NSCLCs klar belegen. Analog zum Mammakarzinom scheint dem ER-Signalweg auch eine prognostische und prädiktive Funktion zuzukommen. Darüber hinaus kennt man neuerdings ein intrazelluläres Zusammenspiel des ER mit dem epithelialen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR). Letzterer ist eine wichtige Zielstruktur in der medikamentösen Therapie des NSCLC mit Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI), wie etwa Gefitinib, Erlotinib oder Afatinib. Derzeit laufen erste klinische Studien, die Kombinationstherapien aus EGFR TKI mit antihormonellen Medikamenten, wie etwa dem Fulvestrant, beim NSCLC untersuchen.
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Abstract
Though tobacco smoking is the leading cause of lung cancer, during the last decades the prevalence increased in never smoking patients, especially in women. Sex steroid hormones and particularly the estrogen receptors (ERs) seem to play an important but still underestimated role in non-small cell lung cancer (NSCLC). Beside long existing hints that hormone replacement therapy (HRT) increases the risk of lung tumors recent analyses on cell lines, xenografts and human tumors of both sexes gave clear evidence of ER expression and proliferation in NSCLC. Most recently, the expression of ERs apparently has prognostic and predictive value. Recently, an intracellular „cross-talk“ between the ER and the epithelial growth factor receptor (EGFR) could be demonstrated. EGFR are important targets of approved tyrosinkinases (TKIs), like gefitinib, erlotinib or afatinib. Currently, clinical studies are enrolling lung tumor patients for combination treatment with EGFR TKI and antihormonal drugs, e. g. fulvestrant.
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Einleitung
Der bekannteste Risikofaktor für die Entstehung von Lungenkarzinomen ist das Tabakrauchen. Bereits in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts konnte ein epidemiologischer Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs hergestellt werden. Eine Metaanalyse von Khuder aus dem Jahr 2001 bestätigte vorhergehende Untersuchungen und zeigte den klaren Zusammenhang zwischen der Anzahl der gerauchten Zigaretten und dem Lungenkrebsrisiko [1]. Dabei sind bestimmte histologische Formen, insbesondere das kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC), aber auch das Plattenepithelkarzinom, sehr stark mit Tabakkonsum assoziiert. Dagegen zeigte sich beim Adenokarzinom der schwächste Zusammenhang. Es müssen daher, insbesondere bei Nicht- oder Seltenrauchern, weitere Faktoren Einfluss auf die Entstehung von Lungentumoren nehmen. In der Tat hat sich in den letzten Jahren die Inzidenz an Lungenkarzinomen bei Nichtrauchern signifikant erhöht. So sind etwa 53 % der Frauen, die weltweit an Lungentumoren erkranken, Nichtraucherinnen, während es bei den Männern nur etwa 15 % sind [2]. Neben anderen Gründen, wie etwa dem Passivrauchen, zeigt sich vor allem an dieser Patientengruppe immer deutlicher, dass Sexualhormone und deren Rezeptoren bei der Entstehung von Lungenkarzinomen eine entscheidende Bedeutung haben können [3]. Die aktuelle Datenlage zu diesem wichtigen Entstehungsmechanismus beim NSCLC und die sich daraus ergebenden klinischen Konsequenzen sollen im Folgenden dargestellt werden.
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Sexualhormone und die Entstehung von Lungenkarzinomen
Mehrere klinische und epidemiologische Studien der letzten Jahre, die sich mit der physiologischen Alteration der Sexualhormone im weiblichen Körper auseinandergesetzt haben, zeigen eine klare Assoziation mit der Entstehung von Lungentumoren. Koushik et al. publizierten 2009 eine populationsbasierte Fall-Kontrollstudie aus dem Raum Montreal [4]: 422 Frauen mit Lungenkarzinomen wurden mit 577 Kontrollpersonen verglichen. Während Menstruation und Schwangerschaften keinen Einfluss hatten, zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang mit einer „nicht natürlichen“ Menopause, meist veranlasst durch eine beidseitige Ovarektomie. In der multivariaten Analyse war dies mit einer 1,73-fach erhöhten Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Lungentumoren assoziiert. Die Autoren diskutieren als möglichen Grund entweder den plötzlichen Abfall der Sexualhormone durch die Operation oder aber die Substitution mit Sexualhormonen nach dem Eingriff, was aber in dieser Studie nicht systematisch untersucht wurde. Auch bei Liu et al., die eine populationsbasierte prospektive Studie an 44 677 nie rauchenden Frauen durchführten, und dabei Fragen zu Menstruation, Schwangerschaft und Menopause stellten, konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Lungenkarzinomen und einer „nicht natürlichen“ Menopause, hier verursacht durch die Einnahme einer Hormonersatztherapie (englisch: hormone replacement therapy (HRT)), festgestellt werden [5].
Die HRT wurde in den letzten Jahren eingehend in Bezug auf das Auftreten von Tumoren und krebsbezogener Mortalität, insbesondere auch auf den Zusammenhang mit Lungenkarzinomen hin, untersucht. Die VITAL-Studie, bei der 36 588 peri- und postmenopausale Frauen prospektiv beobachtet wurden, zeigte ein 50 % erhöhtes Risiko für Lungenkarzinome, wenn Östrogene und Progesteron über zehn Jahre oder länger eingenommen wurden [6]. Ganti et al. konnten bei Patientinnen unter HRT, die ein Lungenkarzinom entwickelt hatten, sowohl ein jüngeres Diagnosealter als auch ein kürzeres medianes Gesamtüberleben feststellen [7]. Auch die WHI (Women Health Initiative)-Studie zeigte den Zusammenhang zwischen schlechtem Überleben und der Einnahme von östrogen- und progesteronhaltiger HRT [8]. In dieser doppelblind randomisierten prospektiven Studie erhielten mehr als 16 000 postmenopausale Frauen über mehr als fünf Jahre entweder HRT oder Placebo. Das Alter und das Rauchverhalten der Probandinnen waren in beiden Studienarmen ausgeglichen. Es zeigte sich in der HRT-Gruppe ein Trend bezüglich einer häufigeren Diagnose von Lungentumoren. Außerdem verstarben signifikant mehr Frauen an einem Lungenkarzinom in der HRT-Gruppe (N = 73) als in der Placebogruppe (N = 40) (p = 0,01). Postmenopausale Frauen aus dieser Studie, die HRT alleine mit Östrogenen erhalten hatten, zeigten keine erhöhte Lungenkarzinominzidenz [9]. Diese Daten lassen vermuten, dass auch für Lungenkrebs die HRT einen Auslöser darstellt, ähnlich wie für die Entwicklung von Mammakarzinomen [10] [11]. Zusammenfassend bestätigt eine kürzlich publizierte Metaanalyse den Zusammenhang zwischen HRT und Lungenkarzinom. Insbesondere für nichtrauchende Frauen, die eine Hormontherapie durchgeführt hatten, ergab sich ein 76,2 % erhöhtes Risiko für ein Adenokarzinom der Lunge [12].
Der Zusammenhang zwischen Östrogenen und Lungenkrebs zeigt sich übrigens nicht nur bei Frauen. Bereits 1973 musste die „Coronary Drug Project“-Studie wegen erhöhtem Auftreten von Lungenkarzinom frühzeitig gestoppt werden [13]. In dieser Studie erhielten Männer, die bereits einen Myokardinfarkt erlitten hatten, entweder Östrogen oder Placebo. Der Therapie lag die Hypothese zugrunde, dass durch die Hormontherapie eine Reduktion weiterer Herzereignisse induziert werden könnte. Diese Studie ist wohl der älteste Beleg in der Literatur für einen Zusammenhang zwischen Östrogenen und Lungenkarzinomen [3].
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Es gibt epidemiologische Hinweise für die Bedeutung der Sexualhormone bei der Entstehung von Lungentumoren.
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Ein gehäuftes Auftreten von Lungenkarzinomen zeigt sich bei Frauen mit „nicht natürlicher“ Menopause, ausgelöst durch beidseitige Ovarektomie oder Hormonersatztherapie.
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Auch bei Männern führt die längere Einnahme von Östrogenen offensichtlich zu einer erhöhten Lungenkarzinomrate.
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Struktur und Signalwege der Östrogenrezeptoren
Die Östrogenrezeptoren, engl. estrogen receptors (ER), gehören zur Superfamilie der nukleären Steroidrezeptoren. Weitere Mitglieder dieser Gruppe der Sexualhormone sind der Progesteron- und der Androgenrezeptor. Alle genannten Rezeptoren werden in der Lunge von Säugetieren und auch dem Menschen im gesunden Lungengewebe exprimiert [14]. Es konnten zwei Formen des ER, ER-α und ER-β identifiziert werden, die von den Genen ESR1 (auch als ER-α beschrieben) auf Chromosom 6 und ESR2 ( auch als ER-β beschrieben) auf Chromosom 14 transkribiert werden [15] [16] [17]. Beide Rezeptoren zeigen einen ähnlichen Aufbau mit insgesamt je 8 Exons [18]. Sie enthalten
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eine funktionelle Domäne, die für die Signale in den Zellkern notwendig sind. Hier gibt es eine Sequenz, die als AF-1 bezeichnet wird und nahe des amino-terminalen Endes sitzt. Diese agiert als eine ligandenunabhängige Transkriptionsaktivierungs-Domäne.
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eine DNA-Bindungs-Domäne, die im Protein zentral lokalisiert ist.
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eine ligandenbindende Domäne am carboxy-terminalen Ende.
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eine weitere Transkriptionsaktivierungs-Domäne, die AF-2 genannt wird und für die ligandenabhängige Aktivierung des Rezeptors notwendig ist.
ER1 ist seit mehreren Jahrzehnten bekannt, während ER2 erst in der Mitte der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts identifiziert wurde [17] [19]. Obwohl die Affinität von Östrogen auf beide Rezeptoren weitgehend gleich ist, gibt es Unterschiede am amino-terminalen Ende. Im Vergleich zu ER1 ist bei ER2 die AF-1-Domäne verkürzt und auch weniger aktiv in der Induktion einer transkriptionalen Aktivierung [20]. Zusätzlich werden für beide Rezeptoren eine Reihe von Isoformen beschrieben, die Splice-Varianten darstellen. Dies ist vermutlich einer der wesentlichen Gründe, warum in der Vergangenheit (im Gegensatz zu Mammakarzinomen) die ER beim Lungenkarzinom nicht ausreichend nachgewiesen werden konnten, denn den Splice-Varianten fehlt ein Teil der Proteinstruktur. Falls dieser fehlende Anteil derjenige ist, an den der immunhistochemische Antikörper bindet, kommt so ein falsch negatives Ergebnis zustande [21]. Die bekannteste ist die Isoform ERα-46, bei der das Exon 1 und damit die AF-1-Region fehlt. Diese Isoform kann mit dem Wildtyp-Rezeptor heterodimerisieren und damit einen kompetitiven Inhibitor zu ER1 darstellen [22] [23] [24]. Einer weiteren Isoform des ER1-Rezeptors fehlt das Exon 3 (ERαΔ3), was bedeutet, dass ein Teil der DNA-bindenden Region fehlt. Damit kann diese Isoform als dominant negativer Rezeptor die Östrogen induzierte Transkription unterdrücken [25] [26] [27]. Schließlich sind noch eine Reihe anderer Isoformen des ER1-Rezeptors beschrieben, denen beispielsweise die 5’ untranslatierte Region (UTR) fehlt, sowie ER2-Rezeptoren mit spezifischen Veränderungen im Exon 8. Alle diese Isoformen wurden auch in Lungenkarzinom-Zelllinien beschrieben [18] [24] [27] [28] [29] [30] [31] [32]. Die zwei Rezeptoren sind zudem in verschiedenen Geweben unterschiedlich verteilt, wobei ER1 vor allem in Mamma-, Ovar- und Endometriumgewebe gefunden wird, während ER2 höchste Konzentrationen im Ovar und in der Lunge aufweist [17] [33].
Die Funktionsweise der ER ist recht komplex und wurde erst im letzten Jahrzehnt zunehmend aufgeklärt. Man geht heute davon aus, dass es drei Signalwege gibt, über die ER auf die Zelle wirken ([Abb. 1]):
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Der klassische ER-Pathway ist ligandenabhängig und geht davon aus, dass 17-β-Östradiol direkt an den ER bindet. Es kommt zur Dimerisierung des membranständigen Rezeptors und Translokation in den Nukleus. Damit agiert der ER entweder direkt als Transkriptionsfaktor oder indirekt, indem er entweder an „Östrogen responsive Elemente“ (ERE) bindet oder andererseits mit Co-Aktivatoren und Histon-Acetyl-Transferasen (HATs) Komplexe bildet. Zusätzlich kann er auch mit Transkriptionsfaktoren wie dem „Spezifitätsprotein 1“ (SP1) und dem „aktivierendem Protein 1“ (AP1) interagieren, die wiederum an sogenannte „Serum responsive Elemente“ (SRE) binden und die Transkription in Gang setzen [34] [35] [36] [37].
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Ein weiterer ligandenunabhängiger Pathway ist die indirekte Aktivierung des ER über Rezeptor-Tyrosinkinasen, wie etwa dem Insulin-like growth factor (IGFR), dem epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) oder dem humanen epidermalen Wachstumsfaktor 2 (HER2). Dabei kommt es im Zytoplasma durch die Aktivierung der Serin/Threoninkinasen Erk oder Akt im Rahmen der intrazellulären Signalkaskade zur Phosphorylierung des ER, der damit aktiviert und im Zellkern translational aktiv werden kann [38] [39] [40]. Durch den hohen Stellenwert, den aktivierende Mutationen im EGFR beim Lungenkarzinom haben, kommt dem „cross-talk“ mit diesem Signalweg inzwischen eine möglicherweise wichtige therapeutische Bedeutung zu (siehe weiter unten).
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Ein dritter und erst vor kurzem entdeckter Pathway führt über eine nichtgenomische bzw. extranukleäre Aktivierung des Rezeptors. Diese bisher noch nicht ausreichend verstandene Form scheint entweder über einen klassischen ER, eine ER-Isoform oder einen neuartigen Rezeptor zu funktionieren, wie etwa dem G-Protein-verbundenen Rezeptor 30 (GPR30). Dabei kommt es zur Ionen-Mobilisierung und zu Kinase-Aktivierungen [41] [42] [43] [44] [45] [46] [47] [48].
Dass diese oben beschriebenen Mechanismen, die ursprünglich beim Mammakarzinom entdeckt und beschrieben worden sind, auch bei Lungenkarzinomen vorkommen, konnten In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen belegen. NSCLC-Zellen wurden beispielsweise mit ER transfiziert und die Aktivierung des ER-Signalwegs mittels eines molekularbiologischen Assays abgelesen (ERE Luciferase Reporter). Es konnte sowohl die proliferative Aktivität nach Gabe von 17-β-Östradiol gezeigt als auch die Proliferation selektiv mittels eines ER-Hemmers (Fulvestrant) oder iRNA geblockt werden [49] [50] [51] [52]. Dies wurde vor allem in vitro in NSLCL-Zelllinien nachgewiesen, konnte aber auch in vivo an Mäusen mit einem Xenograft der NSCLC-Zelllinie H23 bestätigt werden [51]. Interessanterweise entstammt gerade diese Zelllinie H23 einem männlichen Patienten mit NSCLC, sodass geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Aktivierung des ER-Pathways wohl eine untergeordnete Rolle spielen, auch wenn hierzu divergente Meinungen in der Literatur existieren [53] [54].
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Östrogenrezeptoren in der Entwicklung der Lunge und bei Lungentumoren
Schon seit Längerem weiß man, dass Östrogene in der Entwicklung der Lunge eine wichtige Rolle spielen und in physiologischen und pathologischen Lungenprozessen beteiligt sind. Östrogene beschleunigen die Surfactant-Produktion und nehmen Einfluss auf die Größe und Anzahl der Alveolen. Außerdem gibt es bei Säugetieren einen Geschlechtsunterschied sowohl in der späten Gestationsphase als auch in der postnatalen Reifung der Lunge [55] [56]. So konnten bereits 1980 Mendelson et al. eine östrogenbindende Komponente in fetalem Lungengewebe nachweisen [57]. Die Reifung der Lunge während der Entwicklung des Fötus schreitet bei Säugern weiblichen Geschlechts schneller voran als bei männlichen Föten, ebenso der Beginn der Surfactant-Produktion. Dieser Unterschied wird wohl am stärksten durch den inhibitorischen Effekt der Androgene gesteuert. Es konnten aber auch stimulierende Effekte durch die Östrogene nachgewiesen werden [55]. Postnatale Geschlechtsunterschiede bei Nagern wurden von Massaro et al. beschreiben [58]. Erwachsene Weibchen haben mehr Alveolen als Männchen, möglicherweise um dem erhöhten Sauerstoffbedarf während der Schwangerschaft und der Laktationsphase Rechnung zu tragen. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede entstehen, wenn es zur sexuellen Reife der Tiere kommt; insbesondere Östrogene scheinen daran beteiligt zu sein [59].
Jedoch dachte man lange, dass der Einfluss des Östrogens nur indirekter Natur sei. Erst als 1995 der ER2-Rezeptor beschrieben wurde, konnte nachgewiesen werden, dass ER auch einen direkten Einfluss über wichtige physiologische Vorgänge in den Zellen der Lunge ausüben [17]. Mit ER2 defizienten (knockout) Mäusen (ERβ−/ERβ−) konnte dieser Nachweis erbracht werden. Diese Tiere haben weniger Alveolen, ein reduziertes Lungenvolumen und eine reduzierte elastische Rückstellkraft [60] [61] [62]. Dazu passen Beobachtungen, dass insbesondere Frauen, wenn sie Tabakrauch ausgesetzt sind, anfälliger sind sowohl für die Entwicklung einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) als auch mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Lungenkarzinomen behaftet sind [63] [64]. Auch hier werden in Analogie zu den Säugern Östrogene mit verantwortlich gemacht.
Die Daten zur Expression der ER bei menschlichen Lungentumoren sind nach wie vor sehr widersprüchlich. Das liegt nicht zuletzt daran, dass gerade in den frühen Studien lediglich ER1 Protein Expression nachgewiesen werden konnte und daher Lungentumore lange Zeit als hormon-insensitiv galten. Mit der Entwicklung von polyklonalen Antikörpern und solchen, die zwischen ER1 und ER2 differenzieren können, konnte aber gezeigt werden, dass ER2 in den meisten NSCLC-Zelllinien und auch in NSCLC-Tumorgeweben exprimiert wird [51] [65] [66] [67] [68]. Die Bedeutung von ER1 in der Lunge ist hingegen nicht so klar belegt. Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass ER1-Antikörper, die in der Diagnostik von Mammakarzinomen verwendet werden, bei Lungentumoren häufig wenig oder gar kein Signal zeigen. Mit einem polyklonalen Antikörper (HC-20), der auch an den carboxy-terminalen Anteil des Rezeptors bindet, konnte jedoch gezeigt werden, dass ER1 vor allem im Zytoplasma und auch an der Plasmamembran exprimiert wird [51]. Diese Tatsache konnte auch in weiteren Analysen mit diesem Antikörper bestätigt werden. 73 % bis 84 % der Lungentumore wiesen eine vor allem zytoplasmatische Expression von ER1 auf [69] [70]. Die weitere Untersuchung dieser mit dem Antikörper detektierten Rezeptoren ergab, dass diese sehr häufig eine verkürzte Länge aufweisen und Isoformen des Rezeptors darstellen [51] (siehe oben). Im Gegensatz dazu konnte nachgewiesen werden, dass ER2 sowohl im Nukleus als auch im Zytoplasma exprimiert wird und weitgehend aus dem Wildtyp-Gen in normaler Länge transkribiert wird. In einer Reihe von Immunhistochemie-Studien konnte gezeigt werden, dass 30 % bis 100 % der Lungentumore ER2 exprimieren [66] [67] [70] [71]. Die unterschiedlichen Prozentwerte sind auch darauf zurückzuführen, dass bisher kein einheitliches Auswertverfahren existiert, das bestimmt, wann eine immunhistochemische Färbung als positiv zu werten ist [53].
Auch auf mRNA-Ebene konnten beide ER nachgewiesen werden. In einer eleganten Arbeit von Kerr et al., die Laser-Mikrodissektion verwandten, um bei der Expression der ER zwischen Lungentumor-Zellen und umgebendem Normalgewebe differenzieren zu können, konnten beide ER in Lungentumoren nachgewiesen werden; dabei war die durchschnittliche Expression von ER1 38 % und ER2 31 % im Lungentumor höher als im Normalgewebe [72]. Die Gen-Chip-Datenanalyse ergab des Weiteren, dass die ER1-Expression mit einer veränderten Expression von etwa 20 weiteren Genen einherging, dagegen die ER2-Expression mit über 500 weiteren ko-regulierten Genen assoziiert war. Interessanterweise waren die ER2- und EGFR-Expression in dieser Studie invers korreliert. Darauf wird an späterer Stelle noch einmal gesondert eingegangen.
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Es gibt zwei Östrogenrezeptoren, ER1 (ER-α) und ER2 (ER-β); beide können geschlechtsunabhängig bei allen Säugern in der gesunden Lunge nachgewiesen werden. Beide Rezeptoren werden auch in Lungenkarzinomen exprimiert. Mittels ER-β knock-out Mäusen konnte die Bedeutung dieser Rezeptoren für die Entwicklung der Lungenalveolen gezeigt werden.
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Bei den ER existiert eine Reihe von sog. Splice-Varianten, bei denen ein Teil der Proteinstruktur fehlt. Dies ist ein Grund, warum Östrogenrezeptor Antikörper in der Immunhistochemie in der Vergangenheit häufig nicht gebunden haben und zu falsch negativen Ergebnissen geführt haben. ER1 scheint öfter Isoformen aufzuweisen als ER2. Neuere Untersuchungen mittels mRNA belegen die Bedeutung beider Rezeptoren in Lungenkarzinomen und stellen vermutlich ein besseres System zur Beurteilung der Expression dar als die immunhistochemischen Antikörper.
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Der Hormonrezeptor-Signalweg ist komplex. ER können sowohl direkt an der Genstruktur Einfluss nehmen als auch über Signaltransduktionskaskaden. Hier bedienen sie sich unter anderem auch des Insulin-like growth factor (IGFR), Her-2 oder EGFR.
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Bedeutung für die Prognose des Lungenkarzinoms
mRNA-Analysen wurden auch in zwei kürzlich publizierten Arbeiten unserer Arbeitsgruppe verwendet, um eine mögliche prognostische und prädiktive Bedeutung der ER bei Lungenkarzinomen in der Klinik zu überprüfen [73] [74]. In der einen Untersuchung wurden allgemein zugängliche Gen-Chip-Expressionsdaten von kurativ resezierten NSCLC-Tumoren zweier Studien ausgewertet [75] [76]. Eine dieser Studien bestand aus Patienten, die im Rahmen der JBR.10-Studie nach kurativer Resektion randomisiert entweder adjuvant mit Cisplatin/Vinorelbin therapiert oder lediglich nachgesorgt wurden [76] [77]. Die Ergebnisse dieser und weiterer Studien führten zur Empfehlung in den S3-Leitlinien, in den Stadien II und IIIA des NSCLC eine adjuvante Therapie durchzuführen [78]. Es konnte eine positive prognostische Bedeutung der ER1-Expression belegt werden. ER1 war in beiden Studien in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prognosefaktor für eine längere Rezidivfreiheit bzw. ein längeres Überleben, und auch der Test auf Interaktion war positiv. Die prognostische Bedeutung war dabei unabhängig vom Geschlecht. Des Weiteren zeigte sich auch ein Trend hinsichtlich einer prädiktiven Bedeutung, da nur Tumore mit einer niedrigen ER1-Expression von einer adjuvanten Therapie profitierten, nicht jedoch die ER1 hoch exprimierenden Tumore. Letztere waren bereits prognostisch besser.
Darauf basierend wurde in einer weiteren Analyse die mRNA-Expression von ER1 im Paraffinmaterial von NSCLC-Tumoren untersucht, die bereits metastasiert waren und eine palliative Platin- und Taxan-haltige Kombinations-Chemotherapie erhielten [73]. Auch hier wurden wieder zwei unterschiedliche Kollektive, die jedoch beide in prospektiven Therapiestudien sorgfältig dokumentiert und hinsichtlich der klinisch-pathologischen Variablen vergleichbar waren, als Trainings- und Test-Sets ausgewählt und der Median der Expression zur Differenzierung verwendet. Es konnte auch hier gezeigt werden, dass die ER1-Expression eine positive prognostische Bedeutung hat. NSCLC-Patienten, deren Primärtumore eine ER1-mRNA-Expression über dem Median aufwiesen, hatten ein signifikant längeres Gesamtüberleben als diejenigen unter dem Median. In der multivariaten Analyse war eine hohe ER1-Expression in beiden Studien ein unabhängiger Prognosefaktor für ein besseres Überleben. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit Studien an Ovar- und Mammakarzinomen, in denen ebenfalls ein hohe ER1-Expression mit einem besseren Überleben assoziiert war. Darüber hinaus ist ER1-Expression bei Mammakarzinomen zudem ein prädiktiver Marker für Ansprechen und Überleben unter einer antiöstrogenhaltigen Therapie [79] [80] [81] [82].
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Bedeutung für die Therapie von Lungentumoren
Mehrere präklinische Studien konnten zeigen, dass Lungentumore progredient werden, wenn ER aktiviert werden. Östrogene führen dabei zu einer stärkeren Proliferation von NSCLC-Zelllinien als von Lungenfibroblasten [49] [51]. Insbesondere die Stimulation mit 17-β-Östradiol führte zur Proliferation von diversen Lungentumor-Zelllinien in vitro sowie zum Progress von Lungentumor-Xenograft-Modellen in vivo [49] [50] [83] [84] [85] [86]. Ausgehend von diesen Daten und den Erfolgen in der Behandlung ER-positiver Mammakarzinome erscheint es sinnvoll, Inhibitoren des ER-Signalwegs auch präklinisch und ggf. klinisch bei Lungenkarzinomen zu überprüfen. Es gibt dabei drei zur Verfügung stehende therapeutische Strategien, die den Östrogen-Pathway zum Ziel haben.
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ER-Antagonisten
Die älteste und bekannteste Substanz dieser Gruppe ist das Tamoxifen. Jedoch ist diese Substanz in manchen Geweben, so z. B. im Endometrium, auch ein partialer Agonist. Insbesondere scheint es als Agonist am ER2 zu wirken und dort die AP-1 vermittelte Transkriptionen zu stimulieren [87]. Es werden in der Literatur Xenograft-Modelle erwähnt, in denen Tamoxifen sogar das Wachstum von Lungentumoren anregen konnte [88]. Zusätzlich gibt es indirekte Hinweise aus dem „National Surgical Breast and Bowel Project“. Hier konnte bei Patientinnen in der Tamoxifen-Brustkrebs-Präventionsstudie nicht gezeigt werden, dass unter dieser Substanz weniger Lungentumore als Zweitkarzinome aufgetreten wären [89]. So zeigten sich N = 17 Tumore des Tracheobronchialsystems in der Placebogruppe und N = 20 Tumore in der Gruppe, die Tamoxifen erhalten hatten. Es ist sogar möglich, dass es unter Tamoxifen zu agonistischen Effekten gekommen ist; allerdings war der Unterschied nicht statistisch signifikant.
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Aromatasehemmer
Hier kommen zum einen die reversiblen nicht-steroidalen Agentien zum Einsatz wie etwa Letrozol und Anastrozol sowie die irreversiblen steroidalen Inaktivatoren wie das Exemestan [90] [91]. Aromatase ist eines der Zytochrom P450-Enzyme, die die Synthese von Östrogenen aus Androgenen katalysieren, und sie wird im endoplasmatischen Retikulum vieler Zellen beiderlei Geschlechts, wie etwa den Ovarien, dem Gehirn und in den Knochen, gebildet. Außerdem konnten mehrere Studien nachweisen, dass sie auch in bis zu 86 % der NSCLC exprimiert wird [92] [93] [94] [95]. In Laser-mikrodissezierten Lungenkarzinomen wurde Aromatase mRNA, anders als bei Mammakarzinomen, vor allem im Lungentumorparenchym und nicht in den Stromazellen nachgewiesen [96] [97]. Mah et al. konnten zudem zeigen, dass eine niedrige Expression von Aromatase bei über 65 Jahre alten NSCLC-Patientinnen mit Tumoren niedriger UICC-Stadien I und II (N = 422) einen Prognosefaktor für ein besseres Überleben darstellt [92]. Aromatasehemmer könnten sich daher auch in der Therapie von NSCLC als nützlich erweisen. In präklinischen Studien konnte gezeigt werden, dass Anastrazol sowohl in Zelllinien als auch in Tumor-Xenograft-Modellen das Tumorzellwachstum von NSCLC hemmen konnte [98]. Auch für Exemestan liegen entsprechende Daten zu NSCLC-Xenografts in Nacktmäusen vor [93]. Die Kombination aus Exemestan in Kombination mit Cisplatin erwies sich bei diesem Experiment sogar als noch besser im Sinne eines synergistischen Effekts. Indirekte Hinweise über eine Wirksamkeit bei NSCLC-Tumoren am Menschen stammen aus einer Untersuchung von Coombes et al. [99]. In dieser Studie wurde die Häufigkeit des Auftretens von Lungenkarzinomen als Zweittumoren bei Mammakarzinom-Patientinnen untersucht. Unter der Therapie mit dem Aromatasehemmer Exemestan als Zweitlinientherapie nach Tamoxifen kam es weniger häufig (N = 4/2326) zum Auftreten von NSCLC als unter Dauertherapie mit Tamoxifen (N = 12/3280). In einer klinischen Phase-Ib-Studie wird daher die Behandlung an postmenopausalen NSCLC-Patientinnen, bestehend aus einer etablierten Kombinationschemotherapie mit Pemetrexed und Carboplatin sowie einer Eskalation von Exemestan, überprüft (NCT01664754).
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ER-Funktion herunterregulierende Medikamente
Des Weiteren könnte mit Medikamenten, wie etwa dem Fulvestrant, die ER-Funktion herunterreguliert werden. Fulvestrant ist ein Antiöstrogen und inhibiert selektiv die ER-Aktivität in den Zielzellen [100] [101]. Es konnte gezeigt werden, dass Fulvestrant auch in NSCLC-Zellen sowohl in vitro als auch in vivo eine klare Anti-Tumor-Aktivität aufweist [50] [51]. Insbesondere in NSCLC-Zelllinien, die eine hohe ER1-Expression aufweisen, wurde eine deutliche Inhibition des Tumorwachstums beschrieben [102]. In einer Phase-II-Studie wird derzeit am Menschen der Effekt einer Kombinationstherapie aus Fulvestrant und Anastrozol eruiert. Dazu erhalten N = 100 postmenopausale Frauen mit lokal fortgeschrittenem NSCLC nach einer Standardtherapie eine Konsolidierung mit der oben genannten Kombination und dem VEGF-Antikörper Bevacizumab (NCT00932152).
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Inhibierung von ER und EGFR
Wie bereits weiter oben beschrieben, gibt es nicht-nukleäre ERs, die ihre Aktivität über intrazelluläre Signaltransduktionskaskaden vermitteln. Hierzu gehört auch der EGFR-Signalweg. Der EGFR spielt bei nicht-squamösen NSCLC eine wichtige Rolle, da insbesondere solche Tumore, die eine somatische aktivierende Mutation im Exon 19 oder 21 dieses Gens aufweisen, sehr gut auf EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren, wie Geftinib, Erlotinib oder Afatinib, ansprechen [103] [104]. Diese Substanzen sind daher alle in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen NSCLC in dieser Indikation zugelassen. Auch in der Therapie von NSCLC-Patienten mit EGFR-Wildtyp scheint der EGFR TKI Erlotinib eine moderate Wirkung zu haben, wobei die Ergebnisse früherer Studien in neueren Analysen immer mehr in Frage gestellt werden [105] [106] [107] [108] [109] [110] [111] [112] [113]. Außerdem werden nahezu alle NSCLC-Tumore, die zunächst eine aktivierende Mutation aufwiesen, im Verlauf der TKI-Therapie resistent. Ursache ist in > 50 % eine T790 M Resistenzmutation [103] [104]. Daher sind synergistisch wirkende Medikamente, die die Wirkung von TKs unterstützten, in der klinischen Praxis dringend von Nöten. Hier könnte evtl. eine Kombination von EGFR TKI und Antiöstrogenen wie dem Fulvestrant eine interessante Option darstellen. In-vitro-Daten konnten zeigen, dass es in Mamma- und Ovartumorzellen einen sogenannten „cross-talk“, also eine Interaktion zwischen dem ER und EGFR gibt; auch in Lungenkarzinomen wurde dies untersucht [50] [86] [114] [115] [116]. Stabile et al. konnten in vitro zeigen, dass die EGFR-Proteinexpression unter dem Ansprechen auf Antiöstrogene hochreguliert wird [86]. Außerdem wird die Expression von ER2 während des Ansprechens auf EGFR TKI erhöht [117]. Diese Arbeit lässt vermuten, dass der EGFR-Signalweg stärker aktiviert ist, wenn die Östrogene in den Tumorzellen unterdrückt werden. Dies stellt eine Rationale für eine Kombinationstherapie mit beiden Substanzen dar. In der Tat konnte sowohl in vitro als auch in vivo gezeigt werden, dass diese Kombinationstherapie zu einer maximalen Inhibition der Zellproliferation führt und Apoptose induzieren kann [50] [86] [118]. Selbst die EGFR mutierte, aber Erlotinib resistente NSCLC-Zelllinie H1975 konnte mit einer Kombination aus EGFR TKI und Fulvestrant effektiv in ihrer Proliferation gehemmt werden [102]. All diese ermutigenden Ergebnisse führten zu einer Pilotstudie an postmenopausalen NSCLC-Patientinnen, die mit einer Kombinationstherapie aus Gefitinib und Fulvestrant behandelt wurden [117]. Von 22 dieser zum Teil stark vorbehandelten Patientinnen hatten 3 eine bestätigte partielle Remission, was einer Ansprechrate von 15 % entspricht. Eine der Patientinnen mit einer guten partiellen Remission wies eine aktivierende EGFR L8585 R-Mutation auf. Die Therapie wurde zudem gut vertragen mit lediglich einer Grad-4-Toxizität (Dyspnoe); die anderen Grad-3- und -4-Toxizititäten waren ohne erkennbaren Zusammenhang mit der Therapie. Vorläufige molekulare Analysen zeigten, dass ein Zusammenhang zwischen dem Gesamtüberleben und einer stärkeren Expression von ER2 in der Immunhistochemie bestehen könnte, jedoch ist dies aufgrund der niedrigen Fallzahlen ungewiss. Eine systematische Analyse einschließlich mRNA-Untersuchungen wurde bisher nicht publiziert. Eine weitere Phase-II-Studie, die männliche wie weibliche NSCLC-Patienten mit einer Kombination aus Erlotinib und Fulvestrant behandelte, hat kürzlich fertig rekrutiert (NCT00100854) [3].
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Die ER1 mRNA-Expression in NSCLC scheint von prognostischer Bedeutung für ein verlängertes Überleben zu sein. Dies konnte sowohl in der adjuvanten Therapie resezierter Tumore sowie an Paraffinmaterial metastasierter Tumore gezeigt werden. Die positive prognostische Bedeutung von ER1 ist analog dem Mamma- und dem Ovarialkarzinom.
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In präklinischen Modellen konnte gezeigt werden, dass NSCLC in ihrer Proliferation durch antihormonelle Therapie gehemmt werden könnten. Erste klinische Studien der Phase I und II laufen derzeit an Patienten mit metastasiertem NSCLC.
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Von besonderer klinischer Bedeutung ist die Interaktion von ER mit EGFR, da letzterer eine wichtige Zielstruktur für EGFR TKI, wie etwa Gefitinib, Erlotinib oder Afatinib, darstellt. Nachdem präklinische Untersuchungen eine synergistische Wirkung von Fulvestrant mit EGFR TKI zeigen konnten, wird dies nun auch in klinischen Studien untersucht. Wichtig hierbei ist jedoch, geeignete molekulare Marker zu identifizieren.
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Analogien zum Mammakarzinom
BRCA1
BRCA1- und BRCA2-Mutation sind bei etwa 90 % der erblichen Form des Mammakarzinoms nachweisbar, wobei Keimbahnmutationen eine Häufigkeit von ca. 10 % haben. Auch bei den sporadisch vorkommenden Mammakarzinomen ist in ca. der Hälfte der Fälle eine Verminderung der BRCA1-Genexpression zu beobachten [118]. BRCA1 ist ein wichtiges Reparaturgen für DNA-Schäden (Doppelstrangbrüche), aber es wirkt auch als direkter Inhibitor des ER (indem es einen Komplex mit diesem bildet) und indirekt über „Downstream-Effekte“ des ER (z. B. Hemmung des PI3K/AKT-Signalweges) [119]. Beim Fehlen von BRCA1 oder Verminderung der Genaktivität (Mutation/Hypermethylierung) wird die Balance zwischen DNA-Schäden und Reparatur derart gestört, dass in der Zelle genomische Mutationen akkumulieren, die zur malignen Transformation führen. Dieser Genotyp findet sich insbesondere beim „basal like“ Subtyp des Mammakarzinoms, welcher häufig Östrogen-/Progesteron-Rezeptor und HER2-Rezeptor negativ ist (sog. „triple negatives Mammakarzinom“). Zudem weist ein relevanter Anteil dieser Patientinnen eine BRCA1-Mutation auf [120].
Auch beim Lungenkarzinom scheint BRCA1 eine wichtige Rolle zu spielen. Eine erhöhte Genexpression wird bei Rauchern berichtet [121]. Zusätzlich wird eine Korrelation zum histologischen Subtyp des Adenokarzinoms berichtet, allerdings sind die Ergebnisse hier inkongruent. Für Patienten mit operiertem Lungenkarzinom scheint eine hohe BRCA1-Genexpression mit einer ungünstigen Prognose assoziiert zu sein [122]. Nähere Untersuchung zur Korrelation von BRCA1-Expression und ER-Status beim Lungenkarzinom sind bisher nicht publiziert, wären aber aufschlussreich, um weitere Analogien zwischen dem „basal like“ Mammakarzinom und dem (ER negativen bzw. ER-Signalweg unabhängigen) Lungenkarzinom zu eruieren.
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EGFR-Rezeptorfamilie
Beim Mammakarzinom existiert eine nachgewiesene enge Interaktion zwischen ER- und EGFR-Signalweg. Es wird oft eine inverse Korrelation zwischen EGFR, HER2 und HER3 auf der einen Seite und der Expression des ER auf der anderen Seite beobachtet [123] [124]. Dieses bereits erwähnte, als „cross-talk“ bezeichnete Phänomen, ist bidirektional ausgerichtet. Zum einen wird ER direkt mittels Phosphorylierung durch die Rezeptor-Tyrosinkinasen aktiviert [125] oder die ER-Expression indirekt auf genomischem Wege hochreguliert [126], zum anderen stimuliert membran-gebundenes ER im Gegenzug eben diese Wachstumsrezeptoren [127]. Vor allem HER2 spielt hier eine zentrale Rolle: ERα interagiert direkt mit dem HER2-Rezeptor und führt bei HER2 überexprimierenden Zellen zu einer Verhinderung der Tamoxifen-induzierten Apoptose [128]. Vermutlich ist die Aktivierung des EGFR-Signalweges (hier vor allem HER2) ein wichtiger Mechanismus bei der erworbenen (aber auch der de novo) Resistenz gegenüber einer endokrinen Therapie. Aus diesem Grund ist bei der endokrinen Resistenz und der Hochregulierung des EGFR-Signalweges bzw. der HER2-Überexpression eine Kombinationstherapie aus endokrinem Ansatz und anti EGFR/anti HER2-Strategie sinnvoll.
In Analogie zum Mammakarzinom wird dieser Ansatz auch beim Lungenkarzinom verfolgt und erste erfolgversprechende klinische Daten (s. o.) unterstreichen seine Bedeutung. Gewissermaßen könnte sich eine Subgruppe des Lungenkarzinoms unter einer anti EGFR-Strategie (z. B. EGFR TKI) wie ein hormonsensitives Mammakarzinom behandeln lassen. Dieses gilt nicht nur für Patienten mit einer aktivierenden EGFR-Mutation, sondern auch für Patienten mit einem Wildtyp-Rezeptor, bei denen der EGFR-Signalweg zwar eine etwas untergeordnete, aber immer noch relevante Rolle besitzt.
Ob die Häufung des Adenokarzinoms der Lunge vor allem bei jungen, nicht rauchenden Frauen mit dem Phänomen des ER/EGFR crosstalk zusammenhängt, ist spekulativ. Eine mögliche Erklärung hierfür wäre die durch Östrogen/ER hervorgerufene Hochregulierung der Wachstumsrezeptoren der EGFR-Familie und die mit der erhöhten Östrogenrezeptor-Aktivität assoziierte Zunahme der DNA-Schäden durch Hyperproliferation, Gen-Dysregulation und der direkten Suppression der DNA-Reparatur (BRCA1). Ob hierdurch auch die erhöhte Mutationsfrequenz des EGFR, die bei diesen Pat. oft zu beobachten ist, hervorgerufen sein könnte, ist ebenfalls rein hypothetisch und bedarf weiterer molekularer Untersuchungen. Zusammenfassend sind in [Tab. 1] die o. g. Gene und ihre Bedeutung sowohl beim Mammakarzinom als auch beim Lungenkarzinom gegenübergestellt.
Der Östrogen-Signalweg ist nicht nur für endokrin aktive Tumore der Sexualorgane wie das Mamma- oder das Ovarialkarzinom von Bedeutung, sondern auch bei den Lungenkarzinomen. Klinische Daten zeigen einen sehr wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen einer Hormonersatztherapie und dem gehäuften Auftreten von Lungenkarzinomen bei Frauen. Der Nachweis von Östrogenrezeptoren in Lungentumoren hat derzeit noch keine klinische Relevanz. Zum einen muss ein geeignetes Nachweisverfahren, z. B. über mRNA-Expression an Paraffinmaterial noch validiert werden; hier ist unsere Arbeitsgruppe gerade aktiv. Zum anderen sind Kombinationstherapien zwischen Chemotherapeutika, Antikörpern oder TKI in Kombination mit antihormoneller Therapie noch in Phase-I- und -II-Studien. Es steht zu wünschen, dass die Patienten beiderlei Geschlechts von der im Allgemeinen gut verträglichen (zusätzlichen) Antihormontherapie profitieren und dass so das Armamentarium der Lungenkarzinom-Therapeutika erweitert werden kann.
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Glossar
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Interessenkonflikt
W. M. Brückl erhielt Honorare für Vorträge und Beratertätigkeiten für die Firmen Astra Zeneca, Boehringer Ingelheim, BMS, Lilly, MSD, Novartis, Pfizer und Roche Pharma.
S. E. Al-Batran erhielt wissenschaftliche Förderung von den Firmen Roche Pharma, Novartis, Celgene, Sanofi Aventis und Lilly.
A. Atmaca erhielt Honorare für Vorträge und Beratertätigkeiten für die Firmen Boehringer Ingelheim, Lilly, Roche, MSD.
R. M. Wirtz ist Geschäftsführer der Stratifyer Molecular Pathology GmbH.
J. H. Ficker erhielt Honorare für Vorträge und Beratertätigkeiten für die Firmen Astra Zeneca, Boehringer Ingelheim, Bristol-Myers Squibbs, Lilly, MSD, Novartis, Pfizer und Roche.
Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei Herrn Wajdie Tameizi für die Korrektur des Manuskripts.
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