JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2014; 03(02): 86-88
DOI: 10.1055/s-0034-1372677
CNE Schwerpunkt
Kinderkardiochirurgie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachgefragt

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Publication Date:
03 April 2014 (online)

Nachgefragt

… BEI DAGMAR LINDEMANN-WITTKE, die seit 20 Jahren als Kinderkrankenschwester auf der Kinderintensivstation der Klinik für angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein am Campus in Kiel arbeitet. Sie hat Svea Tiedemann als kleines Mädchen nach ihren Herzoperationen erlebt und seither viele Kinder teilweise über Jahre begleitet.

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(Foto: Dagmar Lindemann-Wittke)

Erinnern Sie sich noch an die Betreuung von Svea?

O ja! Nach ihrer dritten Operation hatte sie noch lange Zeit Drainagen wegen Pleuraergüssen. Aber sie saß da mit den Schläuchen in ihrem Bettchen und war so fröhlich! Sie hat sich toll auf die Situation eingelassen, ließ sich ablenken und hat gespielt. Ich habe sie gut in Erinnerung!

Welche Kinder liegen auf Ihrer Kinderintensiv?

Wir haben schwerpunktmäßig Kinder mit angeborenen kardiologischen Erkrankungen oder nach kardiochirurgischen Eingriffen. Außerdem Kinder nach Lebertransplantationen oder an der Hämofiltration, nach Ertrinkungsunfällen oder mit Verbrennungen und Verbrühungen. Frühgeborene haben wir nur nach einer chirurgischen Intervention, ansonsten liegen sie auf der Neo-ITS.

Sie betreuen also Neugeborene bis etwa 18-Jährige?

Wir haben gelegentlich auch ältere Patienten, weil wir für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) zertifiziert sind. Man hat festgestellt, dass es gut ist, wenn Patienten mit angeborenen Herzfehlern in speziellen EMAH-Bereichen versorgt werden – die Kinderkardiologen kennen sich mit der Hämodynamik dieser Patienten einfach besser aus.

Wie viele der Patienten begleiten Sie über Jahre?

Im Grunde kommen sie alle immer wieder zu uns, sofern das nötig ist. Es gibt ja auch Kinder, die werden operiert und dann ist gut …Aber unsere größte Patientengruppe sind Kinder mit hypoplastischem Linksherzsyndrom, weil wir darauf spezialisiert sind und alle drei Operationen (Norwood, Hemifontan und Fontan-OP) anbieten, diese Kinder kommen also alle mehrmals zu uns.

Sind die Kinder auf Ihrer Station überhaupt ansprechbar, sodass Sie einen Kontakt zu ihnen aufbauen können?

Die Kinder werden im Allgemeinen sehr zügig extubiert und sind damit auch ansprechbar. Wir versuchen selbstverständlich mit allen Kindern zu kommunizieren, dafür gibt es ja auch andere Möglichkeiten als die Sprache.

Entwickeln Sie denn eine tiefere Beziehung zu den Kindern?

Als ich noch in Vollzeit gearbeitet habe, war der Kontakt zu den Kindern und Eltern sehr eng. Jetzt mit meiner Teilzeitstelle merke ich, dass sich auch schon nach kurzer Zeit ein gutes Verhältnis entwickelt, wenn ich mal mehrere Tage am Stück arbeite. Letztes Wochenende habe ich ein Kind ganz eng betreut und als ich gestern wiederkam, war es schon auf die Normalstation verlegt. Dort habe ich es nochmal besucht – weil es so ein positiver Kontakt war. Natürlich müssen wir auch eine professionelle Distanz aufbauen. Man könnte es als Pflegekraft nicht aushalten, wenn man jedes Kind ganz eng in sein Herz schließt. Aber trotzdem haben wir Beziehungen zu den Kindern …

Führt das auch dazu, dass Sie mehr vom Schicksal der Kinder „mit nach Hause nehmen“?

Ja, das passiert mir. Zum Glück ist mein Partner auch Krankenpfleger. Er arbeitet nicht mehr in der Pflege, aber er kann das gut nachvollziehen. Aber wir Kollegen sprechen auch untereinander viel miteinander. Gerade, wenn uns Kinder mehr bewegen. Auch, wenn Kinder sterben. Besonders, wenn wir die Kinder über Jahre kennen. Manchmal gehen die Kinder schließlich nach Hause und es ist nicht klar, wie lange sie mit ihrem Herzfehler überleben. Und dann hören wir irgendwann, dass sie gestorben sind … Das bewegt mich dann schon sehr! Ich war schon immer empathisch den Kindern und Eltern gegenüber. Aber seit ich eigene Kinder habe, ist das nochmal anders. Ich kann mich noch mehr in die Eltern hineinversetzen.

Macht das Intensivpflege schwer kranker Kinder schwieriger?

Für mich nicht. Ich kann jetzt besser nachempfinden, wie es den Eltern geht. Andere Kollegen können nicht mehr auf der Intensivstation arbeiten, seit sie selbst Kinder haben. Aber die meisten auf unserer Station kommen nach der Elternzeit gern wieder.Natürlich betreffen mich die Schicksale manchmal und ich denke: „Ach Mensch, …!“ und „Schön, dass meine Kinder gesund sind!“. Als meine Kinder geboren wurden, habe ich eigentlich das erste Mal erlebt, wie es normal verläuft: Mein Kind liegt bei mir im Zimmer und im Arm, dann nehme ich es mit nach Hause, füttere und versorge es. Da wurde mir nochmal bewusst, wie es den Eltern geht, wenn das Kind sofort nach der Geburt auf die Intensivstation kommt, und was die Kinder alles nicht bekommen und erfahren, wenn sie so krank geboren werden.Die Arbeit auf unserer Station macht es mir immer wieder bewusst, wie wichtig es ist, zu genießen, dass unsere Kinder gesund sind.

Geht Ihnen ein Schicksal näher, wenn Sie das Kind gut kennen?

Wenn ein Kind stirbt, das ich lange versorgt habe, betrifft mich das sehr! Weil ich es begleitet und eine intensive Bindung zu ihm habe. Oft wünsche ich mir dann: Wenn das Kind schon sterben muss, dann möchte ich es auch noch auf diesem Weg begleiten. Das geht auch meinen Kolleginnen so.Wenn ein Kind nur kurz bei uns war und verstirbt, bin ich auch traurig, aber es tut nicht so weh. Wenn ich das Kind selbst nicht versorgt habe, dann fühle ich mit den Eltern. Aber ich bin nicht betroffen. Sobald man aber einen Berührungspunkt mit dem Kind hatte, fühlt man eine eigene Traurigkeit und die ist natürlich umso stärker, je länger man das Kind versorgt hat.

Gibt es für solche Situationen psychologische Betreuung?

Wir haben unserem Team immer wieder Supervision angeboten und hatten auch einmal einen Gesprächskreis mit einer Psychologin. Aber das wurde nicht angenommen. Warum? Ich glaube, weil wir ein gut funktionierendes Team haben. Alle tauschen sich so gut untereinander aus, dass da kein Bedarf besteht.

Erinnern Sie sich an ein Kind besonders?

Wir hatten kürzlich einen kleinen Jungen mit Trisomie 21 und einem schwersten Herzfehler, der über Monate bei uns lag. Häufig war nicht klar, ob er es schafft. Am Ende hat ihm seine Mutter eine Tasche für sein mobiles Sauerstoffgerät mitgebracht und er fuhr mit seinem Bobbycar über unsere Station. Das war toll!Ein anderes Kind ist mir auch in Erinnerung geblieben: Als ich für meinen Stationsleitungskurs eine Broschüre über „Das Leben mit einem herztransplantierten Kind“ geschrieben habe, habe ich dazu eine Familie begleitet. Ihr Junge, Hannes, wurde bei uns transplantiert und ich habe die Familie später noch zu Hause besucht. Es war schön, zu sehen, wie Hannes zu Hause lebt.

Pflegen Sie oft weiter private Beziehungen zu den Familien?

Selten. Ich glaube, es ist wichtig, da eine professionelle Distanz zu wahren. Es passiert schon, dass wir die Familien wieder treffen, z. B. auf einem Fest der Kinderherzhilfe. Aber auch bei Hannes läuft der Kontakt immer über die Zusammenarbeit. Wenn wir gelegentlich die Broschüre aktualisieren, weiß ich, ich kann anrufen oder eine E-Mail schreiben. Und dann ist es schön, wenn wir miteinander sprechen, weil wir uns schon lange kennen. Aber ich persönlich finde, das sollte nicht enger werden.

Was gefällt Ihnen an der Arbeit auf der Intensivstation?

Ich finde das Fachgebiet medizinisch sehr interessant. Außerdem kann ich als Pflegekraft auf der Intensivstation sehr eigenverantwortlich und besonders eng am Patienten arbeiten: Wir müssen häufig überwachen und die Pflege ist sehr aufwendig. Auch der enge Kontakt zu den Eltern ist mir wichtig. Das alles macht mir viel Freude. Wir haben ja nicht nur traurige Fälle, sondern sehen, dass schwerstkranke Kinder genesen und sich erholen.