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DOI: 10.1055/s-0033-1343003
Therapeutenwechsel - Vor- oder Nachteil?
Subject Editor:
Publication History
Publication Date:
22 March 2013 (online)

PRO Schon wieder das unmotivierte Gesicht, das mich aus dem Krankenhausbett heraus anschaut - fast jeder Therapeut kennt Situationen, in denen der Patient einfach nicht mitarbeiten will. Ich bemühe mich Tag für Tag mit verschiedenen Techniken motiviere, coache, lobe, beleuchte kritisch die Situation des Patienten und weise ihn auf mögliche Folgen hin, falls sich nichts an seiner Einstellung ändert. In solchen Momenten ist für mich - unc auch für den Patienten - ein Therapeutenwechsel eine Wohltat Durch neue Ideen und Techniken der Kollegen kommt frischei Wind in die Therapie, die Motivation steigt auf beiden Seiten.
Diese Situationen kenne ich aber nicht nur nach wochenlangei Behandlung in der Klinik. Auch in der Praxis habe ich ab und an einen Therapeutenwechsel herbeigesehnt. Als ich zum Beispiel monatelang jeden Freitag um 19 Uhr einen gestressten Manager behandelt habe, der eigentlich nur ins Wochenende wollte, aber außer freitagabends sonst nie eine freie Minute fand. Die Kommunikation konnte irgendwann einfach nicht mehr gelingen. Auch ich hatte es einmal verdient, ins Wochenende zu starten, ohne vorher zum x-ten Mal den „Therapie-Muffel“ zu Rückenübungen animieren zu müssen.
Oft kommen Patienten über Jahre hinweg mehrfach pro Woche zur Therapie. In solchen Fällen ist es schwierig, sich für jede Behandlung einen neuen Pfiff auszudenken; als Therapeut wird man irgendwann einfach müde. Nach so langer Zeit entwickelt sich oft eine freundschaftliche Beziehung zwischen Patient und Therapeut, die privaten Gespräche nehmen zu und die Gefahr steigt, dass die Therapie einem Kaffeekränzchen gleicht - ein Therapeutenwechsel würde das Problem in meinen Augen aus der Welt schaffen.
KONTRA „Der Kollege macht das schon, ich hab den Patienten eh nur einmal“ - ein Therapeutenwechsel birgt die Gefahr, dass das Verantwortungsgefühl der einzelnen Therapeuten nachlässt. Und das ist nicht einmal verwunderlich. Denn wenn ein Therapeut bei einem 6er-Rezept einen Patienten bestenfalls zweimal behandelt, kann er die Auswirkungen seiner Therapie nur schwer beurteilen. Zudem leidet bei einem häufigen Therapeutenwechsel die Beziehung zum Patienten. Erlebt ein Patient in sechs Behandlungen drei verschiedene Therapeuten, kann das nicht gut gehen. Kaum hat sich der Patient an einen Therapeuten gewöhnt, steht ihm schon ein anderer gegenüber. Vertrauen und Vertrautheit? Keine Chance.
Unter den Therapeuten kann ein Wechsel auch das Konkurrenzdenken entfachen: Jeder will beim Patienten als der beste dastehen. Besonders schlimm ist es, wenn die Meinungsverschiedenheiten auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden. Bei Themen wie „Eis bei Schwellung - ja oder nein?“ vertritt fast jeder Therapeut, abhängig von besuchten Fortbildungen, einen anderen Standpunkt. Ein Therapeut mit osteopathischer Ausbildung hat häufig eine völlig andere Sicht als sein Kollege mit manualtherapeutischem Hintergrund. Wählen sie unterschiedlichste Therapien bei einem Patienten, wird dieser vermutlich verunsichert sein oder sich sogar für das nächste Rezept eine andere Praxis suchen - wenn er nach so einem Erlebnis überhaupt noch Vertrauen in die Physiotherapie hat. Abgesehen davon kann auch die Therapie ineffizient sein, wenn jeder Therapeut ein anderes Ziel verfolgt. Einzig detaillierte Absprachen und ausführliche Dokumentationen können hier Abhilfe schaffen. Doch nicht immer ist das im Praxisalltag lückenlos umzusetzen.
→ Wir suchen Autoren für das Thema „Sie oder Du - Distanz vs. Vertrautheit“. Haben Sie handfeste Argumente fürs Siezen oder Duzen, dann schicken Sie diese bis zum 8. April 2013 an kathrin.bauer@thieme.de. Die beste „Bewerbung“ erhält den Zuschlag und 40 Euro Honorar.