Rofo 2013; 185(5): 474-481
DOI: 10.1055/s-0032-1330728
Technik und Medizinphysik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Exposition der Augenlinse des Untersuchers und Effizienz der Strahlenschutzmittel bei fluoroskopischen Interventionen

Exposition of the Operator’s Eye Lens and Efficacy of Radiation Shielding in Fluoroscopically Guided Interventions
M. Galster
1   Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum Nürnberg-Nord, Nürnberg
,
C. Guhl
2   Institut für Medizinische Physik, Klinikum Nürnberg
,
M. Uder
3   Radiologisches Institut, Universität Erlangen
,
R. Adamus
1   Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum Nürnberg-Nord, Nürnberg
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Marco Galster
Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum Nürnberg-Nord
Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1
90419 Nürnberg
Phone: ++ 49/9 11/3 98 25 40   
Fax: ++ 49/9 11/3 98 20 73   

Publication History

10 August 2012

21 December 2012

Publication Date:
25 February 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Ziel: Effizienz der Strahlenschutzmittel bezüglich der Augenlinsendosis des Untersuchers bei fluoroskopischen Interventionen.

Material und Methoden: Ein Patientenphantom wurde an einer DSA-Anlage exponiert. Dosismessungen erfolgten mittels Ionisationskammer in Augenposition des Untersuchers. Die Messungen imitierten fluoroskopische Interventionen, wobei die Reduktion der Streustrahlung durch den tischmontierten Strahlenschutz (Untertisch-Vorhang und Übertisch-Aufsatz) beurteilt wurde. Die Effizienz der deckenmontierten Bleiacrylglasscheibe wurde im Streustrahlungsfeld eines Quaderphantoms bestimmt. Die Schutzwirkung verschiedener Bleiglasbrillen und Bleiacrylglasvisiere wurde durch Thermolumineszenzdosimetrie an einem Kopfphantom in Direktstrahlung evaluiert.

Ergebnisse: Die Exposition der Linse bei radiologischen Untersuchungen von ca. 110 – 550 μSv wird durch den Untertisch-Vorhang nur gering reduziert. Durch Vorhang plus Aufsatz kann die Linsendosis bei Interventionen am Abdomen in PA-Projektion etwa um den Faktor 2 reduziert werden. In 25°-LAO ergibt sich ein Reduktionsfaktor zwischen 1,2 und 5. Die AP-Projektion ergibt die höchsten Dosiswerte, auch ist die Wirkung des tischmontierten Strahlenschutzes minimal. Die deckenmontierte Bleiacrylglasscheibe reduziert die Linsendosis bei optimaler Positionierung etwa um den Faktor 30. Die Bleiglasbrillen und -visiere reduzieren die Linsendosis maximal um den Faktor 8 – 10. Je nach Design der untersuchten Modelle ist die Schutzwirkung geringer, insbesondere für Strahlungen am Kopfphantom aus laterokaudaler Richtung. Teils werden sogar Erhöhungen der Linsendosis durch die Visiere beobachtet.

Schlussfolgerung: Die Exposition der Augenlinse kann bei konsequenter Anwendung der Strahlenschutzmittel auch unterhalb der neuen Grenzwerte der ICRP gehalten werden.


#

Abstract

Purpose: Efficacy of radiation protection tools for the eye lens dose of the radiologist in fluoroscopic interventions.

Materials and Methods: A patient phantom was exposed using a fluoroscopic system. Dose measurements were made at the eye location of the radiologist using an ionization chamber. The setting followed typical fluoroscopic interventions. The reduction of scattered radiation by the equipment-mounted shielding (undercouch drapes and overcouch top) was evaluated. The ceiling-suspended lead acrylic glass screen was tested in scattered radiation generated by a slab phantom. The protective properties of different lead glass goggles and lead acrylic visors were evaluated by thermoluminescence measurements on a head phantom in the primary beam.

Results: The exposition of the lens of about 110 to 550 μSv during radiologic interventions is only slightly reduced by the undercouch drapes. Applying the top in addition to the drapes reduces the lens dose by a factor of 2 for PA projections. In 25°LAO the dose is reduced by a factor between 1.2 and 5. The highest doses were measured for AP angulations furthermore the efficacy of the equipment-mounted shielding is minimal. The ceiling-suspended lead screen reduced scatter by a factor of about 30. The lead glass goggles and visors reduced the lens dose up to a factor of 8 to 10. Depending on the specific design, the tested models are less effective especially for radiation from lateral with cranial angulation of the beam. Occasionally the visors even caused an increase of dose.

Conclusion: The exposition of the eye lens can be kept below the new occupational limit recommended by the ICRP if the radiation shielding equipment is used consistently.


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Einleitung

Interventionelle radiologische Verfahren sind klinisch etabliert und verzeichnen seit Jahren steigende Untersuchungszahlen [1] [2].

Das medizinische Personal, besonders der primäre Untersucher, ist während der Eingriffe durch die erforderliche Nähe zum Patienten der Streustrahlung ausgesetzt. Neue Erkenntnisse bezüglich einer strahlungsbedingten Induktion von Trübungen der Augenlinse bis hin zur Kataraktentstehung bereits nach Exposition mit nur 0,8 Gy rücken die Augenlinse des Untersuchers als Risikoorgan stärker in den Fokus der Diskussion [3] [4].

Ohne Verwendung geeigneter Strahlenschutzmaßnahmen ist von Linsendosen über 2 mSv während einer einzelnen Prozedur berichtet worden und es können Dosisleistungen von 10 mSv/h während der Durchleuchtung oder 50 mSv/h bei Aufnahmeserien überschritten werden [5] [6]. Die ICRP empfiehlt, den Grenzwert der Augenlinsendosis für beruflich strahlenexponierte Personen von 150 mSv/Jahr auf 20 mSv/Jahr gemittelt über 5 Jahre zu reduzieren, wobei 50 mSv in keinem Jahr überschritten werden sollten [7] [8]. Bei nicht optimierter Arbeitsweise ist eine Überschreitung dieser deutlich niedrigeren Grenzwerte jedoch zu befürchten.

Vor diesem Hintergrund erlangen Strahlenschutzmaßnahmen eine besondere Bedeutung. In der vorliegenden Arbeit soll die Effizienz der geräteseitigen Strahlenschutzeinrichtungen und der personenbezogenen Strahlenschutzausrüstung anhand von Phantommessungen evaluiert werden und eine Abschätzung der Strahlenexposition der Augenlinse des primären Untersuchers bei ausgewählten fluoroskopischen Interventionen gegeben werden.


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Material und Methoden

Die Messungen erfolgten an einer Angiografieeinheit (Artis zeego, Siemens, Erlangen, D). Der Flachdetektor der Anlage besitzt eine Bilddiagonale von 48 cm. Es wurden Aufnahmeserien unter Einsatz der automatischen Belichtungskontrolle angefertigt, hierbei nutzten wir klinisch verwendete Untersuchungsprotokolle. Die spektrale Filterung der Nutzstrahlung erfolgte automatisiert durch die Anlage. Zur Erzeugung einer realistischen Streustrahlungsverteilung wurde ein anthropomorphes Patientenphantom verwendet (Alderson-Rando-Phantom, The Phantom Laboratory, Salem, NY), welches einem 175 cm großen Mann mit einem Gewicht von 73,5 kg entspricht. Adipöse Patienten wurden simuliert, indem zusätzlich eine 2 cm dicke Aluminiumplatte in den Strahlengang eingebracht wurde, die auf dem Untersuchungstisch unterhalb des Alderson-Phantoms platziert war bzw. neben dem Phantom bei seitlichem Strahlengang. Die Aufnahmespannung lag zwischen 67,4 kV und 76,4 kV für den PA-Strahlengang und zwischen 72,2 kV und 91,6 kV für seitliche Aufnahmen. Es wurde eine Zusatzfilterung von 0,1 mm Cu am Körperstamm und Kopf verwendet, für die 90°-RAO-Projektion des Abdomens des normgewichtigen Phantoms und den meisten Projektionen des dicken Patientenphantoms 0,0 mm Cu. Der Abstand zwischen Phantom und Detektor betrug 5 – 6 cm für die PA- und 25°-LAO/RAO-Projektionen, 9 cm für die 90°-RAO-Projektion und 10 cm für die AP-Projektion.

Das Alderson-Phantom als Kopf-Torso-Phantom ergänzten wir zur Simulation angiografischer Untersuchungen der Beine mittels wasseräquivalenter Plattenphantome (Schichtdicke 18,5 cm für die Oberschenkel, 16,5 cm für die Unterschenkel). Die Schichtdicken sowohl der zur Variation der Patientendicke eingesetzten Aluminiumplatte als auch der Beinphantome wurden so festgelegt, dass die resultierenden Aufnahmeparameter jeweils realen Untersuchungen entsprachen.

Als Ortsdosis-Messgerät diente eine Ionisationskammer (Röntgen-Gamma-Dosimeter, Herfurth GmbH, Hamburg, D.), welche vor jedem Einsatz gegen die Aktivität einer internen Strontium-Quelle kalibriert wurde. Die Kammer wurde in die Position des strahlungsnahen Untersucherauges gebracht. Die Messhöhe über dem Boden entsprach der Augenhöhe eines 180 cm großen Untersuchers (Augenhöhe 169 cm).

Ermittelt wurde die Photonenäquivalentdosis Hx, welche sich in die Luftkerma Ka (Konversionsfaktor 0,876 Gy/Sv) und in die Teilkörperdosis HP(0,07) (Konversionsfaktor 1,134 bei Streustrahlung einer 70kV-Röntgenprimärstrahlung) [9] [10] umrechnen lässt. Die anatomisch sinnvollere, jedoch bei Photonenstrahlung wenig gebräuchliche HP(3) wurde nicht berücksichtigt [10]. Normiert wurden die Dosiswerte jeweils auf das während der Messung applizierte Dosisflächenprodukt DFP, welches durch das in der Anlage integrierte Dosisflächenprodukt-Messgerät bestimmt wurde. Für eine gegebene Untersuchungsgeometrie mit konstantem Abstand von der Strahlenquelle, Röhrenangulation und Strahlenqualität verhalten sich die gemessene Streustrahlung und das applizierte DFP proportional zueinander [11]. DFP-normierte Streustrahlungsmessungen ermöglichen daher, die Effekte von Strahlenschutzmaßnahmen zu beurteilen, falls die übrigen Parameter der Messanordnung konstant gehalten werden. Die DFP-normierten Dosiswerte (Quotient HP[0, 07]/DFP) werden nachfolgend als Scatter-Faktor bezeichnet [12].

Die Messanordnung imitierte typische fluoroskopische Interventionen. Die Untersucherposition orientierte sich an dem üblicherweise verwendeten Gefäßzugang über die rechte Leiste. Für Eingriffe an den Gallenwegen (PTCD) wurde ein transkostaler Zugang von rechts zugrunde gelegt. Für die TIPSS-Anlage ein jugulärer Zugang von rechts. Die Messungen am Beinphantom erfolgten in der klinisch meist verwendeten PA-Projektion.

Es erfolgten jeweils Messungen ohne und mit geräteseitiger Strahlenschutzeinrichtung, wobei entweder ein seitlicher Untertisch-Bleivorhang alleine verwendet wurde oder das gesamte tischmontierte Schutzsystem bestehend aus Untertisch-Vorhang und Übertisch-Aufsatz (beide mit einem Bleigleichwert BGW von 0,5 mm, Fa. Kenex, Harlow, Eng.).

Die Effizienz der deckenmontierten Bleiacrylglasscheibe (BGW 0,5 mm, Fa Mavig, München, D) wurde durch Messungen in Streustrahlung bestimmt, hierzu wurden wasseräquivalente Quaderphantome der Schichtdicke von 20 und 30 cm bestrahlt (Röhrenspannung 63,8 kV bzw. 82 kV). Die Messungen erfolgten lateral der Platten in 90°-Streustrahlung mittels Ionisationskammer.

Die Schutzwirkung von Bleiglasbrillen wurde durch gesonderte Messungen mittels LiF-Thermolumineszenzdosimetern (Harshaw TLD 100 rods, Thermo Fisher Scientific) bestimmt. Die TLDs wurden an einem Kopfphantom innerhalb einer Halterung im Bereich der Kornea beider Augen platziert. Anschließend wurde der Aufbau aus verschiedenen, für die Praxis relevanten Winkeln bestrahlt. Wir nutzen hierfür vorwiegend Primärstrahlung, da nur so für jede Einzelmessung eine ausreichende Exposition der TLDs erreicht werden konnte. Der Messbereich lag mit 7 – 200 mGy ca. um den Faktor 102 bis 3 × 103 über dem Leerwert. Insgesamt 4 verschiedene Modelle wurden vermessen, 2 Bleiglasbrillen mit Seitschutz (Modell BR124, Fa. Mavig, München, BGW 0,5 mm; Modell GL3523, MD McCauley Co. Inc., Ontario, CA USA, BGW von 0,75 mm frontal, 0,5 mm Seitschutz) und 2 großflächigere Bleiacrylglasvisiere (BRV 500 und BRV 501, Fa. Mavig, München, BGW je 0,1 mm). Aus den DFP-normierten Dosiswerten der Messungen ohne und mit Strahlenschutzbrille wurde die Schutzwirkung bestimmt. Der Sensor der Belichtungskontrolle wurde so positioniert, dass die Messungen jeweils mit vergleichbaren Aufnahmeparametern erfolgten. Die TLDs wurden am Tag der Bestrahlung mit einem System der Firma Fimel ausgewertet (LTM-Reader, Fa. Fimel, Fontenay aux Roses, Fr). Das für einzelne TLD-Elemente normalerweise etwas unterschiedliche Dosis-Ansprechverhalten wurde durch Korrekturfaktoren berücksichtigt, welche sich aus den Ergebnissen einer homogenen Bestrahlung der TLDs in einem Irridator ergaben.

Bezüglich der Energie- und Winkelabhängigkeit der Messungen ist von einem Zusatzfehler von ca. 10 % auszugehen. Wiederholungen des Messaufbaus zur Fehlerabschätzung unter Verwendung des Alderson-Phantoms ergaben eine Standardabweichung von 5,2 % des Mittelwerts der Einzelmessungen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass statistisch auftretende Messfehler zum Beispiel durch Quantenrauschen einen geringeren Einfluss auf die Messergebnisse besitzen als Ungenauigkeiten des Messaufbaus.

Zur Abschätzung der Linsendosis verschiedener Interventionen nutzten wir DFP-Daten der radiologischen Institute des Klinikums Nürnberg Nord aus den Jahren 2007 – 2010 und der Universität Erlangen aus den Jahren 2011/2012. Für die Berechnungen legten wir die klinisch häufig verwendeten PA-Projektionen und die Mittelwerte der DFP-Verteilung zugrunde. Berücksichtigt wurde sowohl die Verwendung als auch die Nicht-Verwendung der Strahlenschutzausrüstung ([Abb. 1]).

Zoom Image
Abb. 1 Messaufbau mit Alderson-Phantom im PA-Strahlengang. Das tischmontierte Strahlenschutzsystem aus Untertisch-Vorhang und Übertisch-Aufsatz (BGW jeweils 0,5 mm) sind im Einsatz. Rechts oben am Bildrand (Pfeil) die Ionisationskammer in Augenposition des Untersuchers bei femoralem Zugang.

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Ergebnisse

Die [Tab. 1] zeigt die Werte des Scatter-Faktors HP(0,07)/DFP in Abhängigkeit von der Röhrenangulation und den geräteseitigen Strahlenschutzeinrichtungen. Ohne Strahlenschutzmaßnahmen erreichen die Streustrahlungswerte bei PA-Projektionen maximal 37,7 nSv/μGym2 (PTCD). Geringere Werte werden bei den 25°-RAO-Projektionen gemessen. Die 25°-LAO-Aufnahmen ergeben höhere Streustrahlungswerte bis 66,9 nSv/μGym2 (PTCD). Die mit bis zu 212,7 nSv/μGym2 mit Abstand höchsten Messwerte werden bei AP-Projektionen des Beckens erreicht.

Tab. 1

Effizienz des geräteseitigen Strahlenschutzes bezüglich der Linsendosis des Untersuchers bei Standardpatienten.

Interventionen

HP0,07/DFP in nSv/μGym2 bei verschiedenen Röhrenprojektionen

PA

25°-LAO

25°-RAO

90°-RAO

AP

Kopf

11,3

11,0

–2,3 %

10,5

–4,5 %

22,9

20,7

–9,6 %

13,1

–36,7 %

4,3

4,1

–3,0 %

3,9

–4,9 %

15,3

15,3

–0 %

nu.

29,7

29,7

–0 %

29,5

–0,7 %

Thorax

15,3

14,8

–3,4 %

14,2

–4,1 %

10,7

10,1

–6,0 %

8,8

–12,9 %

4,2

3,9

–9,1 %

3,5

–10,3 %

nu.

55,0

55,1 + 0,2 %

54,8

–0,5 %

Oberbauch

20,9

21,5

+ 3,1 %

8,5

–60,5 %

25,0

24,2

–3,1 %

19,8

–18,2 %

6,3

5,6

–10,4 %

4,6

–17,9 %

51,4

49,5

–3,8 %

nu.

137,9

141,6

+ 2,6 %

140,9

–0,5 %

PTC(D)

37,7

37,1

–1,7 %

20,4

–45,0 %

66,9

50,6

–24,4 %

42,0

–17,0 %

4,4

3,8

–11,8 %

2,7

–38,9 %

nu.

207,0

207,3

+ 0,1 %

206,0

–0,6 %

TIPSS

16,3

15,6

–4,0 %

12,9

–17,3 %

25,4

14,2

–43,9 %

8,5

–40,1 %

8,4

7,6

–9,2 %

6,8

–10,5 %

3,4

3,2

–3,8 %

nu.

74,3

74,5

+ 0,3 %

73,8

–0,9 %

Becken

16,3

15,9

–2,4 %

10,3

–35,2 %

41,1

40,9

–0,6 %

19,3

–52,8 %

7,1

6,7

–5,5 %

6,0

–10,4 %

nu.

212,7

212,7

–0 %

212,5

–0,1 %

Bein, retrograd, Oberschenkel

33,5

33,1

–1,5 %

31,8

–3,9 %

nu.

nu.

nu.

nu.

Bein, retrograd, Unterschenkel

29,6

28,8

–2,6 %

28,4

–1,4 %

nu.

nu.

nu.

nu.

Bein, antegrad, Oberschenkel

15,6

15,5

–0,8 %

6,4

–58,7 %

nu.

nu.

nu.

nu.

Bein, antegrad, Unterschenkel

11,6

11,3

–2,2 %

9,3

–17,7 %

nu.

nu.

nu.

nu.

Messungen des Scatter-Faktors (HP0,07/DFP in nSv/μGym2) bei verschiedenen Interventionen.

Erster Wert: Ohne Strahlenschutzmittel.

Zweiter Wert: Untertisch-Bleivorhang als alleiniges Strahlenschutzmittel.

Dritter Wert: Untertisch-Bleivorhang mit dem Übertisch-Aufsatz. In Kursivschrift relative Dosisveränderungen in Prozent zum jeweils vorangehenden Wert.

Messung am Ort der strahlungsnahen Augenlinse des Untersuchers. Die Untersucherposition wird durch den Zugang über die rechte Leiste vorgegeben (TIPSS von rechts jugulär, PTCD von rechts transcostal). nu: nicht untersucht. Die Messungen am Kopf erfolgten in 35°-LAO/RAO.

Die Linsendosis bleibt bei alleiniger Anwendung des Untertisch-Vorhangs gegenüber den Messungen ohne Strahlenschutz weitgehend konstant. Im Rahmen der Messunsicherheit ist auch der Wert bei der PA-Projektion am Oberbauch als konstant zu werten. Eine etwas höhere Effizienz erreichte der Untertischschutz bei Schrägprojektionen, insbesondere der 25°-LAO-Projektion der PTCD und der TIPSS (Reduktion von HP[0,07]/DFP um 24,4 bzw. 43,9 %).

Gegenüber der alleinigen Verwendung des Untertisch-Vorhangs konnte bei Einsatz des kompletten tischmontierten Strahlenschutzes (Untertisch-Vorhang und Übertisch-Aufsatz) eine deutlichere Streustrahlungsreduktion dokumentiert werden. Für die PA-Projektion verringerte sich der Scatter-Faktor bei den Interventionen am Abdomen zwischen 17,3 % (TIPSS) und 60,5 % (Oberbauch). Das Ausmaß der Streustrahlungsreduktion war bei den 25°-RAO-Projektionen zwar etwas geringer als bei den jeweiligen LAO-Aufnahmen, allerdings blieben die absoluten Streustrahlungswerte der 25°-RAO-Projektion etwa um den Faktor 3 – 4 unter denen der LAO-Aufnahmen (maximal Faktor 15 bei der PTCD).

Die höchsten Linsendosen wurden in den AP-Projektionen gemessen. Durch das tischmontierte Strahlenschutzsystem ließen sich diese auch nicht relevant reduzieren.

[Tab. 2] zeigt die DFP-normierten Streustrahlungswerte bei Interventionen am Abdomen/Becken unter Annahme eines korpulenten Patienten. Infolge der Anpassung der Aufnahmeparameter durch die Belichtungsautomatik stiegen für eine vergleichbare Aufnahmeserie die DFP-Werte gegenüber dem normgewichtigen Phantom etwa um den Faktor 3. Auch die Streustrahlungswerte stiegen an, allerdings in einem etwas geringeren Ausmaß, was insgesamt zu einer leichten Reduktion des Faktors HP(0,07)/DFP führte. Eine Ausnahme bilden wieder die AP-Projektionen, bei denen der Faktor im Rahmen der Messunsicherheit unverändert blieb.

Tab. 2

Effizienz des geräteseitigen Strahlenschutzes bezüglich der Linsendosis des Untersuchers beim dicken Patienten.

Interventionen

HP0,07/DFP in nSv/μGym2 bei verschiedenen Röhrenprojektionen

PA

25°-LAO

25°-RAO

90°-RAO

AP

Oberbauch

17,6

16,6

–5,9 %

10,7

–35,5 %

21,3

16,4

–33,0 %

5,9

–64,0 %

2,5

2,3

–5,3 %

2,0

–13,0 %

39,7

37,8

–4,9 %

nu.

145,5

151,4

+ 4,1 %

151,1

–0,2 %

PTC(D)

24,1

23,6

–1,6 %

7,8

–66,9 %

31,5

12,7

–59,8 %

9,5

–25,2 %

2,8

2,5

–13,6 %

1,9

–24,0 %

nu.

210,3

210,2

–0,1 %

210,2

–0,0 %

TIPSS

10,9

10,5

–3,6 %

8,6

–18,1 %

18,1

13,5

–25,7 %

3,7

–72,6 %

3,3

2,8

–15,4 %

2,5

–10,7 %

5,0

4,8

–5,1 %

nu.

76,5

76,5

–0 %

76,4

–0,1 %

Becken

15,3

12,4

–18,6 %

9,5

–23,4 %

29,9

29,8

–0,3 %

6,5

–78,2 %

5,4

4,5

–19,0 %

4,0

–11,1 %

nu.

194,6

194,1

–0,3 %

194,1

–0,0 %

Messungen des Scatter-Faktors (HP0,07/DFP in nSv/μGym2) bei verschiedenen Interventionen.

Erster Wert: Ohne Strahlenschutzmittel.

Zweiter Wert: Untertisch-Bleivorhang als alleiniges Strahlenschutzmittel.

Dritter Wert: Untertisch-Bleivorhang mit dem Übertisch-Aufsatz. In Kursivschrift relative Dosisveränderungen in Prozent zum jeweils vorangehenden Wert.

Messung am Ort der Strahlungs-nahen Augenlinse des Untersuchers. Die Untersucherposition wird durch den Zugang über die rechte Leiste vorgegeben (TIPSS von rechts jugulär, PTCD von rechts transcostal). nu: nicht untersucht.

Die Streustrahlungsreduktion durch den geräteseitigen Strahlenschutz war insgesamt vergleichbar mit den Ergebnissen am normgewichtigen Phantom. Bei den 25°-LAO-Projektionen wurde durch Untertisch-Vorhang und Übertisch-Aufsatz eine Reduktion des Streustrahlungswerts um 25,2 – 78,2 % beobachtet, damit lag die Effizienz des Strahlenschutzes noch über den Messwerten am normgewichtigen Phantom. Mit 35,5 % lag die Streustrahlungsreduktion für die PA-Angulation am Oberbauch etwas unter der Marke am normgewichtigen Phantom.

Die deckenmontierte Bleiglasscheibe konnte die Streustrahlungsdosis bei optimaler Positionierung um den Faktor 26 – 29 verringern (Streustrahlungsreduktion um 96,2 % bei 82 kV und 96,6 % bei 63,8 kV).

Bezüglich der Effizienz der Bleiglasbrillen und -visiere ergaben sich bei Bestrahlung des Kopfphantoms in AP-Projektion für alle untersuchten Modelle vergleichbare Ergebnisse mit einer Reduktion der Dosis gegenüber der Messung ohne Brille um 85,9 – 88 % für beide Augen. Im exakt seitlichen Strahlengang konnten Dosisreduktionen zwischen 70,3 % und 89,3 % für beide Augen dokumentiert werden, lediglich die Brille BR124, welche eine Lücke zwischen dem Front- und Seitschutz aufweist, erreichte eine Dosisreduktion von etwa 17 % für beide Augen.

Bei angiografischen Interventionen am Körperstamm wird das Untersucherauge durch Streustrahlung mit seitlicher, kaudokranialer Einfallsrichtung exponiert. Bei einer derartigen Bestrahlung des Kopfphantomes (75 – 90° von links lateral, 20 – 30° kaudokranial) ist die Strahlungsreduktion für das strahlungsnahe, linke Auge meist besser als für das rechte Auge. Bei den 20° kaudokranial angulierten, seitlichen Bestrahlungen werden für das strahlungsnahe Auge Reduktionswerte zwischen 13 % und 87,7 % erreicht. Bei den 30°kaudokranial angulierten Einstellungen weist die Brille GL3523 mit einer Streustrahlungsreduktion von 4 % (90°seitliche Einstellung) und 43,7 % (75° seitliche Projektion) eine geringere Schutzwirkung auf. Mehrfach werden für die stärker kaudokranial angulierten Einstellungen bei den Bleiacrylglasvisieren Dosissteigerungen gegenüber der Messung ohne Schutzbrille dokumentiert ([Abb. 2], [Tab. 3]).

Zoom Image
Abb. 2 Untersuchte Bleiglasbrillen und Bleiacrylglasvisiere, Radiografie des Kopfphantoms aus 75° LAO mit 30° kaudokranialer Angulation. Zur Verdeutlichung des TLD-Messorts wurden die Augen mit Metallkügelchen markiert. Modelle: a BR124, b GL3523, c BRV 501, d BRV 500.
Tab. 3

Effizienz der untersuchten Bleiglasbrillen und Bleiacrylglasvisiere bezüglich der Augenlinsendosis des Untersuchers.

Bestrahlungsprojektionen des Schädelphantoms

Bleiglasbrillen und Bleiacrylglasvisiere

Auge

Brille BR124

Brille GL3523

Visier BRV 501

Visier BRV 500

AP (0° lateral, 0° kaudokran.)*

R

–85,2 %

L

–86,2 %

AP (0° lateral, 0° kaudokran.)

R

–87,6 %

–88,2 %

–86,3 %

–86,0 %

L

–88,0 %

–87,0 %

–86,6 %

–85,9 %

90° von links, 0° kaudokranial

R

–17,5 %

–70,9 %

–89,3 %

–84,7 %

L

–16,9 %

–74,9 %

–89,0 %

–84,7 %

90° von links, 20° kaudokran.

Körperstamm, z. B. Thorax

R

–17,0 %

–10,2 %

–75,8 %

+ 14,6 %

L

–71,9 %

–64,4 %

–88 %

–13,0 %

90° von links, 30° kaudokran.

Körperstamm

R

–16,5 %

–11,8 %

 –5,9 %

+ 13,1 %

L

–10,7 %

 –4 %

–82,1 %

+ 10,6 %

75° von links, 20° kaudokran.

Körperstamm

R

–55,8 %

–37,5 %

–85,3 %

–90,6 %

L

–86,9 %

–84,5 %

–87,7 %

–88,9 %

75° von links, 30° kaudokran.

Körperstamm, z. B. Abdomen

R

–9,5 %

–15,4 %

–20,3 %

–87,6 %

L

–81,8 %

–43,7 %

–86,9 %

–84,9 %

45° von links, 55° kaudokran., z. B. PTCD

R

–77,5 %

 –6,5 %

 + 1,8 %

–86,1 %

L

–86,7 %

 –2,8 %

 + 2,0 %

–83,5 %

25° von links, 45° kaudokran.

R

–88,4 %

–88,6 %

 –2,6 %

–92,2 %

L

–88,0 %

–84,8 %

–83,7 %

–90,1 %

45° von rechts, 30° kaudokran.

z. B. TIPSS

R

–83,9 %

–82,7 %

–86,1 %

–87,3 %

L

–80,3 %

–81,5 %

–65,7 %

–90,0 %

Die Prozentangaben geben jeweils die Dosisänderung im Verhältnis zu einer Bestrahlung ohne Schutzbrille wieder, negative Werte zeigen dabei eine Schutzwirkung der Brille an. In der linken Spalte sind zu den Bestrahlungsprojektionen einige klinische Beispiele angegeben. Die Einstellungen mit Bestrahlung 75 – 90° von links lateral bei 20 – 30° kaudokranial anguliertem Strahlengang entspricht je nach bevorzugter Tischhöhe und Monitorstellung den Untersuchungen des Körperstamms bei Zugang von der rechten Leiste aus.

Die Messungen erfolgten mittels TLDs an einem Kopfphantom in Primärstrahlung (bei 70 kV).

Die mit * markierte Messung erfolgte in Streustrahlung (erzeugt durch 82kV-Bestrahlung eines wasseräquivalenten Plattenphantoms einer SD von 30 cm).

Auf Grundlage der obigen Streustrahlungsmessungen gibt [Tab. 4] eine Abschätzung der Linsendosis für verschiedene, typische Interventionen wieder.

Tab. 4

Abschätzung der Linsendosis bei einer Auswahl fluoroskopischer Interventionen. Die DFP-Daten stammen aus einer RIS-Auswertung des Klinikums Nürnberg Nord (jeweils oben) und des Universitätsklinikums Erlangen (jeweils unten). Für den Strahlenschutz werden die obigen Scatter-Faktor-Daten des jeweiligen PA-Strahlengangs und die Daten des strahlungsnahen Auges des Brillenmodells GL3523, MD McCauley Co. Inc., zugrunde gelegt. Der geräteseitige Strahlenschutz umfasst den Untertisch-Bleivorhang mit Übertisch-Aufsatz. Für die Bleiglasscheibe wird ein konservativer Schutzfaktor von 7 angenommen [19]. In Klammern ist die maximale Untersuchungszahl pro Jahr bis zur Überschreitung des empfohlenen ICRP-Grenzwerts von 20 mSv/a angegeben.

Linsendosis HP(0,07) in μSv, in Klammern max. mögliche Untersuchungsanzahl pro Jahr

Interventionen

Stichprobenumfang n

DFP in μGym2, Mittelwert

nur Untertisch-Bleivorhang

Untertisch-Bleivorhang und Übertisch-Aufsatz

geräteseitiger SS (Bleivorhang und Aufsatz) + Bleiglasscheibe

geräteseitiger SS+ Bleiglasscheibe + Bleiglasbrille

Bronchialarterienembolisation

16

 4

 8 426,5

15 304,3

124,7 (160)

226,5 (88)

119,7 (167)

217,3 (92)

17,1 (1169)

31,0 (645)

 6,1 (3278)

11,1 (1801)

TIPSS

30

11

28 290,0

34 187,6

441,3 (45)

533,3 (37)

364,9 (54)

441,0 (45)

52,1 (383)

63,0 (317)

 9,0 (2222)

10,9 (1834)

transarterielle

Leberembolisation

44

11

 9 132,4

16 884,3

196,3 (101)

363,0 (55)

 77,6 (257)

143,5 (139)

11,1 (1801)

20,5 (975)

 6,2 (3225)

11,5 (1739)

PTC(D)

32

k. A.

 2 914,7

108,1 (185)

 59,5 (336)

 8,5 (2352)

 8,3 (2409)

Blutungssuche

abdominal

30

11

12 597,4

28 193,1

270,8 (73)

606,2 (32)

107,1 (186)

239,6 (83)

15,3 (1307)

34,2 (584)

 8,6 (2325)

19,3 (1036)

Embolisation Becken, z. B. Uterus

33

 4

 7 020,0

 9 089,3

111,6 (179)

144,5 (138)

 72,3 (276)

 93,6 (213)

10,3 (1941)

13,4 (1492)

 5,8 (3448)

 7,5 (2666)

antegrade PTA/Stent femoropopliteal

39

16

  631,1

  504,8

  9,8 (2040)

  7,8 (2564)

  4,0 (5000)

  3,2 (6250)

 0,6 (33 333)

 0,5 (40 000)

 0,3 (66 666)

 0,3 (66 666)


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Diskussion

Bei angiografischen Interventionen ist das medizinische Personal, besonders der primäre Untersucher, ionisierender Strahlung ausgesetzt und dies oft arbeitstäglich über viele Berufsjahre. Die Hauptquelle dieser Strahlung ist die vom Patienten ausgehende Streustrahlung. Im Gegensatz zur früheren Annahme, es gebe eine Schwellendosis bezüglich der Induktion von Linsentrübungen von mindestens 0,5 – 2 Gy bei akuter Exposition und 5 – 6 Gy bei Langzeitexposition [8], kommen neuere Untersuchungen zu dem Schluss, dass die Dosisschwelle auch bei fraktionierter Exposition über einen längeren Zeitraum bei maximal 0,8 Gy liegt [3] [4]. Da die Konfidenzintervalle jeweils den 0 Gy-Wert miteinschließen, existiert eventuell auch keine Schwellendosis. Wirkungsvoller Strahlenschutz der Augenlinse ist daher von besonderer Bedeutung.

DFP-normierte Streustrahlungsmessungen am Phantom ermöglichen, die Effekte von Strahlenschutzmaßnahmen zu beurteilen. Trotz des prinzipiellen Problems der Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Phantomstudien auf die reale Untersuchung haben Messungen am Phantom einige Vorteile. Sie gestatten eine gute Reproduzierbarkeit des Messaufbaus und ermöglichen es, für jede Einzelmessung ein ausreichend hohes DFP zu applizieren mit entsprechend hohen Streustrahlungswerten.

Wie in anderen Untersuchungen [13] [14] zeigt sich auch bei der Messung der Linsendosis eine starke Abhängigkeit der Streustrahlungsexposition von der Röhrenangulation. Je nach Untersuchungsregion ergibt sich gegenüber den jeweiligen PA-Projektionen eine Reduktion der Streustrahlungsdosis für die 25°-RAO-Projektionen um ca. 50 – 80 %. Hingegen ist für die 25°-LAO-Projektionen mit einer um etwa 30 – 50 % höheren Streustrahlungsdosis gegenüber dem PA-Strahlengang zu rechnen. Mit Abstand die höchste Streustrahlungsbelastung des Untersuchers zeigen die AP-Projektionen mit Dosissteigerungen um den Faktor 3 – 13 gegenüber dem PA-Strahlengang. Ursächlich ist in erster Linie die Rückstreuung des ungeschwächten und damit dosisintensiven Primärstrahlenbündels vom Patienten. Die Leckstrahlung der nahe dem Untersucherauge platzierten Röntgenröhre spielt eine geringere Rolle (ca. Faktor 0,25 des Streustrahlungsanteils).

An Strahlenschutzmitteln für die Augenlinse stehen dem Radiologen die persönliche Schutzausrüstung in Gestalt einer Bleiglasbrille, die deckenmontierte Bleiacrylglasscheibe und der geräteseitige Untertisch-Bleivorhang mit Übertisch-Aufsatz zur Verfügung. Erwartungsgemäß zeigt hierbei der alleinige Untertisch-Vorhang nur eine minimale Schutzwirkung der Untersucherlinse. Er ist jedoch wichtig für den Strahlenschutz der Beine des Untersuchers [15] [16].

Eine relevante Reduktion der Linsendosis kann jedoch erzielt werden, wenn das komplette geräteseitige Schutzsystem bestehend aus Vorhang mit Aufsatz verwendet wird. Der Übertisch-Aufsatz bedeckt die Patientenflanke und reduziert die für die Streustrahlungsbelastung wichtige „Lücke“ zwischen dem Flachdetektor und Bleivorhang. Der RAO-Strahlengang ist auch bei Anwendung des tischmontierten Strahlenschutzes gegenüber der LAO-Projektion für die Untersucherdosis günstiger. Auch was die Effizienz des geräteseitigen Schutzsystems anbelangt, bilden die AP-Einstellungen mit Abstand die ungünstigste Konstellation. Anlagen mit Übertisch-montierter Röntgenröhre sind daher nicht für regelmäßige interventionelle Eingriffe geeignet [17].

Die deckenmontierte Bleiacrylglasscheibe hat durch ihre große Fläche das Potenzial, Kopf und Oberkörper des Untersuchers zu schützen. Durch ihren Einsatz kann die Streustrahlungsdosis um ca. den Faktor 30 gesenkt werden. Einen vergleichbaren Schutzfaktor von 27,5 ermittelte Eder für eine 0,5 mm Bleifolie bei 80 kV-Strahlung [18]. In der Realität liegt der Schutzfaktor der deckenmontierten Bleiglasscheibe jedoch niedriger und wird zwischen 3 und 11 angegeben [5] [19]. Das Problem liegt in der praktischen Verwendung, da die Scheibe während der Intervention den Zugang zum Patienten erschwert und wiederholt repositioniert werden muss, um ihre maximale Wirkung zu entfalten. Die Effizienz der Bleiacrylglasscheibe ist daher abhängig vom korrekten Einsatz durch den Radiologen.

Bezüglich der persönlichen Strahlenschutzausrüstung erreichten alle getesteten Brillen und Visiere eine Reduktion der Linsendosis um etwa 85 – 90 %. Die Ergebnisse sind damit vergleichbar mit früheren Untersuchungen [20] [21]. Allein aufgrund des Bleigleichwerts der getesteten Brillengläser von 0,5 bzw. 0,75 mm wären theoretisch bessere Schutzwirkungen erreichbar (Reduktion der Transmission um ca. 99 % bei einem BGW von 0,5 mm und 70kV-Strahlung). Ursächlich für die geringere Schutzwirkung ist die vom Kopfphantom ausgehende Streustrahlung. Es überrascht daher nicht, dass Brillen und Visiere für die AP-Bestrahlung des Kopfes gleich abschneiden, obwohl der BGW der Visiere mit 0,1 mm Bleiäquivalent deutlich geringer ist. Der Vorteil der Visiere liegt in der größeren Fläche des Bleiacrylglases, die die Streustrahlungsbelastung der Augenlinse durch das Kopfphantom besser reduziert. Daneben ist anzumerken, dass nominelle BGW-Angaben die Schwächungseigenschaften verschiedener Materialien eventuell unzureichend beschreiben [22]. Gewöhnlich blickt der Untersucher während der Bildaufnahme oder der Durchleuchtung nicht auf den Patienten, als Hauptquelle der Streustrahlung, sondern auf den Monitor. Abhängig von der Positionierung des Monitors erreicht die Streustrahlung das Untersucherauge hierbei von ventrolateral bis lateral mit kaudokranial gerichtetem Verlauf [23]. Bestrahlungen des Kopfphantoms mit einer entsprechenden Projektion geben die Situation angiografischer Interventionen somit realistischer wieder. Die teils deutlich unterschiedliche Schutzwirkung der getesteten Modelle ist hierbei abhängig vom spezifischen Design. Eine großflächige Blei-Abdeckung der Augenlinse, die nicht nur die Direktstrahlung, sondern auch die Streustrahlung der angrenzenden Abschnitte des Kopfphantomes reduziert, ergibt Schutzwirkungen um den Faktor 8 – 10. Schlechter schneiden die untersuchten Modelle bei stärker kaudokranial anguliertem Strahlengang ab, da die Linse zunehmend an den Bleiabschirmungen vorbei durch Direktstrahlung getroffen werden kann. Derartige Bestrahlungswinkel ergeben sich bei Untersuchungen des Abdomens oder Beckens mit femoralem Gefäßzugang oder bei perkutanen Galleinterventionen. Teilweise konnten hier sogar Dosissteigerungen durch die Schutzvisiere beobachtet werden, bedingt wahrscheinlich durch sekundäre Streuungseffekte von der augenzugewandten Rückseite des großflächigen Bleiacrylglases. Einen ähnlichen Effekt beobachtete Moore [24] bei Bleiglasbrillen ohne Seitschutz. Einschränkend ist anzumerken, dass die Schutzwirkung der Bleiglasbrillen und -visiere anhand von Messungen in Primärstrahlung beurteilt wurde. Nötig war dies, um die TLDs bei jedem Messdurchgang mit einer ausreichenden Dosis zu bestrahlen. Aufgrund der zu erwartenden, höheren Transmission von Primärstrahlung durch das Bleiglas [25] stellen die vorliegenden Messungen eine konservative Abschätzung der Situation in Streustrahlung dar. Gegenüber einer Messung in Streustrahlung ergeben sich daneben Unterschiede im räumlichen Aufbau des Strahlenfeldes. Aufgrund ihres kleinen Fokus ist die Röntgenröhre als Punktquelle anzusehen. Entsprechend erzeugt die Bleiglasbrille in Primärstrahlung exakte Röntgenschatten und keine Halbschatteneffekte wie in Streustrahlung eines Patientenphantoms. Betroffen sind hierbei jedoch vorwiegend Projektionen, bei denen sich TLDs jeweils nahe an die Kanten des Bleiglases projizieren.

Zur Einhaltung der neuen, von der ICRP empfohlenen Dosisgrenzwerte der Augenlinse ist eine konsequente und kombinierte Anwendung der Strahlenschutzmittel anzuraten. Die alleinige Verwendung von Strahlenschutzbrillen könnte aus den genannten Gründen ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Künftig ist auch die Überwachung der Teilkörperdosis der Augenlinse anzuregen, eventuell auch durch elektronische Personendosimeter mit akustischer Warnung bei hoher Dosisleistung [26]. In ihrer aktuellen Publikation ICRP 118 (Oktober 2012) wird für die Kataraktbildung ein Schwellenwert von 500 mGy vorgeschlagen [27].


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  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Marco Galster
Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum Nürnberg-Nord
Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1
90419 Nürnberg
Phone: ++ 49/9 11/3 98 25 40   
Fax: ++ 49/9 11/3 98 20 73   

  • Literatur

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Abb. 1 Messaufbau mit Alderson-Phantom im PA-Strahlengang. Das tischmontierte Strahlenschutzsystem aus Untertisch-Vorhang und Übertisch-Aufsatz (BGW jeweils 0,5 mm) sind im Einsatz. Rechts oben am Bildrand (Pfeil) die Ionisationskammer in Augenposition des Untersuchers bei femoralem Zugang.
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Abb. 2 Untersuchte Bleiglasbrillen und Bleiacrylglasvisiere, Radiografie des Kopfphantoms aus 75° LAO mit 30° kaudokranialer Angulation. Zur Verdeutlichung des TLD-Messorts wurden die Augen mit Metallkügelchen markiert. Modelle: a BR124, b GL3523, c BRV 501, d BRV 500.