Neonatologie Scan 2012; 01(02): 123-124
DOI: 10.1055/s-0032-1325844
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HIV in Entwicklungsländern
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verlängerte Prophylaxe halbiert Infektionsrisiko

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Publication Date:
01 December 2012 (online)

Bei HIV-infizierten Müttern erhöht Stillen die HIV-Übertragungsrate. Eine medikamentöse Prophylaxe kann Säuglinge vor einer Ansteckung beim Stillen schützen. Die sechsmonatige postpartale Behandlung mit Nevirapin ist dabei sehr effektiv.

Während auf das Stillen bei HIV-infizierten Müttern in den Industrieländern verzichtet werden kann, ist dies in den Staaten der Subsahara unmöglich. Die Muttermilch ist nicht nur eine günstige Nahrungsquelle, Stillen von bis zu 24 Monaten schützt vor gefährlichen gastrointestinalen und Atemwegsinfektionen und senkt damit das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko der Neugeborenen. Während durch eine antiretrovirale Prophylaxe vor und während der Geburt bei der Mutter die vertikale HIV-Transmissionsrate deutlich gesenkt werden kann, kann dieser Erfolg durch das Stillen wieder zunichte gemacht werden. Bei einer Stillzeit von bis zu 24 Monaten, kann die dadurch bedingte HIV-Übertragungsrate bis zu 40 % ausmachen. Zum Schutz des Kindes vor einer Ansteckung soll eine antivirale Prophylaxe bei der Mutter oder bei dem Neugeborenen während der Stillzeit durchgeführt werden. Obgleich die HIV-Übertragung während der ganzen Stillzeit möglich ist, zeigen Studien, dass das Transmissionsrisiko in den ersten 6 – 8 Wochen nach der Geburt am größten ist. Die kindliche medikamentöse Prophylaxe mit Nevirapin erfolgt daher üblicherweise über 6 Wochen. Ob die postpartale Behandlung über diesen kritischen Zeitraum hinaus zu weiter ansteigender Wirksamkeit führt, wurde bisher allerdings noch nicht hinreichend belegt. Zwar demonstrieren diverse Studien die effektivere Reduktion der HIV-Übertragung durch eine tägliche Behandlung Neugeborener mit Nevirapin in den ersten 6, 14 oder gar 28 Lebenswochen im Vergleich zu einer einmaligen Therapie während der Geburt oder neonatal. Sie zeigen aber nicht, dass eine 14 – oder 28-wöchige Nevirapingabe hinsichtlich Wirksamkeit, Sicherheit, Durchführbarkeit und Bezahlbarkeit besser ist, als die nur 6-wöchige Behandlung.

Diese Fragestellung hat eine Arbeitsgruppe aus Südafrika überprüft. Dazu wurden insgesamt 1527 Neugeborene aus 4 afrikanischen Ländern, die von ihren HIV-positiven Müttern gestillt wurden und die nach einer 6-wöchigen Prophylaxe mit Nevirapin (10 mg/ml in einer oralen Suspension) immer noch HIV-negativ waren, nach Randomisierung entweder 6 Monate lang (bzw. zumindest solange, wie sie gestillt wurden) mit Nevirapin oder mit Plazebo weiterbehandelt. In der Verumgruppe hatten sich 1,1 % der Kinder bis zum Studienende nach 6 Monaten mit HIV-infiziert, in der Plazebogruppe dagegen 2,4 %. Die verlängerte Nevirapinprophylaxe senkte damit die HIV-Infektionsrate signifikant um 54 %. Ein Einfluss auf die Sterberaten war nicht nachweisbar. Hinsichtlich der Nebenwirkungen ergaben sich keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Dies betraf sowohl die Rate aller Nebenwirkungen, als auch die der schweren unerwünschten Effekte und Todesfälle. Subgruppenanalysen zeigten, dass von der verlängerten Prophylaxe vor allem Kinder profitierten, wenn die Mutter aufgrund hoher CD4-Werte ( ≥ 350 /µl) noch keine hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) erhalten hatte. Bei stillenden Müttern mit HAART konnte die verlängerte Nevirapingabe das ohnehin geringe Infektionsrisiko des Säuglings nicht weiter senken. Bei HIV-infizierten Müttern mit niedrigen CD4-Werten (CD4-Zellen < 350 /µl), die keine antiretroviralen Medikamente einnahmen, konnte auch die verlängerte Nevirapinprophylaxe die Zunahme der HIV-Übertragungsrate nicht reduzieren.