Endo-Praxis 2012; 28(3): 93
DOI: 10.1055/s-0032-1322407
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sedierung in der Endoskopie – aktualisierte Stellungnahme 2012 und ihre Konsequenzen?

S Rossol
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Publication Date:
10 September 2012 (online)

Die Durchführung und das Management einer adäquaten Sedierung ist ein zentraler Bereich einer professionellen Endoskopie. Der Patientenwunsch, immer höhere Untersuchungszahlen mit mehr Interventionen sowie Sicherheitsaspekte und letztendlich die Untersuchungsqualität sind Charakteristika, die mit dem Thema Sedierung integral zusammenhängen.

Die erste, 2008 veröffentlichte S3-Leitlinie zur Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie machte das Thema im medizinischen Bereich, aber auch in anderen Medien inkl. der Laienpresse präsent. Es ist offensichtlich, dass durch eine medienwirksame Werbung für Vorsorgekoloskopien, höhere Untersuchungszahlen und die Untersuchungs- bzw. Behandlungsqualität die Sedierung auch in Zukunft ein Thema bleiben wird.

Diese Leitlinie induzierte aber auch viele kontroverse Diskussionen, die weit über den inhaltlichen und strukturellen Charakter hinausgehen. Sie nimmt zwar klar Bezug zu verschiedenen personellen und räumlichen sowie untersuchungsabhängigen Standards, die Umsetzung in den Arbeitsalltag jedoch wurde nur wenig thematisiert. Als Beispiel sei hier die Notwendigkeit zusätzlicher Investitionen genannt, die durch die in der Leitlinie erwähnten Umstrukturierungen entstehen. Warum sollte ein Krankenhaus neu investieren, wenn eine Kostenerstattung der in der Leitlinie geforderten Mehrkosten durch das Gesundheitssystem nicht kompensiert wird? Die Kurzsichtigkeit dieser Betrachtungsweise wird erst dann deutlich, wenn z.B. Behandlungsfehler resultieren.

Dramatischer als für ein Krankenhaus wird dies zusätzlich dann, wenn in einer Praxis die wirtschaftliche Basis durch diese Mehrkosten in der Endoskopie in eine Schieflage gerät. In einer aktuellen Stellungnahme zur S3-Leitlinie (Z Gastroenterol 2012; 50: 407) werden verschiedene Aspekte zur inhaltlichen Umsetzung thematisiert und potenzielle (auch juristische) Konsequenzen diskutiert.

Auch wenn Leitlinien nicht mit einem verbindlichen Standard verwechselt werden dürfen, erfüllen sie doch die Bewertungsfunktion des aktuellen Standes der wissenschaftlichen Erkenntnis zum Thema. Damit sind sie im besten Sinne grundlegende Orientierungshilfe, von der individuell abgewichen werden kann, wenn es begründbar ist. Damit ist vorgegeben, dass in endoskopischen Abteilungen bestimmte Grundsätze einzuhalten sind: Die Einleitung der Sedierung muss durch einen qualifizierten Arzt erfolgen. Erst danach kann die Übergabe an entsprechend qualifiziertes Personal erfolgen. Ein weiterer qualifizierter Arzt muss (zeitnah) hinzugezogen werden können. Besondere Aufmerksamkeit ist dem Thema bei Risikopatienten und komplexen Eingriffen zu widmen. Die rein eigenständige bzw. eigenverantwortliche Anwendung von Propofol durch nicht ärztliches Personal ist nach unserer Rechtslage nicht möglich.

Die aktuelle Diskussion zum Thema Sedierung in der Endoskopie enthält wesentliche Aspekte einer neuen Orientierung im Verhältnis zwischen Patient und Medizin. Gerade unter dem Einfluss eines gestärkten Patientenschutzes, dem immer offensiveren Vorgehen von Patienten oder deren Vertretern im Falle eines möglichen Behandlungsfehlers sind wir gut beraten, in allen endo-skopischen Institutionen dieses Thema ernst zu nehmen.

Das Versagen beim rechtzeitigen Umsetzen der Leitlinieninhalte ist mehr als brisant und kann dazu führen, dass bei einer Beweisumkehr das Krankenhaus oder die Praxis einen akzeptierten Standard nicht begründen kann und zu Verantwortung gezogen wird. Zivil- als auch strafrechtliche Konsequenzen zum Thema Behandlungsfehler bei der Sedierung in der Endoskopie sind in der aktuellen Rechtsprechung bereits umgesetzt. Dies gilt auch für das fehlende Bereitstellen ausreichender räumlicher und personeller Ressourcen durch eine Krankenhausleitung!

Es ist somit dringend geboten, dass sich alle Beteiligte bzw. Verantwortliche in einer endoskopierenden Institution über die Bedeutung der Leitlinie zur Sedierung in der Endoskopie im Klaren sind. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, sie umzusetzen bzw. noch bestehende Lücken zu schließen.

Prof. Dr. med. S. Rossol

Bibliografie

DOI http://www.dx.doi.org/10.1055/s-0032-1322407

Endo-Praxis 2012; 28: 93

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ISSN 0177–4077