Der Nuklearmediziner 2012; 35(3): 130
DOI: 10.1055/s-0032-1318899
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Radiopeptidtherapie – Schädigt DOTATOC das blutbildende Knochenmark?

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Publication Date:
17 January 2013 (online)

Ob Thrombozytopenien nach einer Radiopeptidbehandlung auf einer Anreicherung im Knochenmark beruhten, wurde bislang kontrovers diskutiert. Walrand et al. gingen dieser Frage nach und analysierten die biochemischen Grundlagen.

Eur J Nucl Med Mol 2012; 38: 1270–1280

Untersucht wurden Patienten aus der 90Y-SMT-487-Studie, die für eine Behandlung mit 90Y-DOTATOC vorgesehen waren. Sie erhielten 24 h nach der Injektion eine 86Y-PET und eine 111In-SPECT. Die Untersuchungsreihenfolge verlief randomisiert. Für die Beurteilung einer Knochenmarkanreicherung wurde die Brustregion analysiert, um Artefakte durch Nachbarorgane mit einer starken Anflutung wie Leber, Nieren und Milz auszuschließen.

Die Ergebnisse waren reproduzierbar und wiesen eine hohe Korrelation für die Anreicherung im blutbildenden Mark auf (R = 0,80). Der übereinstimmende Befund in beiden Methoden machte Artefakte unwahrscheinlich. Die Anreicherung war nach 4 h kaum und nach 24 h deutlicher nachweisbar. Dies spräche ebenfalls für einen langsamen physiologischen Prozess und gegen artifizielle Effekte. Eine Dosis-Toxizitäts-Beziehung ergab sich aus den Untersuchungen von 19 Patienten. Die Thrombozytopenie war eine Funktion der radioaktiven Dosis im Knochenmark. Diese korrelierte im Plasmamodell mit der Thrombozytenabnahme nach 4 Wochen. Patienten ohne vorangegangene Chemotherapie und mit normaler Thrombozytenerholung hatten eine hohe Korrelation zwischen der Dosis im blutbildenden Knochenmark und der Thrombozytopenie am Nadir.

Eine In-vitro-Studie zeigte den Metabolismus von 111In-DTPA-D-Phe1-Octreotid und 90Y-DOTATOC im Plasma. Beide Radiometalle wiesen einen Chelationsprozess mit freiem Transferrin auf. Die Bindung nahm mit der Zeit zu, wies nach etwa 7 Tagen ein Maximum auf und überstieg die freie Fraktion. Eine direkte Transchelation des Radiometalls der beiden Somatostatinanaloga an ungesättigtes Transferrin sei anzunehmen. Aus dieser Beobachtung könnten therapeutische Implikationen erwachsen. Möglicherweise könne die Knochenmarkaufnahme durch die Hemmung der Radiometall-Transferrin-Bindung reduziert werden. Eine Eisenbehandlung sei denkbar, um eine Übersättigung des Transferrins zu erzielen oder kontinuierliche DTPA-Infusionen, um freies Radiometall zu binden und die Ausscheidung über den Urin zu verstärken. Diese Therapievarianten seien insbesondere für Patienten mit einer geringen glomerulären Filtrationsrate, niedrigen Ausgangsthrombozyten oder einem hohen Serumtransferrin denkbar.

Fazit

Die experimentellen Ergebnisse sprechen für eine Aufnahme der Radiometalle in das blutbildende Knochenmark. Diese verläuft wahrscheinlich über die Bildung von Chelatkomplexen mit Transferrin und korrelierte mit dem Ausmaß der therapieassoziierten Thrombozytopenie, so die Autoren.

Dr. Susanne Krome, Melle