Neuroradiologie Scan 2012; 02(04): 245-246
DOI: 10.1055/s-0032-1310308
Aktuell
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Morphologische Veränderungen der Gehirnstruktur bei HIV-Infektion

Further Information

Publication History

Publication Date:
01 October 2012 (online)

Der Anteil älterer Menschen hat unter Patienten mit einer HIV-Infektion mit Einführung hochwirksamer HIV-Therapien (HAART) deutlich zugenommen, von 17,1 % im Jahr 2001 bis auf 24 % im Jahr 2005. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob sich mit dem Alter gehäuft auftretende Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit und HIV-assoziierte neurokognitive Störungen gegenseitig beeinflussen. Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe hat nun überprüft, ob es für die kognitiven Einschränkungen bei HIV-infizierten älteren Menschen genaue morphologische Korrelate gibt.

Eine HIV-Infektion ist auch im Zeitalter der HAART mit einem deutlichen Risiko für zerebrale Atrophien verknüpft. Dabei weist die strukturelle Integrität des Gehirns eine Assoziation mit der kognitiven Leistungsfähigkeit auf, unabhängig vom HIV-Status.
Diese Ergebnisse haben J. Becker et al. in ihrer Studie an einer Subgruppe der Multicenter AIDS Cohort Study (MACS) an 160 Männern ab dem 50. Lebensjahr (84 Männer HIV-positiv, 76 seronegativ) erhalten. Die MACS hat in den vergangenen 24 Jahren mithilfe neuropsychologischer Testverfahren zur Darstellung kognitiver Einschränkungen bei Hirnschäden (Simple Digits Modalities, SDM; Trail Making Tests, TMT) asymptomatische Männer mit HIV-Infektion und Kontrollen verglichen. Zusätzlich war im Jahr 2007 bei 160 Männern eine MRT durchgeführt worden, einschließlich hochaufgelöster anatomischer Sequenzen des Gehirns.

Die Gruppe um Becker hat nun anhand dieser MRT-Aufnahmen im digitalisierten Bild Volumenmessungen auf der Ebene der einzelnen kleinsten Volumeneinheiten (Voxel) vorgenommen. Anschließend wurden die Messergebnisse mit den Ergebnissen aus den neuropsychologischen Tests in Beziehung gesetzt.

Die Ergebnisse zeigten, dass das Alter per se zu Atrophien der grauen Substanz führte, wobei sich die Veränderungen auf die oberen temporalen und unteren frontalen Bereiche konzentrierte, teilweise waren sie auch im medialen temporalen Kortex und im Cingulum nachweisbar. Demgegenüber fanden sich die HIV-abhängigen atrophischen Veränderungen diffuser verteilt und betrafen mehrere Gehirnbereiche, einschließlich der hinteren und unteren Temporallappen, der Parietallappen und des Kleinhirns. Atrophien der weißen Substanz fanden sich im Wesentlichen periventrikulär sowie in den frontalen und temporalen Regionen – dabei waren Umfang und Verteilung unabhängig vom HIV-Serostatus, aber signifikant assoziiert mit zunehmendem Alter. Die Gesamtleistung in den neuropsychologischen Tests zeigte einen deutlichen Zusammenhang zur Beeinträchtigung der grauen Substanz vor allem in den rechten Temporallappen, bei genauerer Betrachtung vor allem in den anterioren Bereichen. Ebenso fanden sich geringere Test-Scores bei zunehmender Atrophie der weißen Substanz.