Neonatologie Scan 2012; 01(01): 24
DOI: 10.1055/s-0032-1310189
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Atmung und Herz-Kreislauf-System
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Steroide beeinflussen neuromotorische Entwicklung unterschiedlich

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Publication Date:
23 August 2012 (online)

Die Inzidenz einer bronchiopulmonalen Dysplasie (BPD) liegt bei Frühgeborenen immer noch bei etwa 30 %. Die Standardtherapie ist die Gabe von Dexamethason, die aber nicht nur mit kurzfristigen Nebenwirkungen, sondern möglicherweise auch mit längerfristigen motorischen Schäden, z. B. einer Zerebralparese, einhergehen kann. Marrit M. Hitzert et al. verglichen den Effekt von Dexamethason und Hydrokortison auf die frühe motorische Entwicklung.

Dazu analysierten sie quantitativ die allgemeinen Bewegungen (general movements, GM) der Kinder mithilfe von Videoaufnahmen bis zu einem Zeitpunkt 3 Monate nach dem ursprünglich errechneten Geburtstermin. Diese Untersuchungsmethode kann frühzeitig und sensitiv helfen, die Integrität der Hirnentwicklung in den ersten Lebenswochen und -Monaten abzuschätzen. Auf weniger ausgeprägte neuromotorische Beeinträchtigungen kann speziell der Motor-Optimality-Score (MOS) hinweisen. Besonders ein Aspekt dieses Scores, die Zappelbewegungen (fidgets general movements, FM), die normalerweise in der 9. – 20. Woche nach errechnetem Geburtstermin als anhaltende kleine Bewegungen mäßiger Geschwindigkeit in alle Richtungen ausgeführt werden, gilt als hinweisend: Die meisten Kinder mit normalen FMs entwickeln sich neurologisch normal, während die meisten Kinder ohne solche Bewegungen eine Zerebralparese entwickeln.

Die longitudinale Beobachtungsstudie wertete die Daten von 56 vor dem Termin geborenen Kinder aus. 17 von ihnen hatten wegen der Gefahr einer BPD Hydrokortison erhalten, 17 Dexamethason. 22 Kinder, die keine Kortisontherapie benötigt hatten, dienten als Kontrollen.

Zum Zeitpunkt des ursprünglich angenommenen Geburtstermins fanden sich keine Unterschiede in der Qualität der GM zwischen den mit den jeweiligen Steroiden behandelten Gruppen und auch nicht im Vergleich zu den Kontrollen. Das änderte sich nach 3 Monaten: Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kinder, die mit Hydrokortison behandelt worden waren, einen höheren medianen MOS als die Kinder, die Dexomethason erhalten hatten (25 vs. 21, p = 0,015). Die Qualität der FM war aber nicht qualitativ unterschiedlich. Die multivariate Analyse ergab das Gestationsalter und die Dexamethasontherapie als unabhängige Einflussfaktoren auf den MOS. Interessanterweise war der MOS am 1. Tag nach Beginn der Dexamethasontherapie niedriger als vor der Behandlung – eine Beobachtung, die in der mit Hydrokortison behandelten Gruppe nicht zu finden war.

Die Autoren diskutieren als Ursache der Unterschiede die stärkere Glukortikoid-Rezeptor-abhängige neuronale Toxizität von Dexamethason, die eine ausgeprägtere Inhibition des Glukosetransports in Neuronen und Gliazellen und damit verbunden eine stärkere Apoptose auslöst.