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DOI: 10.1055/s-0032-1304992
Krebs in der Familie – Last der Angehörigen?
Cancer in the Family – Burden of Relatives?Publication History
Publication Date:
07 May 2012 (online)








Eine Krebserkrankung tritt unerwartet ein, ihr Verlauf ist schwer einschätzbar und in ihrer existenziellen Bedrohung ist sie sowohl für die betroffenen Patienten als auch für deren Angehörige ein höchst krisenhaftes Ereignis. Die große Bedeutung, die den Angehörigen von Krebskranken im Verlauf der Erkrankung und Behandlung zukommt, aber auch deren starke Belastungen auf vielen Ebenen sind vielfach beschrieben [1] [2] [3] [4] [5]. Auch Reuter wies in der CME-Weiterbildung „Psychoonkologie“, die 2010 in dieser Zeitschrift erschien, auf die familiensystemischen Aspekte einer Krebserkrankung hin [6]. Dabei zählen Anpassungsstörungen und Depressionen zu den häufigsten psychischen Beeinträchtigungen bei Angehörigen von Krebspatienten [2] [7]. Die Angehörigen müssen sich nicht nur mit ihren eigenen Belastungen und Bedürfnissen auseinandersetzen, sondern auch mit denen des Krebskranken [3]. Dazu kommt, dass sie oft nicht hinreichend auf die Situation vorbereitet sind und nur unzulänglich unterstützt werden, was sich wiederum negativ auf die Lebensqualität von Patienten und Angehörigen auswirken kann.
Dabei bedarf die Gruppe der Angehörigen von Krebskranken einer differenzierten Betrachtung, bei der insbesondere der Verwandtschaftsgrad zum Krebspatienten berücksichtigt werden muss. So ist es von großer Relevanz, ob es sich bei dem Angehörigen um den Partner, das Kind oder zum Beispiel die Schwiegertochter des Krebspatienten handelt. Auch krankheitsbezogene Variablen beeinflussen die Belastungssituation der Angehörigen, so können sowohl das Krankheitsstadium als auch die Tumorlokalisation oder der Zeitraum seit der Diagnosestellung von Bedeutung sein.
Vor diesem Hintergrund hat sich die PPmP entschlossen, den Angehörigen von Krebskranken ein Schwerpunktheft zu widmen. Die spezifischen Belastungssituationen von Angehörigen mit einem kranken Familienmitglied wurden in dieser Zeitschrift schon häufig thematisiert [8] [9] [10]. Dieses Heft legt den Schwerpunkt auf Familien, die von einer Krebserkrankung betroffen sind und präsentiert ein breites Spektrum von Arbeiten mit unterschiedlicher Fokussetzung, um der Komplexität des Themas Rechnung zu tragen. Die Vielzahl der eingereichten Beiträge zu diesem Schwerpunktthema ist dabei als Indiz für die zunehmende Beachtung der Angehörigen in psychoonkologischen Forschungsprojekten zu werten.
So stehen in dem Beitrag von Köhler et al. die Angehörigen im Mittelpunkt, die einen Palliativpatienten zu Hause pflegen [11]. Die häusliche Pflege eines Krebspatienten in der palliativen Phase ist für pflegende Angehörige oft psychisch und physisch sehr belastend und nicht selten kommt es zu einer Überlastungssituation, die das Scheitern der häuslichen Versorgung zur Folge hat. Die Arbeit fokussiert auf die Pflegebelastung und die Lebensqualität der pflegenden Angehörigen und diskutiert deren Unterstützungsbedarf in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht. Demnach stellt die Pflege besonders für weibliche und ältere Angehörige palliativer Tumorpatienten eine große Belastung dar. Dabei sind Frauen vor allem emotional, und ältere Pflegende vor allem körperlich und sozial belastet bzw. eingeschränkt.
Ein weiterer Beitrag wendet sich den Partnern von Kehlkopflosen zu [12]. In einer multizentrischen Querschnittsstudie stellen Meyer et al. die psychische Belastung der Partner dar und gehen dabei der Frage nach, hinsichtlich welcher Faktoren sich psychisch belastete Partner von psychisch unauffälligen Partnern unterscheiden. In ihren Ergebnissen gehen sie dabei besonders auf die Bedeutung der Beziehungsqualität für das psychische Befinden der Partner von Kehlkopflosen ein.
Zwei Arbeiten entstammen dem Förderschwerpunktprogramm der Deutschen Krebshilfe e. V. „Psychosoziale Hilfen für Kinder krebskranker Eltern“, das als Verbundprojekt an fünf Standorten in Deutschland durchgeführt wird. Der Schwerpunkt im Beitrag von Götze et al. liegt auf den Partnerinnen von Krebspatienten mit minderjährigen Kindern [13]. Die psychische Belastung der Partnerinnen wird der Belastung der krebskranken Partner gegenübergestellt und mit einer repräsentativen Vergleichsgruppe von Frauen aus der Allgemeinbevölkerung verglichen. Damit knüpft die Arbeit an einen Beitrag aus dem letzten Heft der PPmP an, der sich mit männlichen Partnern von Krebspatientinnen befasste [14]. Bemerkenswert ist das hohe Ausmaß an Ängstlichkeit bei den Partnerinnen, jede zweite zeigte klinisch auffällige Werte. Die Frauen waren damit im Mittel deutlich ängstlicher als der krebskranke Mann und auch ängstlicher als Frauen aus der Allgemeinbevölkerung. Die signifikante Korrelation auf Paarebene hinsichtlich der psychischen Belastung ist ein weiteres Indiz für die Komplexität der emotionalen Beziehungsdynamik und ein Beleg dafür, dass eine einseitige Betrachtung der Situation des Patienten zu kurz greift.
Der zweite Beitrag wendet sich einer Angehörigengruppe zu, die im wissenschaftlichen psychoonkologischen Kontext bislang viel zu oft vernachlässigt wurde – den Kindern der Krebspatienten. Die PPmP veröffentlichte im letzten Jahr zu diesem Thema eine Bestandsaufnahme spezifischer Versorgungsangebote für Kinder krebskranker Eltern in Deutschland [15]. In der Arbeit von Weis et al. in diesem Heft geht es im Besonderen um Kinder von alleinerziehenden krebskranken Müttern, die hinsichtlich Lebensqualität, psychischen Symptomen und Verhaltensauffälligkeiten Kindern von krebskranken Müttern in Partnerschaft gegenübergestellt werden [16]. Dabei gehen die Autoren auf die Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Kindern ein und vergleichen im Selbst- und im Fremdurteil erhobene Daten.
Ein wichtiger – auch bisher wenig berücksichtigter – Aspekt der Versorgung wird in dem Beitrag der Hamburger Arbeitsgruppe um Rosenberger beleuchtet, die sich mit den Unterstützungsbedürfnissen von Angehörigen von Krebspatienten befassen [17]. Postalisch zugesandte Screening-Fragebögen geben Aufschluss über die Zugangswege der Angehörigen zu ambulanten psychoonkologischen Versorgungsangeboten. Auch dieser Beitrag verweist auf die hohe psychische Belastung der Angehörigen von Krebspatienten und hebt für den ambulanten Versorgungssektor die Ungewissheit, Progredienzangst und Traurigkeit hervor.
Insgesamt unterstreichen die Beiträge die hohe psychosoziale Belastungssituation von Angehörigen von Krebspatienten und führen einmal mehr zu der Frage, welche Unterstützungen den Angehörigen angeboten werden können.