Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2011; 7(04): 181
DOI: 10.1055/s-0031-1300978
Aktuell diskutiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interview – Wem nützt die präoperative MRT wirklich?

Further Information

Publication History

Publication Date:
03 January 2012 (online)

Um Zweitoperationen zu vermeiden, findet die präoperative MRT bei Patientinnen mit invasivem lobulärem Karzinom häufig Anwendung. Senologie – Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie sprach mit Dr. Jörg Heil vom Universitäts-Brustzentrum in Heidelberg über den Nutzen dieses Verfahrens (s. auch Seite 180 und Ann Surg Oncol 2011; doi: 10.1245/s10434-011-1565-y).

Dr. Ruchalla: Dr. Heil, Sie geben selbst an, dass das retrospektive Design Ihrer Studie ein Nachteil ist. Planen Sie hierfür eine prospektive randomisierte Zuweisung zu "präoperative MRT vs. keine MRT"?

Dr. Heil: Nein, das ist aktuell nicht geplant, weil unter anderem im Vereinigten Königreich eine solche Studie (COMICE Trial) kürzlich aufgelegt wurde und erste Ergebnisse bereits verfügbar sind. Auch wenn diese Studie nicht explizit nur invasiv lobuläre Karzinome einschliesst, glauben wir zum derzeitigen Zeitpunkt, dass vielleicht eine Subgruppenanalysen zumindest für die Gruppe der invasiv-lobulären Karzinome gewissen Hypothesen erhärten oder auch abschwächen kann.

Dr. Ruchalla: Für betroffene Patientinnen ist ja letztlich vor allem die Überlebenszeit wichtig. Hier ist beim Mammakarzinom eine Nachbeobachtungszeit von 5, besser 10 und 15 Jahren – vor allem bei postmenopausalen Patientinnen – sinnvoll. Wie gestaltet sich das weitere Follow-up der Patientinnen aus Ihrer Studie?

Dr. Heil: Alle Teilnehmer dieser Studie sind Patientinnen des Universitäts-Brustzentrums Heidelberg und werden in diesem Zusammenhang einem systematischen Follow-up im Sinne der Qualitätssicherung unterzogen. Wir haben aktuell kein studienspezifisches Follow-up geplant, dies ließe sich jedoch relativ unkompliziert aus dem zentralen Follow-up des Brustzentrums generieren.

Dr. Ruchalla: In Ihrer Studie findet sich in der MRT-Gruppe allenfalls ein leichter Trend zu einer höheren Mastektomie-Rate. Bleiben diejenigen Patientinnen, bei denen die Mastektomie nicht medizinisch indiziert war, unberücksichtigt, dürfte dieser Trend komplett verschwinden. Im Prinzip scheint also die Häufigkeit einer Mastektomie unabhängig von einer präoperativen MRT. Weiterhin unterscheidet sich auch die Häufigkeit von Re-Eingriffen nicht signifikant zwischen den Gruppen: Was schließen Sie daraus?

Dr. Heil: Selbst wenn wir unsere Analyse so interpretieren – was durchaus legitim ist – dass sich Mastektomie- und Nachoperationsraten nicht relevant unterschieden, so unterscheiden sich dennoch die Raten an bilateralen Eingriffen auf Basis neu entdeckter kontralateraler Karzinome. Wenn man sich die Ergebnisse der derzeit existierenden Literatur anschaut muss man wohl davon ausgehen, dass tatsächlich mehr kontralaterale Karzinome entdeckt werden. Wie relevant dies für die Überlebenszeit ist, kann zum aktuellen Zeitpunkt wohl niemand sagen. Es scheint plausibel, dass in der Regel nicht das prognostisch führende Karzinom mit dem MRT "neu" entdeckt wird.

Dr. Ruchalla: Ihre Patientinnen waren vermutlich alle postmenopausal. Wieso? Könnten nicht gerade jüngere Frauen mit oft schnell und aggressiv wachsenden Tumoren von einer präoperativen MRT profitieren?

Dr. Heil: Ich kann Ihnen versichern, dass wir sowohl prä- als auch perimenopausale Frauen in die Studie mit eingeschlossen haben. Der Altersdurchschnitt lag zwar bei etwa 60 Jahren, was jedoch nicht bedeutet, dass keine 40-jährigen Frauen an der Studie teilnahmen. Wie groß diese Gruppe genau war, müsste ich explizit nachsehen. Gleichwohl glaube ich schon, dass insbesondere junge Frauen mit dichter Brust von einer präoperativen MRT profitieren – sofern man auf der Basis der aktuellen Datenlage überhaupt von "profitieren" sprechen möchte.

Dr. Ruchalla: Sie geben keine Informationen zum Hormon- und ErbB2-Rezeptor-Status an. Warum nicht?

Dr. Heil: Das hat keine besondere Bedeutung. Das hätte man tatsächlich machen können, um neben der Histologie auch noch eine Aussage zur Tumorbiologie treffen zu können.

Dr. Ruchalla: Warum war eine neoadjuvante Chemotherapie ein Ausschlusskriterium für die Studienteilnahme?

Dr. Heil: Zum einen bekommen bei uns alle Patientinnen vor und nach der neoadjuvanter Chemotherapie eine MRT, so dass damit von vorneherein ein – bewusst in Kauf genommener – Bias in der Gruppenzusammensetzung zustande kommt. Zum anderen wird in dieser Kohorte die Art der Operation – also, brusterhaltend oder nicht, Nachoperation oder nicht – deutlich stärker von anderen, mehr oder weniger bekannten Faktoren bestimmt als von der MRT.

Das Interview führte Dr. med. Elke Ruchalla aus Trossingen.