Suchttherapie 2011; 12(03): 103
DOI: 10.1055/s-0031-1285974
Neues & Trends
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für Sie gefragt – Substitution und Recht – Neues aus der Rechtsprechung

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Publication Date:
10 August 2011 (online)

 

? Gibt es ein Recht auf eine Take-Home-Vergabe z. B. bei sauberer Urinkontrolle über einen längeren Zeitraum?

Die Entscheidung darüber, ob eine Take-Home-Vergabe durchgeführt wird, ist eine ärztliche Entscheidung, sodass kein rechtlicher Anspruch darauf existiert. Grundsätzliche Voraussetzung für die Take-Home-Vergabe ist, dass der Patient nach § 5, Absatz 8, BtMVV (Betäubungsmittel-Verschreibungsordnung) ausreichend stabilisiert und eine Eigen- sowie Fremdgefährdung ausgeschlossen ist. Daraus ergibt sich, dass es keine festen Regeln gibt, die die Vergabe unter Sicht ausschließt.

? Wie gehe ich mit einem ständigen Beikonsum von Heroin während der Methadonsubstitution um? Welche Grenzen werden durch die Gesetzgebung gezogen?

Bei einem ständigen und therapiegefährdenen Beigebrauch ist nach BtmVV und RmVV (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, früher BUB-Richtlinie) die Substitutionsbehandlung zu beenden. Im Einzelfall ist sicher zu entscheiden, warum weiter Heroin neben der Substitution konsumiert wird. Ist die Dosis ausreichend? Bestehen neben der Drogenabhängigkeit weitere Krankheiten? Wie sieht die psychosoziale Umgebung des Patienten aus? So könnte man an diese Problemstellung u. a. herangehen.

? Ich bin substituierender Arzt in einer JVA mit suchtmedizinischer Qualifikation. Ich besuche die Patienten derzeit alle 14 Tage persönlich. Das qualifizierte Pflegepersonal vergibt 6 Tage das Methadon. Kann mich der Anstaltsarzt (ohne suchtmedizinische Qualifikation) am 7. Tag vertreten (jede 2. Woche) ? Dadurch kämen maximal 26 Tage im Jahr Vertretung zustande. Ist solch eine Auslegung der Vertretungsregelung denkbar?

Die Frage ist so leider nicht exakt zu beantworten, da nicht klar ist, wie viele zu substituierende Patienten in der JVA behandelt werden. Grundsätzlich ergibt sich die Lösung der Frage aus § 5, Absatz 3, BtMVV. Ein Arzt, der die Voraussetzungen der suchtmedizinischen Grundversorgung nicht erfüllt, darf für höchstens 3 Patienten gleichzeitig ein Substitutionsmittel verschreiben, wenn

  1. die Voraussetzungen nach Absatz 2, Satz 1, Nr. 1–5 für die Dauer der Behandlung erfüllt sind,

  2. dieser zu Beginn der Behandlung diese mit einem Arzt, der die Mindestanforderungen nach Absatz 2, Satz 1, Nr. 6 erfüllt (Konsiliarius), abstimmt und

  3. sichergestellt hat, dass sein Patient zu Beginn der Behandlung und mindestens 1-mal im Quartal dem Konsiliarius vorgestellt wird (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BtMVV).

Daneben ist noch die Regelung in § 5, Absatz 3, Satz 4, BtMVV zu berücksichtigen: Gelingt es dem substituierenden Arzt nicht, einen Vertreter nach Satz 3 zu bestellen, so kann er von einem Arzt, der die Voraussetzungen nach § 5, Absatz 2, Satz 1, Nr. 6, BtMVV (suchtmedizinische Grundversorgung) nicht erfüllt, für einen Zeitraum von bis zu 4 Wochen und längstens insgesamt 12 Wochen im Jahr vertreten werden. Unter Berücksichtigung dessen dürfte diese Vertretungsvariante möglich sein.

Unabhängig davon sind die weiteren Regelungen des § 5, Absatz 3, BtMVV zu berücksichtigen: Der vertretende Arzt gemäß § 5, Absatz 3, Satz 4, BtMVV stimmt die Substitutionsbehandlung vor Vertretungsbeginn mit dem vertretenen Arzt ab. Wird während der Vertretung eine unvorhergesehene Änderung der Substitutionstherapie erforderlich, stimmt sich der Vertreter erneut mit dem vertretenen Arzt ab. Ist eine rechtzeitige Abstimmung nicht möglich, bezieht der vertretende Arzt gemäß § 5, Absatz 3, Satz 4, BtMVV einen anderen Arzt, der die Voraussetzungen gemäß § 5, Absatz 2, Satz 1, Nr. 6, BtMVV erfüllt, konsiliarisch ein. Notfallentscheidungen bleiben in allen Vertretungsfällen unberührt. Über die vorstehend genannte Zusammenarbeit zwischen dem behandelnden Arzt und dem Konsiliarius sowie dem vertretenen und dem vertretenden Arzt gemäß den Sätzen 2 und 4 ist der Dokumentation nach § 5, Absatz 10, BtMVV der diesbezügliche Schriftwechsel beizufügen. Die Sätze 1–9 gelten nicht für die diamorphingestützte Behandlung. Außerdem muß der Arzt den Patienten mindestens 1-mal wöchentlich persönlich sehen (BtmVV).

? Darf der Arzt dem Patienten das Substitut (insbesondere Levomethadon) zur freien Verfügung mit nach Hause geben? Macht es (strafrechtlich) einen Unterschied, ob man es für 1 oder für 7 Tage mitgibt?

Der Arzt ist nicht berechtigt, dem Patienten ein Substitut zur freien Verfügung zu stellen. Bei der Einnahme unter Sicht ist es dem Arzt aufgrund von § 5, Absatz 5, Satz 1, BtMVV untersagt, eine Verschreibung auszuhändigen. Ferner ist der Patient nach § 5, Absatz 6, Satz 1, BtMVV verpflichtet, unter Sicht des Arztes, eines Apothekers oder geschulten Personals das Substitut zu trinken.

Ist der Patient Take-Home-fähig, dann darf ihm das Substitut gleichfalls nicht mitgegeben werden, vielmehr ist dem Patienten das Rezept mitzugeben, was sich aus § 5, Absatz 8, BtMVV ergibt.

Bereits das einmalige Mitgeben von einem Substitut erfüllt den Straftatbestand des § 29, Absatz 1, Nr. 1, BtMG (unerlaubtes Handeltreiben mit einem Betäubungsmittel), was der Bundesgerichtshof ausdrücklich in seiner Entscheidung vom 28.07.2009 – 3 StR 44/09 festgestellt hat. Der Strafrahmen von § 29 BtMG bewegt sich zwischen einer Geldstrafe und einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren.

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