Endo-Praxis 2011; 27(3): 101
DOI: 10.1055/s-0031-1285106
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Probleme und Komplikationen in der Endoskopie – Ist eine Standardisierung notwendig?

S Rossol
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Publication Date:
15 August 2011 (online)

Ein Großteil aller diagnostischen und therapeutischen endoskopischen Untersuchungen verläuft unproblematisch und wie ursprünglich geplant. Die Protokollierung und Überwachung der meist sedierten Patienten ist professioneller Standard sowohl im niedergelassenen als auch im Klinikbereich. Eine Aufklärung mit ausreichendem zeitlichen Abstand zur Untersuchung ist Pflicht. Was passiert aber, wenn die Untersuchung technisch nicht gelingt, klinisch nicht zum erhofften Erfolg führt oder ein frühzeitiger Misserfolg eintritt? Wie wird damit umgegangen, wenn zusätzlich Patienten oder Angehörige mit der Kommunikation und Aufklärungsqualität unzufrieden sind?

Auch im schlimmsten Fall, wenn während der Untersuchung eine schwere Komplikation auftritt, stellt sich die Frage, wie über das Überwachungsprotokoll hinausgehende Daten erhoben, ausgewertet und weiterverwendet werden. Was geschieht, wenn nach der Untersuchung auf dem Transport nach Verlassen der Klinik oder der Praxis neue Komplikationen auftreten? Besteht ein Berichtssystem, das der internen Qualitätskontrolle und auch externen Überprüfungen standhält und zu einer kontinuierlichen Reduzierung häufiger oder schwerer Probleme in der betroffenen Endoskopieeinheit führt? Die Beantwortung dieser Fragen ist umso schwerer, als Komplikationen vor (z. B. Koloskopievorbereitung), während (z. B. Perforation), sofort nach (z. B. Reanimation), verzögert (z. B. Aspiration) oder scheinbar ohne Bezug zur endoskopischen Untersuchung (z. B. Infektionen) auftreten können.

Trotz umfangreicher Studien zu Komplikationen in der Endoskopie fehlen bisher einfache und effektive Standardisierungssysteme. Diese werden umso wichtiger, als durch Zentrumsbildungen/Kompetenzzentren (Darm-, Pankreas- oder Koloproktologiezentren) entsprechende Daten gefordert werden. Wenn überhaupt, führen Endoskopieabteilungen bisher lediglich individuelle, von der eigenen Struktur abhängige Datensammlungen und Statistiken zu Morbidität und Mortalität. Vergleiche zwischen einzelnen Endoskopieeinheiten sind kaum möglich.

Minimale Anforderungsprofile an eine standardisierte Protokollierung in der Endoskopie sind klare Definition und Dokumentationspflicht

  • der Komplikationen,

  • der Schwere der Komplikationen,

  • des Umgangs mit Komplikationen auch nach der Untersuchung,

  • der Beurteilung der Risikofaktoren für Komplikationen sowie

  • der Integration spezifischer Komplikationen einzelner Untersuchungen.

Eine alles entscheidende Frage aber ist, ab welcher Schwelle eine Komplikation diese Definition überhaupt verdient. Ist ein geringer Sauerstoffabfall, eine kleine Nachblutung nach einer Polypektomie, eine Thrombophlebitis an der i.v.-Injektionsstelle oder auch der Meteorismus nach endoskopischen Untersuchungen bereits eine Komplikation? Eine Perforation während der Untersuchung und eine Post-ERCP-Pankreatitis gehören ganz sicher dazu!

Es existieren viele Klassifikationssysteme zu unterschiedlichen Schweregraden einer Komplika-tion, es fehlt jedoch die Zusammenführung und die spezifische Anpassung an endoskopische Anforderungen. In einem Workshop hat die ASGE (Amerikanische Gesellschaft für Gastrointestinale Endo-skopie) versucht, in einem Statuspapier das gesamte Spektrum der Komplikationen in Endoskopieeinheiten zu bündeln und diese für die konkrete Vor-Ort-Anwendung darzustellen. Hier werden Komplikationen mit Organbezug (kardiovaskulär, pulmonal) und der technischen Durchführung (instrumentell bedingt, Blutung, Infektion, Medikamentenreaktion) charakterisiert und v. a. die Schwelle zur Dokumentationspflicht beschrieben. Dieses Lexikon endoskopischer Komplikationen kann und sollte als Basis der eigenen Untersuchungsqualität herangezogen werden.

Bisher erfolgt die Dokumentation der endoskopischen Untersuchungen

  1. inhaltlich schriftlich und gegebenenfalls durch Fotonachweis sowie

  2. durch Festlegung der Leistungsdaten per OPS und ICD.

Vielleicht bieten die elektronischen Dokumenta-tionssysteme in den Endoskopieeinheiten bzw. in den Kliniken zukünftig die Möglichkeit, entsprechende Daten zum Komplikationsmanagement zu integrieren. Es ist sinnvoll und erforderlich, sich schon jetzt auf solche Situationen einzustellen und sie zur Anpassung der Versorgungsqualität zu nutzen.

Bibliografie

DOI www.dx.doi.org/10.1055/s-0031-1285106

Endo-Praxis 2011; 27: 101

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ISSN 0177-4077