Zeitschrift für Komplementärmedizin 2011; 3(6): 1-3
DOI: 10.1055/s-0031-1280471
zkm | Editorial

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Vertigo

Dominik Irnich
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Publication Date:
09 January 2012 (online)

Alfred Hitchcocks Klassiker „Vertigo“ hat Generationen in den Bann gezogen:

Der pensionierte Polizist „Scottie“ Ferguson verliebt sich in eine selbstmordgefährdete Frau, kann jedoch ihren Tod nicht verhindern. Als er später einer jungen Frau begegnet, die der Toten bis aufs Haar gleicht, versucht er diese zum Ebenbild seiner verstorbenen Liebe umzuformen. Scottie leidet unter Höhenangst mit Schwindel. Das Ende kennen Sie: Scotties Schwindel machte ihn zum unfreiwilligen Zeugen eines als Selbstmord getarnten Mordes.

Auf cineastischer Ebene ist dieser Film bemerkenswert: Um das Schwindelgefühl optisch umzusetzen, setzte Hitchcock erstmals den sog. Vertigo-Effekt ein. Hierbei fährt die Kamera auf das Objekt zu, während gleichzeitig rückwärts bis hin zu einer Weitwinkeleinstellung gezoomt wird, ohne dass der Bildausschnitt geändert wird, wodurch die optische Illusion des Schwindels erzeugt wird.

So muss sich Schwindel anfühlen: Hilflosigkeit, Verlust der Standhaftigkeit, Orientierungslosigkeit.

Gerade in der Komplementärmedizin neigen wir schnell dazu, ein Symptom im übertragenen Sinne zu deuten. Besonders funktionelle Störungen ohne klare Ursache verleiten zu kreativ anmutenden Analogien. Hierzu gehört auch häufig das Symptom Schwindel, denn in mehr als der Hälfte der Fälle tritt Schwindel ohne somatische Ursache auf. Aber können wir dann auch auf die zugrundeliegende Psychologie schließen? Manchmal mag es stimmen: Der Schwindel kann anzeigen, dass ein Mensch die Bodenhaftung verloren hat, „verwirrt“ durch sein Leben irrt, weitere Analogien nach freier Fantasie.

Aber bevor wir solche Kategorisierungen vornehmen, sollten wir zunächst schauen, was denn schon bekannt ist, v. a. aus Psychologie und Psychosomatik. Und das ist eine ganze Menge.

Deshalb möchte ich Ihnen den Beitrag von Maja Sulejmanpasic besonders ans Herz legen. Hier bekommen Sie eine vollständige Übersicht zum Thema Schwindel ohne organische Ursache.

Natürlich müssen vorab somatische Ursachen abgeklärt werden. Die wesentlichen klinischen Differenzierungen finden Sie im Artikel von Michael Hammes, der dann auch den Bogen zur TCM-Differenzierung und Therapie spannt. Und natürlich gehört der Refresher von Roman Schniepp, Neurologie, LMU, dazu, der sich um den akuten Drehschwindel dreht.

Da die therapeutischen Möglichkeiten der konventionellen Medizin zwar zahlreich, aber häufig nicht evidenzbasiert sind, lohnt sich für die Auswahl der Therapie der Blick in die Schatzkiste der Komplementärmedizin und Naturheilkunde.

Neben der Akupunktur, die im Bericht von Michael Hammes höchst kompetent dargestellt ist, bietet hier die Homöopathie klare diagnostische Konzepte und therapeutische Optionen. Gerhard Bleul hat dies in seinem Beitrag einmal umfassend beleuchtet und auf der Basis immenser Erfahrung dargestellt. Tritt der Schwindel als Begleitsymptom der Herzinsuffizienz auf, ist ein Kaktus indiziert. Lesen Sie im Heilpflanzenportrait von Josep Lluis Berdonces Serra über die „Königin der Nacht“ Erstaunliches.

Ja, und steht der Schwindel doch im Zusammenhang mit der Lebensführung, können wir uns dem Problem vielleicht auch ganz pragmatisch nähern. Versuchen Sie es doch einmal mit Chronotherapie, basierend auf den biologischen Rhythmen.

Karin Kraft hat ihre ganze Erfahrung aus Naturheilkunde und Innerer Medizin in die Waagschale geworfen und einen bisher einmaligen Überblick zur Chronotherapie verfasst.

So gesehen wären eigene Schwindelerfahrungen im Rahmen der Feiertage kein wesentlicher Verstoß gegen chronotherapeutische Grundsätze.

Ich hoffe, es bleibt beim akuten leicht beherrschbaren Drehschwindel, der sich am nächsten Morgen nach ausgiebigem Schlaf verflüchtigt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, auch im Namen meiner Herausgeberkollegen Wolfram Stör, Rainer Stange und Andreas Michalsen und des gesamten Redaktionsteams der zkm

Frohe Feiertage und Gesundheit in 2012!

Dominik Irnich

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