Rofo 2011; 183(1): 78-80
DOI: 10.1055/s-0030-1270606
DRG-Mitteilungen
Radiologie & Recht
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Sind Zuwendungen an niedergelassene Radiologen zukünftig strafbar?

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12 January 2011 (online)

 
Table of Contents #

Einführung

Die strafrechtliche Ahndung der unzulässigen Formen in der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und anderen Gesundheitsakteuren hat in den vergangenen Jahren ein immer größeres Ausmaß angenommen. Die einschlägigen Straftatbestände waren bisher die des Betrugs, (§ 263 des Strafgesetzbuches – StGB), der Untreue (§ 266 StGB) und im Bereich der sog. Amtsdelikte, Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme (§§ 331, 333 StGB) sowie Bestechung und Bestechlichkeit (§§ 332, 334, 335 StGB). Berufsrechtlich unzulässige Formen der Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten untereinander oder mit der Industrie, wie etwa Verstöße gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt (§ 31 MBO-Ä), die Annahme von Geschenken, Werbegaben oder anderen Vorteilen seitens der Industrie (§§ 32 bis 33 MBO-Ä) sowie Verordnungsempfehlungen und Sponsoring (§§ 34, 35 MBO-Ä) waren dagegen bisher in der Regel strafrechtlich irrelevant, weil es an einem einschlägigen Straftatbestand fehlte. Dieser strafrechtsfreie Raum scheint jedoch offenbar der Vergangenheit anzugehören, da mehrere Strafgerichte in aktuellen Verfahren gegen Ärzte in vergleichbaren Verfehlungen von einer Strafbarkeit wegen einer sog. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) ausgegangen sind. Die von den Gerichten angenommene Rechtskonstruktion, um in diesen Fällen zu einer Strafbarkeit von niedergelassenen Ärzten zu kommen, ist dabei jedoch nicht unumstritten. In der jüngsten Vergangenheit haben deshalb eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig (Beschluss vom 23.02.2010 – Ws 17/10) und des Amtsgerichts Ulm im Verfahrenskomplex des Arzneimittelherstellers Ratiopharm (Urteil vom 26.10.2010) über die Bestechlichkeit von Vertragsärzten für Aufregung gesorgt. Vor dem Landgericht Hamburg ist ein weiteres Verfahren anhängig, dessen Ausgang mit Spannung erwartet wird.

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Aktuelle rechtliche Situation bei Zuwendungen

Bereits im Jahr 2004 hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 22.12.2004, Az.: 3 Ss 431/04) einen Radiologen wegen Untreue verurteilt, der für den Einkauf von Kontrastmitteln von einem Großhändler bzw. Hersteller Rabatte erhielt, die dieser nicht an die Krankenkassen abführte. Nach der damals geltenden Sprechstundenbedarfsvereinbarung bestand die Pflicht des Radiologen, die tatsächlichen Kosten für die Kontrastmittel in Rechnung zu stellen und der Rabatt war daher zu berücksichtigen. Das OLG Hamm stellte in seiner Entscheidung fest, dass die Gewährung unentgeltlicher Dienstleistungen an Ärzte durch Hersteller eine unzulässige "Schmiergeldzahlung" darstelle, da diese in Erwartung konkreter Bestellungen erbracht würden. Für Vertragsärzte bestehe eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, diese an die Krankenkasse zurückzuzahlen.

Im Bereich einiger Kassenärztlicher Vereinigungen (KV), z.B. Bayern und Westfalen-Lippe, haben die Krankenkassen mit den KV mittlerweile Pauschalen im Bereich der Kontrastmittelabrechung vereinbart.

Kann danach der Radiologe bei dem Kontrastmittelhändler die Kontrastmittel zu einem Preis einkaufen, der unterhalb der Pauschale liegt, darf er die Differenz vereinnahmen und muss diese nicht an die Krankenkassen weiterleiten. Da nicht ersichtlich ist, dass den Krankenkassen oder der KV ein wirtschaftlicher Schaden aufgrund der Unterschreitung der Pauschalen entsteht, scheiden Untreue und Betrug durch den Radiologen aus, soweit eine Pauschalvergütung besteht. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob es Herstellern und Großhändlern erlaubt ist, neben der Gewährung von Rabatten auch andere zusätzliche Zuwendungen, wie etwa die kostenlose Überlassung von Injektomaten, zu gewähren.

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Radiologe als Beauftragter der Krankenkassen

Im Hinblick auf den Straftatbestand der Bestechlichkeit im geschäftlichen Betrieb nach § 299 StGB könnte sich der Sachverhalt für Radiologen zukünftig anders darstellen, wenn die aktuellen gerichtlichen Entscheidungen in den weiteren Instanzen bestätigt werden sollten. Das OLG Braunschweig vertritt in seiner Entscheidung die Auffassung, dass der Vertragsarzt ein Beauftragter des geschäftlichen Betriebs der Krankenkassen ist und damit bestechlich sein kann. Nach der Rechtsprechung ist ein Beauftragter eine Person, die ohne Geschäftsinhaber oder Angestellter zu sein, aufgrund ihrer Stellung berechtigt und verpflichtet ist, für den Betrieb zu handeln und auf die betrieblichen Entscheidungen Einfluss zu nehmen.

Die Beauftragtenstellung eines Vertragsarztes zeige sich nach Ansicht des OLG Braunschweig bereits in dem Rechtsverhältnis zwischen den Krankenkassen, den Vertragsärzten, den Kassenpatienten und den Apotheken bei der Verordnung von Medikamenten. Nach § 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V haben die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankenbehandlung. Als Bestandteil der Krankenbehandlung sind Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel als Sachleistung zu erbringen.

Ein derartiger Sachleistungsanspruch könne grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt das Arzneimittel auf Kassenrezept verordne und damit die Verantwortung für die Behandlung übernehme, da die §§ 31 ff. SGB V keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche gewährten, sondern lediglich ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte darstellten. Ein bestimmtes Arzneimittel könne der Versicherte daher erst dann beanspruchen, wenn es ihm als ärztliche Behandlungsmaßnahme in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts zum Vertragsarzt als einem mit öffentlich-rechtlicher Rechtsmacht "beliehenen" Verwaltungsträger verschrieben werde. Bei Verordnung einer Sachleistung gebe der Vertragsarzt mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse die Willenserklärung zum Abschluss eines Kaufvertrags über die verordneten Medikamente ab; man könne ihn durchaus als "Schlüsselfigur der Arzneimittelversorgung" bezeichnen.

In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Ulm wurden 2 Ärzte wegen Bestechlichkeit zu einem Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Sie hatten Schecks von einem Pharmaunternehmen erhalten, die vordergründig vertragliche Leistungen für Vorträge und Seminare des Arzneimittelherstellers abgalten, tatsächlich aber nach Auffassung des Gerichts Umsatzbeteiligungen an den von ihnen selbst verordneten Arzneimitteln darstellten. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

In den Entscheidungen ging es stets um die Rolle des Vertragsarztes bei der Verordnung von Arzneimitteln. Eine Änderung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 13/08 R) fand in den beiden vorliegenden strafgerichtlichen Entscheidungen indes keine Berücksichtigung. Das BSG leitet das Vertragsverhältnis zwischen den Leistungserbringern und den Krankenkassen nunmehr unmittelbar aus dem Sozialrecht und nicht mehr aus dem Zivilrecht ab. Nur der zivilrechtliche Ansatz ist jedoch überhaupt tauglich, um einen "beauftragten Vertragsarzt" zu konstruieren.

Die Entwicklung der Rechtsprechung muss nach den bekannten aktuellen Gerichtsverfahren kritisch beobachtet werden. Sollte sich die Auffassung durchsetzen, dürften z.B. niedergelassene Radiologen in KV-Bezirken, die in der Sprechstundenvereinbarung eine Pauschalabrechnung vorgesehen haben, zwar den Betrag, der die Erstattungspauschale unterschreitet, behalten. Allerdings wären zusätzliche Zuwendungen, wie die kostenlose bzw. mietfreie Überlassung von medizinisch-technischen Geräten seitens des Herstellers oder Großhändlers, gemäß § 299 StGB strafbar, weil es sich um einen Vorteil handelt, auf den der betreffende Radiologe keinen Anspruch hat. Entscheidend ist nämlich, dass es für die Erfüllung des Straftatbestands nach § 299 StGB, anders als bei Betrug und Untreue, nicht darauf ankommt, dass den Kostenträgern ein wirtschaftlicher Schaden entsteht.

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Kassenarzt-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1960

In der Diskussion um die Anwendbarkeit des § 299 StGB auf niedergelassene Ärzte findet das grundlegende Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23.03.1960 (BVerfGE 11, 31ff.) allerdings zu wenig Berücksichtigung. Das Gericht stellte damals Folgendes fest:

"Entscheidend ist, dass die Tätigkeit des Kassenarztes auch im Rahmen dieses Systems freiberuflich bleibt. Die Krankenversicherung bedient sich des freien Berufes der Ärzte zur Erfüllung ihrer Aufgaben; sie baut nicht nur ihr Kassenarztsystem auf den Arztberufe als einem freien Beruf auf, indem sie das Vorhandensein eines solchen Berufes praktisch und rechtlich voraussetzt und sich zunutze macht, sondern sie belässt auch die Tätigkeit als Kassenarzt im Rahmen dieses freien Berufes."

Mit dieser Aussage stellte das BVerfG fest, dass ein Vertragsarzt ein "freier Beruf" ist und damit nicht im Geschäftsbetrieb einer Krankenkasse tätig wird. Niedergelassene Ärzte sind als Angehörige eines freien Berufs keine "Beauftragten" der Krankenkassen. Darüber hinaus fehlt es im Bereich des kollektiven Vertragsarztrechts zudem an einer unmittelbaren rechtlichen Beziehung zwischen niedergelassenen Vertragsärzten und den Krankenkassen.

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Zuwendungsverbot nach § 128 Abs. 2 SGB V

Allerdings dürfte gerade im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Dritten die Änderung des § 128 SGB V zu berücksichtigen sein, der die unzulässige Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und anderen Leistungserbringern regelt und klarstellt, dass unerlaubte wirtschaftliche Vorteile auch die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten, Materialien, Durchführung von Schulungsmaßnahmen sowie die Gestellung von Räumlichkeiten, Personal oder die Beteiligung an den Kosten hierfür sind.

Die Vorschrift regelt Zuwendungsverbote im Zusammenhang mit der Verordnung von und der Versorgung mit medizinischen Leistungen, wie mit Arzneimitteln und Medizinprodukten. Problematisch ist, dass die Verbotsregelung in § 128 Abs. 2 SGB V im Bereich der direkten Abgabe von Arznei- und Hilfsmitteln durch einen Vertragsarzt über das ärztliche Berufsrecht hinausgeht. Berufsrechtlich ist dies von den Zivilgerichten als zulässig angesehen worden, sofern die Hilfsmittel Teil der ärztlichen Therapie sind und sachliche Gründe vorliegen, die eine Versorgung des Versicherten direkt in der Arztpraxis als medizinisch sinnvoll erscheinen lassen (vgl. z.B. im Bereich der Hörgeräteversorgung; BGH, Urteil v. 29.06.2000, Az.: I ZR 59/98 und Urteil vom 15.11.2001, Az.: I ZR 275/99). Im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung ist dagegen nach § 128 SGB V die unentgeltliche Gewährung von geldwerten Vorteilen z.B. durch pharmazeutische Unternehmer, Großhändler, Heil- und Hilfsmittelerbringer, aber auch durch Krankenhäuser prinzipiell untersagt, es sei denn, diese sind Teil der ärztlichen Therapie oder Diagnostik. Im Bereich der Radiologie betrifft dies z.B. die Stellung von Geräten, wie Injektomaten durch Kontrastmittelhersteller oder Großhändler.

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Zukünftige rechtliche Situation der Zuwendungen

Seit dem 10.11.2010 liegt dem Deutschen Bundestag ein Antrag der SPD-Bundestagsfraktion vor, nach dem die Bundesregierung durch eine ergänzende Regelung im Strafgesetzbuch einen Straftatbestand der Korruptionshandlung niedergelassener Vertragsärzte und Krankenhäuser schaffen soll (Bundestags-Drucksache 17/3685). Die SPD-Bundestagsfraktion beabsichtigt mit diesem Vorhaben, den Meinungsstreit in der Rechtswissenschaft über den "beauftragten Vertragsarzt" zugunsten einer eigenständigen Regelung zu beenden. Daneben sollen die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen als Profit-Center innerhalb der Krankenkassen verankert werden.

In der Begründung des Antrags heißt es: "dass es einen strafrechtlichen Schutz für Patienten geben muss, der sicherstellt, dass nicht wirtschaftliche, sondern ausschließlich medizinische Beweggründe für die Art der Behandlung maßgeblich sind." Diese Forderung mag auf den ersten Blick nachvollziehbar sein, auf den zweiten Blick erweist sie sich aber als mit dem Sozialgesetzbuch unvereinbar. Am deutlichsten zeigt dies ein Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 12 Abs. 1 SGB V, wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen. Auf die Spitze getrieben würde sich der Gesetzgeber selbst mit den Regelungen des Sozialgesetzbuches zum Straftäter machen – dies ist wohl nicht beabsichtigt. Gemeint sein dürfte, dass die wirtschaftlichen Interessen des behandelnden Arztes nicht für die Auswahl und Verordnung von Arznei- und Hilfsmitteln maßgeblich sein sollen.

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Fazit und Ausblick

Die Rechtslage im Bereich von Kooperationen und Zuwendungen ist für Vertragsärzte und damit auch für niedergelassene Radiologen derzeit sehr unübersichtlich. Auch wenn es derzeit noch keine abschließende höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Fragestellung gibt, sollten niedergelassene Radiologen zukünftig sehr vorsichtig bei etwaigen Kooperationen mit der pharmazeutischen Industrie und Großhändlern sowie mit Medizinprodukteherstellern sein und deren Zulässigkeit durch die Ärztekammern oder versierte Rechtsanwälte prüfen lassen. Zukünftig können bei unzulässigen Kooperationsformen nämlich nicht nur vergleichsweise milde berufsgerichtliche Maßnahmen seitens der Ärztekammern, sondern zusätzlich strafrechtliche Verurteilungen nach § 299 StGB drohen, die in der Konsequenz auch eine Entziehung der Approbation oder ein Berufsverbot zur Folge haben können.

RA René T. Steinhäuser

RA Dr. Peter Wigge
Fachanwalt für Medizinrecht

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